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  • Day 145

    In Fox gefangen: Lodgisches Denken

    March 3, 2023 in New Zealand ⋅ 🌧 17 °C

    "Fox Glacier Lodge sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine/n Hotelfachmann/-frau (m/w/d)" - so oder so ähnlich klang eine der vielen Anzeigen auf dem neuseeländischen Backpacker:innen-Arbeitsmarkt. Nach drei Jahren WG-Koordinierung fühlen wir uns von dieser Annonce gleich angesprochen und bekommen 2 Tage später prompt einen Anruf: Wir sollen bitte so schnell wie möglich anfangen.

    In Neuseeland herrscht nicht nur Fachkräftemangel, sondern auch ein Mangel an ungelernten Kräften, insbesondere in den Bereichen Landwirtschaft und Tourismus. Diese ungelernten Arbeitskräfte kommen - wie auch in Australien - größtenteils aus dem europäischen Ausland in Form von jungen Menschen (Stichwort: Work and Travel). Ganze Regionen sind davon abhängig, dass Backpacker:innen Kiwis pflücken, Kühe melken und Kaffee verkaufen. Da viele Gegenden zwar touristisch begehrt, aber nur sehr dünn besiedelt sind, ist gerade hier die Personalnot groß und so manche Hotels oder Cafés stehen leer, weil seit der Corona-Pandemie keine Mitarbeiter:innen gefunden werden, die lange genug in der Provinz arbeiten möchten.

    Wir arbeiten nun jedenfalls bei Herrn Li und seiner - wie wir vermuten - Schwiegermutter Frau Feng. Herr Li besitzt ein Hotel und managt nebenbei zwei weitere. Er hat immer drei Handys dabei, je nachdem welches klingelt meldet er sich mit "Fox Lodge - How can I help you?", "Sunset Motel - How can I help you?" oder "Jade Hotel - How can I help you?". Dazwischen rast er zwischen den Hotels hin und her, repariert hier einen Wäschetrockner, dort einen Rasenmäher und bestellt parallel neue Bettwäsche. Ein familiengeführtes Unternehmen eben.

    Frau Feng ist eine engagierte und sehr fleißige Dame, mit der wir dank Google Übersetzer in Echtzeit kommunizierenkönnen. Sie putzt die Zimmer mit rekordverdächtigem Eifer und in Rekordzeit. In den ersten Tagen lehrt sie per Blitz-Ausbildung die Kunst, ein Hotelzimmer so aussehen zu lassen, als wäre dort noch nie jemand gewesen. Wenn alle Betten gemacht und die Bäder geputzt sind, gibt es jeden Tag eine unterhaltsame Kaffeepausen mit allerhand TikTok-Videos mit den neusten Trends aus China und manchmal werden wir dabei per Video auch der chinesischen Verwandtschaft vorgestellt. Dazu gibt es von Frau Feng selbstgebackenes, leckeres Brot, Kekse und andere chinesischen Leckereien. 谢谢!

    Nach vielen Tagen im Zelt und dem stetigen Weiterziehen tut es uns gut, für einige Zeit wieder ein Dach über dem Kopf zu haben, in einer Küche zu kochen, in einem Bett zu schlafen und etwas Alltag und Routine aufzubauen: Jeden Morgen geht es um 9 Uhr los, damit die Zimmer bis 14 Uhr für die neuen Gäste bereit sind. Nachmittags sitzen wir abwechselnd an der Rezeption und checken die Gäste sowie die Campervans ein.

    Die jeweils andere Person arbeitet im Jade Hotel nebenan. Das in die Jahre gekommene, muffig bis schimmelig riechende Hotel mit dazugehörigem Hostel und geschlossenem Restaurant wirkt anfangs wie das zum Leben erweckte Sinnbild einer Touristenregion während der Corona-Pandemie. Die Logos auf den Schildern zeugen davon, dass das Hotel in den letzten Jahren mehrfach die Besitzer gewechelt hat. Da nun jedoch wieder mehr Tourist:innen ins Land kommen und "unser" Hotel stets weit im Voraus ausgebucht ist, sollen die Zimmer im Jade Hotel auch wieder vermietet werden. Nachdem unser erster Vorschlag, es mit wenig Aufwand und etwas Deko zu einem offiziellen Gruselhotel auszubauen, leider nicht durchgeht, bringen wir das Hotel stattdessen langsam auf Vordermann. Unser Ziel ist es, die Bewertung bei Booking von 5.9 (Akzeptabel) wieder ins gesicherte Mittelfeld, also auf über 6 (Ansprechend) zu führen und dort zu stabilisieren.

    Wir machen uns ans Werk: Ein paar Zimmer werden frisch gestrichen, die Küche wird ausgemistet und aufgeräumt, kaputte Deko entfernt, Schmutzschichten nach und nach abgetragen. Wir machen neue Fotos für Booking & co und tatsächlich steigen Gäste- und Umsatzzahlen langsam an.

    Im Ort Fox Glacier ist man den Umgang mit Veränderungen wohl gewohnt: Das Wetter ändert sich jedenfalls stündlich - gefühlt gibt es jeden Tag vier Jahreszeiten. Das erfordert auch viel Flexibilität bei der Hauptattraktion im Ort: Hubschrauberflüge über den namensgebenden Fox Gletscher. Bei gutem Wetter fliegen die Helikopter im Minutentakt über unsere Köpfe hinweg, bei Regen und Nebel werden sie im Minutentakt abgesagt und lassen enttäuschte Hotelgäste zurück.

    Der Fox Gletscher sowie dessen Nachbar Franz Josef beginnen im Aoraki bzw. Mount-Cook-Massiv, also am höchsten Berg Neuseelands. Sie fließen mit einer Geschwindigkeit von bis zu einem Meter pro Woche den Berg hinab und erreichen auf etwa 300 Höhenmetern den Regenwald. In kalten Jahren können sie daher schnell wachsen - in warmen Perioden ziehen sie sich jedoch ebenfalls schnell zurück.
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