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  • Day 199

    Kiwi-Fund am falschen Fuji

    April 26, 2023 in New Zealand ⋅ ☀️ 15 °C

    Vom ersten Vulkan geht es direkt weiter zum nächsten: Die wegen ihrer Einsamkeit auch "Forgotten World Highway" genannte Straße führt uns in die Region Taranaki rund um den gleichnamigen Berg. Der Berg ist ein solitärer stehender, perfekt geformter Vulkankegel, der unter anderem im Film "The Last Samurai" als Ersatz für den Fuji diente. Just an dem Tag, als wir ankommen, hat es auf der Kegelspitze leicht geschneit - das Fuji-Double ist perfekt.

    In der Nacht zuvor zelten wir in einem kleinen Naturschutzgebiet. Beim Betreten kommen wir uns ein bisschen vor, wie in einem Videospiel: Das gesamte Areal ist von einem zwei Meter hohen, engmaschigen Zaun umgeben. Um es zu betreten, muss man zunächst eine Zaunschleuse passieren. Auf Knopfdruck öffnet sich ein Tor im ersten Zaun und erst, als dieses wieder hinter einem geschlossen ist, öffnet sich das zweite Tor. Währenddessen soll man aufpassen, dass keine Possums, Ratten, Mäuse oder Igel mit einem durch das Tor kommen. Zusätzlich sind in der Schleuse mehrere Fallen aufgestellt, um mögliche Eindringlinge direkt wieder abzufangen.

    Der Schutz lohnt sich: Als wir nach der Schleuse durch den Wald hinab zum See fahren, beginnt schlagartig ein lebendig-lautes Vogelkonzert. Im gesamten Naturschutzgebiet leben einige Arten, die auf dem neuseeländischen Festland ansonsten ausgestorben sind. Außerdem gibt es hier eine recht hohe Anzahl an Kiwis. Schon mit Anbruch der Dunkelheit schallen die schrillen Rufe des nachtaktiven Nationalvogels durch den windigen Wald. Ausgerüstet mit den obligatorischen - und den aufmerksamen Leser:innen von der Pinguinsuche bekannten - roten Taschenlampen machen wir einen ersten Ausflug in den nächtlichen Wald. Das rote Licht wird von den Tieren weniger stark wahrgenommen und soll sie so weniger verschrecken - dennoch gehen wir leer aus.

    Als wir wieder in unseren Schlafsäcken liegen, hören wir die nächsten Rufe ganz in der Nähe des Zeltes. Wir sehen nochmal nach und haben Glück: Direkt am Parkplatz ist ein Kiwi auf Futtersuche und lässt sich von uns kaum stören. Mit seinem 20 cm langen Schnabel, stochert er am Straßenrand nach Würmern und Insekten. Erst nach einigen Minuten raschelt er zurück ins Unterholz.

    Wie viele der einheimischen Vögel sind die Kiwis nach Ankunft der Menschen stark dezimiert worden, viele Arten sind sogar ausgestorben oder haben nur auf abgelegenen Nachbarinseln überlebt. Da es bis zur Ankunft der Maori vor etwa 800 Jahren keine Säugetiere (abgesehen von Robben und Fledermäusen) gab, waren die neuseeländischen Vögel fast komplett schutz- und wehrlos gegenüber eingeschleppten Raubtieren. Neuseeland betreibt daher aufwendige Zucht- und Auswilderungsprogramme und hat sich das Ziel gesetzt, bis 2050 "Predator Free" zu sein: Alle als "pests" bezeichneten Tiere, die die heimische Vogelwelt bedrohen, sollen bis dahin ausgerottet werden. Hierfür wurden landesweit unzählige Fallen und Köder ausgelegt, um die Ausbreitung einzudämmen. Uns scheint dieses Ziel allein schon auf Grund der trotz der vielen Fallen sehr hohen Anzahl Possums, die wir unterwegs gesehen haben, sehr optimistisch gewählt. Der Campingplatzbetreiber am Taranaki berichtet hingegen, dass er bereits in den letzten 10 Jahren verfolgt hat, wie sich die Vogelwelt nach und nach wieder ausbreitet und die Vogelstimmen von Tui, Kereru und Tomtit wieder erklingen.
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