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  • Day 301

    Leichenschmaus und Geisterhaus

    August 6, 2023 in Thailand ⋅ ☁️ 33 °C

    Wie jeden Morgen halten wir auch heute Vormittag Ausschau nach kaffeetrinkenden Menschen, zu denen wir uns für eine kurze Pause setzen können. Nach wenigen Kilometern sehen wir auf einem Dorfplatz eine entsprechende Gruppe und dazu noch einen Stand, der in Bananenblättern gegartes Omelett anbietet. Erfreut springen wir von den Fahrrädern und setzen uns an einen der wenigen leeren Tische. Niemand spricht Englisch, aber der Kaffee ist schnell organisiert.

    Dann passiert etwas Unerwartetes. Von einem Stand, den wir zuvor nicht bemerkt hatten, wird uns tellerweise Essen gebracht: Scharfes vom Schwein, eine Nudelpfanne, eine große Menge Reis, jene Omeletts, wegen denen wir gehalten hatten, Obst und Säfte stapeln sich schnell auf unserem Tisch. Ein Brunch ist nie verkehrt und da wir ohnehin noch nicht gefrühstückt haben, schlagen wir zu.

    Nach einer halben Stunde setzt sich eine junge Frau, die gut Englisch spricht, zu uns und klärt uns auf: Puy erklärt uns, dass wir uns gerade auf der Beerdigung ihrer Oma befinden und herzlich eingeladen sind. Dachten wir bis gerade, dass wir in einem Dorflokal sitzen, fühlen wir uns mit einem Mal etwas fehl am Platz. Doch Puy beschwichtigt uns, dass die Trauerfeier sowieso in einem sehr lockeren Rahmen und über einen Zeitraum von 13 Tagen stattfände - jeden Tag sei jemand anders aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis für die Bewirtung zuständig und jeder, der mittrauern oder sich von der Verstorbenen verabschieden möchte, könne sich, so oft und lange er möchte, dazusetzen.

    Und so kommt es auch: In den nächsten Stunden tauchen immer mehr Menschen auf, die ebenfalls an der Trauerfeier teilnehmen. Sie sind bunt gekleidet, nur wenige tragen schwarz. Sie begrüßen sich, reden und essen gemeinsam. Unter den Menschen sind auch vier buddhistische Mönche, die in ihren gelb-orangenen Roben am Nachbartisch sitzen und nach dem Essen Mantras singen.

    Im Süden Thailands gab es noch ebenso viele Moscheen wie Tempel, doch spätestens ab Surat Thani ist nahezu die gesamte Bevölkerung buddhistisch. Anzeichen dafür finden wir in jedem Dorf in Form von eindrucksvollen Klosteranlagen mit bunt geschmückten Eingangstoren, Buddhastatuen und vergoldeten Tempeln. Hinzu kommt, dass an fast jedem Haus ein Mini-Tempel steht, in dem - so die thailändische Auffassung - die Hausgeister leben. Manche Mini-Tempel sind sogar möbliert und werden mit Blumen geschmückt und regelmäßig mit Getränken und kleinen Mahlzeiten bewirtet.

    Für uns sind die parkähnlichen Klosteranlagen, nicht nur schön anzusehen, sondern auch eine weitere Campingmöglichkeit (ebenfalls ein Tipp anderer Radfahrer:innen). Ähnlich wie bei den Polizeistationen, kann man auch hier abends freundlich und mit bedeckten Knien um Erlaubnis bitten, sein Zelt aufzuschlagen. Und wie es der Zufall will, zelten wir in dieser Nacht in einer Klosteranlage neben dem Krematorium und gleiten mit Siddartha-Hörbuch in den Schlaf. Damit sind wir vollkommen im buddhistischen Thailand angekommen.
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