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  • Day 84–85

    Schönheit mit Kratzern

    October 8, 2023 in Turkey ⋅ ⛅ 24 °C

    In den nächsten Tagen gewöhnen wir uns allmählich an das Wandern mit intensiven Aufstiegen und Abstiegen täglich und das bei konstantem Sommerwetter mit um die 30 Grad. Die Sonne ist intensiv und wir haben Glück mit dem Wetter, so dass wir nur an einem Tag einen kleinen Schauer abbekommen und ansonsten uns die Sonne küsst und wir bei blauen Himmel und trockenen wandern.

    Immer wieder wandern wir an der türkisfarbenen Küste entlang und springen in das wunderschöne Mittelmeer zum Abkühlen. Hierbei müssen wir sogar an einem Tag durch ein Strand-Ressort, welches direkt in den Wanderweg sein Domizil gebaut hat (die spinnen doch die Türken). Diese Chance nutzen wir für einen kurzen Stop zum Schwimmen, Duschen und Kaffee trinken und das auf einer kleinen Schaukel mit Blick auf das unter uns liegende Blau.

    Unsere Route führt uns dabei abwechselnd in die Berge mit Schluchten, Tälern und Berpässen, wieder zurück ans Meer mit Stein- und Sandstränden, vorbei an alten Ruinen der Griechen und Römer, dem Geburtsort vom Nikolaus, der alten griechischen Stadt Olympus, dem ewigen Feuer der Chimara und das mitten umgeben von wunderschöner Natur, die zum Teil durch Nationalparks geschützt wird oder zumindest versucht.

    Ansonsten nehmen die Türken den Schutz des Weges und Flora und Fauna nicht so genau und um ehrlich zu sein, es ist ne Katastrophe zum Teil. Es gibt immer wieder illigale Bauvorhaben auf der Strecke und plötzlich auftauchende Müllhalden. Der Wanderweg ist leider zum Teil zugebaut (wie u.a. an dem Ressort) oder führt direkt an der Schnellstraße vorbei und mitten durch, in und durch Großstädte oder durch Campingplätze, Gärten von Privathäusern oder auch Steinbrüchen. Dadurch verliert der Lykia Yolu teilweise seinen Charme und es kotzt uns an, jedoch ist es auch Teil dieser Strecke und unserer Wanderung.
    Aus dem Grund überspringen wir einige Routen komplett oder fahren per Anhalter eine Teil von Routen.

    Auf einer besonders schönen Wanderung von Kabak nach Bel starten wir am Morgen an der Mittelmeerküste und haben zwei große Anstiege vor uns. Es werden die ersten Challenges für uns. Der schweißt tropft uns nur so vom Leib, der Rucksack wird immer schwerer und kein Ende in Sicht, die Berge wirken unüberwundbar und der Weg zieht sich wie Kaugummi. Dazu verlaufen wir uns auch noch und stehen mitten im Nichts. Mein super Idee, querfeldein zu laufen, um wieder den Weg zu erreichen, stellt sich als Sackgasse aus Dornenbüschen heraus. Über einen kleinen Felsen sehe ich eine Lücke. Wir probieren uns gegenseitig auf den Felsen zu ziehen und dabei rutschen unsere Hände, von der Sonnencreme und dem Schweiss glitschig, auseinander und zack liege ich in den Dornbüschen. Kurzer Schock und ein paar Stacheln aus der Haut ziehen und Mund abwischen. Nur die Motivation ist am Ende, wir haben kein Bock mehr und wir schieben Frust und nerven uns nur noch an. Auch das ist Teil einer sechszehntägigen Wanderung.

    Wir laufen den Frust aus den Beinen und irgendwie muss ja weitergehen, weil umkehren oder aufgeben keine Option für uns beide sind. Da begegnen wir einem netten Kandanier der uns entgegenwandert. Er empfiehlt uns Fatams Pension in Bel (unser heutiges Ziel), die er am vorherigen Abend besucht hat. Er schwärmt von Fatama und ihrem Essen und das motiviert uns. Work hard - play hard! Wir durchqueren zwei Dörfer und kommen auf rote Feldwege von Olivienbauern und Ziegenhirten und diese schlengeln sich ewig den Yolu entlang. Langsam wird es dunkel und wir stolpern in Bel herein und hier sind wir wirklich am Ende der Welt. Die Zeit steht still, Schweine grasen vor Wohnhäusern, eine Frau puhlt ihre Bohnenernte des Sommers und eine zweite macht Brennholz für den Winter zum Anheizen klein. Und Fatmas kleine Farm mit dreistöckigen Wohnhaus und traumhafter Terrasse mit Blick über den Ort und die umliegenden Berge. Wir sind völlig am Ende und trinken mit zwei Franzosen, die auch gerade angekommen sind, erstmal ein Bierchen- schmackofatz.

    Fatma ist ne rüstige Türkin um die fünfzig Jahre und führt ihre Farm und Pension mit klarer Hand. Knackige Preise, kein Schnick-Schnack, einfach und alles vorhanden. Sie kocht alles selber und dabei sind alle Zutaten von ihrer Farm. Ihr Leidspruch wird uns vermutlich ein lebenlang begleiten "Fatma no market", was bedeutet, dass sie wirklich alles selber macht oder ihre Farm produziert. Oliven, Honig, Lavash Brot, Eier, Auberginen, Tomate, Gurken, Mandel, Schafskäse, Joghurt, Köfte, Pfeffer...

    Es war beeindruckend in dem kleinen Bergdorf Bel (eine Zeitkapsel in der Türkei) mit tollen Menschen wie Fatma und unfassbar köstlichem Essen.
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