Satellite
Show on map
  • Amasya

    August 31, 2023 in Turkey ⋅ ☀️ 34 °C

    Heute sitzen wir nach frühem Aufstehen und Frühstück bereits um acht Uhr auf den Rädern, nur knapp 30 Kilometer auf ebener und teilweise gar leicht abfälliger Strecke sind es bis zum Ziel Amasya. Die frühere Hauptstadt des griechischen Pontischen Reiches (ca. 300-70 v. Chr.) hat heute etwa 150.000 Einwohner und wartet laut Reiseführer mit gut erhaltenen osmanischen Fachwerkhäusern auf, die entlang des Yeşilırmak ("Grüner Fluss") fast über das Ufer ragen. Dazu kommen seldschukische Bauten, Moscheen und Mausoleen sowie eine römische Festung. Schon während des Radelns ist weit vor unserer Ankunft das imposantes Bergpanorama der Stadt auszumachen. Eigentlich sah unser Plan vor, durch unser frühes Ankommen den Nachmittag vor Ort für Besichtigungen zu nutzen und morgen unsere Tour fortzusetzen. Die Fahrt in den Ortskern am Yeşilırmak entlang vor der sehr beeindruckenden Felskulisse gefällt uns aber so gut, dass wir unabhängig voneinander den Gedanken haben, hier einen kompletten Ruhetag einzulegen. Gesagt, getan - wir steuern ein Hotel an und checken direkt für zwei Nächte ein. Angesichts der frühen Ankunftszeit, es ist gerade erst halb elf, ist das Zimmer noch nicht fertig. Wir nehmen vor dem Hotel an einem Tisch des dazugehörigen Restaurants Platz und bekommen zur Überbrückung der Wartezeit Tee und Gebäck serviert. Nach dem Bezug unseres Zimmers vollziehen wir das übliche Procedere: ausgiebige Dusche, elektronische Geräte mit Strom versorgen, verschwitzte Radel-Klamotten einer Wäsche unterziehen, chillen...! Es ist ein extrem heißer Tag, so dass wir uns heute keine riesigen Aktionen mehr vornehmen, sondern einen eher entspannten Nachmittag und Abend anstreben. Und wie kann man ein solches Vorhaben besser beginnen als mit ESSEN? Bei 38 Grad im Schatten bewegen wir uns ganze 300m, um in das auserwählte Mantı-Evi, welches die landestypischen gefüllten ravioliartigen Teigtaschen in verschiedenen Variationen anbietet, zu gelangen. In einem sehr hübsch gestalteten Innenhof schlagen wir uns die Bäuche voll und schlendern anschließend am Fluss entlang. Der Reiseführer hat nicht zu viel versprochen, schon bei unserer Einfahrt in die Stadt waren wir sehr angetan von den traditionellen osmanischen Villen und Häusern, die die Ufer des Flusses Yeşilırmak säumen. Die bis heute erhaltenen historischen Amasya-Häuser stammen größtenteils aus dem 19. Jahrhundert. Wir flanieren in aller Seelenruhe den Fluss auf und ab, verweilen auf der einen oder anderen Bank und lassen uns durch den Tag treiben. So landen wir auch am Moscheenkomplex namens
    "Sultan II. Bayezid Külliyesi". Zwischen 1485 und 1486 im Auftrag des osmanischen Sultans II. Bayezid erbaut bestechen sowohl die Moschee als auch die verschiedenen Nebengebäude durch eine sehr schöne Architektur. Am Rande des Moscheenkomplexes werden wir auf das Minyatür Amasya Maket Müzesi (Miniaturmuseum Amasya) aufmerksam und besuchen selbiges für einen Eintritt von 10 TL. Die Miniaturstadt ist von einem Foto aus dem Jahr 1914 inspiriert und will im Gegensatz zu anderen Miniaturstädten nicht nur die Orte und die Architektur zeigen, sondern ein lebendiges Amasya darstellen. Die angekündigten Licht- und Soundeffekte bewegen sich dann auf einem doch eher niedrigen bis fast niedlichen Niveau, dennoch bereuen wir den Besuch nicht. Im letzten Tageslicht raffen wir uns schließlich doch noch zu einer ersten "kleinen" Besteigung des Berges Harşena auf, auf welchem die gleichnamige Burg thront. Im Fels unterhalb der Burg befinden sich in eindrucksvoller Lage fünf Kammergräber mit Fassaden, die den ersten fünf Königen von Pontos zuzurechnen sind. Viel Zeit bleibt uns nicht, da wir eine gute halbe Stunde vor Ende der Öffnungszeiten am Tickethäuschen auf Höhe der Gräber ankommen. Wir zahlen trotzdem den Eintritt von 25TL und können einen für unsere Ansprüche ausreichenden Eindruck gewinnen. Dass unser Fachwissen allerdings etwas anders gelagert ist, wird deutlich, als Heiko bei einem anderen Besucher sofort die mitgeführte Ortlieb-Lenkertasche auffällt und er diesen als Radreisenden identifiziert. Darauf angesprochen bestätigt sich die Vermutung, noch dazu handelt es sich um einen deutschen Radel-Kollegen. Jannik (Instagram: we_cycle_jannik) ist Anfang zwanzig, hat als Lehramtsstudent für Biologie und Deutsch gerade seinen Bachelor gemacht und ist nun vor Beginn des Master-Studiums auf Weltreise. Eigentlich ist er mit seinem Kumpel Karl gemeinsam unterwegs, aktuell fahren die beiden aber jeweils für zehn Tage getrennt voneinander, um einfach mal das Alleinreisen auszuprobieren. Seit vier Monaten von geplanten anderthalb Jahren sind sie bereits unterwegs, ostwärts soll es weitergehen. Wir steigen gemeinsam vom Felsen ab und "besichtigen" Janniks Fahrrad, im Anschluss quatschen wir bei dem einen oder anderen Tee auf unserer Hotelterrasse weiter. Es wird schon dunkel, als Jannik sich verabschiedet. Sein Plan sieht vor, heute noch etwa 25 Kilometer zu fahren und morgen einen Solo-Wandertag einzulegen. Wir bleiben indes auf der Terrasse sitzen und bestellen uns ein leckeres Abendessen. Der Appetit auf Baklava, welches in unserem Hotelrestaurant nicht auf der Karte steht, zieht uns noch einmal raus auf die "Hauptstraße" am Fluss. Plötzlich herrscht hier eine ganz andere Atmosphäre. Die historische Häuserzeile, die Pontusgräber, die Burg auf dem Felsen und die Moscheen sind aufwändig beleuchtet und eine Fahrspur der Straße ist zugunsten der Fußgänger für Autos gesperrt. Es herrscht ein buntes Treiben, viele Menschen aller Altersklassen sind unterwegs, uns gefällt diese abendliche Stimmung sehr. Nicht von Erfolg gekrönt ist jedoch unsere Suche nach Baklava. Wir drehen ein Runde durch die Stadt, kehren aber am Ende in, bzw. vor einem kleinen Café am Ausgangspunkt unseres Spaziergangs ein, um dort leider nicht Baklava, aber immerhin ein köstliches Stück Kuchen zu essen und einen Gute-Nacht-Tee zu trinken.
    Read more