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  • Day 35

    Loslassen – die Equipe und der Seppelhut

    August 31, 2022 in Spain ⋅ ☀️ 19 °C

    Nun, über … davon berichte ich gleich … ist es Abend geworden. Ich weiß auch gar nicht gut, ob ich das, was ich mit euch teilen möchte, überhaupt in stimmende Worte bringe. Versuche ich es einmal.
    Ich habe nun seit Tagen darauf hingearbeitet, nach O Cebreiro zu gelangen. Und dann ist da ja auch der lange Anstieg davor. Andere Pilger gehen den Berg von Villafranca in einem Stück hoch. Ich wollte nicht so erschöpft oben ankommen. So habe ich kleinere Abschnitte gewählt und bin das ganze in drei Etappen hochgelaufen. Dann waren es von La Faba aus nur noch knapp 5 km, aber immerhin galt es noch, 400 Höhenmeter zu überwinden. So gut, wie es am Tag vorher geklappt hatte, war ich ganz zuversichtlich. Außerdem: 5 km – selbst wenn ich langsam ging, sollte das in zwei Stunden zu schaffen sein.
    Ich konnte mir Zeit nehmen, am Morgen länger schlafen und frühstücken, bevor ich dann um halb Neun loslaufen würde. Am Abend war noch überraschend ein weiterer Pilger eingetroffen, mit dem ich dann mein erhofftes Einzelzimmer teilen musste. Es war schon dunkel, als wir uns begegneten und wir murmelten nur ein kurzes Hola und dann drehten wir uns um und schliefen.
    In der Nacht träumte ich wirres Zeug – ich sollte einer ziemlich aufmüpfigen Jungengruppe etwas über den Äther- und Astralleib erzählen. Ich hatte ein gutes Konzept, trotzdem ging es total in die Hose –; ich träumte auch von meinem Zimmergenossen, wie er hell umleuchtet im Bett saß und meditierte.
    Am Morgen verabschiedeten wir uns kurz – immerhin gab es ein Lächeln – und ich ging los.
    Nun, meine Strategie war folgende: ich lasse mich nicht in Stress bringen, ich mache einfach kleinere Schritte – und sollte es noch anstrengender werde, mache ich noch kleinere Schritte. Ich habe da seit ein paar Jahren eine Equipe von Elementarwesen, die mich bei allen leiblichen, vor allem physiologischen Vorgängen unterstützen. Pyrene und Erron kennt ihr ja schon. Da gibt es noch andere, die jeweils ihren spezifischen Aufgabenbereich haben und sich um einzelne Organe oder System kümmern. In der Brust wirken Viridian Amar für das Herz und auch den Kreislauf und Juki-Juki, der Lungenminister. Eubonito ist speziell für die lichte Aura des Herzens zuständig. Er lädt mich schon lange ein, endlich mal einzutreten. Im Bauch sitzt Apollonia „La Morena“ – sie schaut gut nach der Verdauung. Dazwischen um das ganze System mit Zwerchfell und Psoas, also die Muskeln, die oben und unten verbinden und für Entspannung oder Flucht zuständig sind, sitzt Kalinari, den ich zu oft bitte, die Zügel anzuziehen. Im Kreuzbein schafft Qua‘uitt, unterstützt von Freske, der wärmt, und Friske, die kühlt. Floyd sorgt sich um alles, was mit Niere und Blase zu tun hat und was abgeführt, bzw. wieder regeneriert wird. Im Kopf schafft Zaphir – besonders im limbischen System und regelt Hormon- und Nerven-Vorgänge. Schließlich gibt es Regula, die Herrin des Vagus. Sie reguliert das ganze physiologische System und steuert im Wesentlichen Herz, Lunge und Darm. Für die Ohren, die auch am Vagus hängen, wird sie unterstützt von Papageno auf der linken Seite und rechts von Papagena. Das ist also mein Team: Kikes Körperelementarwesen Equipe, kurz KEWE.
    Vielleicht hört sich das etwas verrückt an – und ist es ja auch ein bisschen. Aber für mich ist die Existenz von Übersinnlichem lange eine Tatsache, die ich in mein Leben mit einbeziehe. Und nur darüber reden, möchte ich nicht. Ich muss das auch spüren können.
    Nun, also heute Morgen. Ich hatte die ganze Equipe versammelt und ihnen meine Strategie vorgestellt. Ich bat sie mich zu unterstützen und bedankte mich für ihre tolle Mitwirkung und das Zusammenspiel in den letzten Tagen. Heute würde ich ihre volle Präsenz brauchen.
    Ich ging los. Es war noch dämmrig und neblig. Der Weg war steil und ich setzte Schrittchen vor Schrittchen. Es ging gut. Immer wenn ich merkte, dass da Erregung, also ein Anflug von Stress, aufkam, drosselt ich mein Tempo und zwang mich langsamer zu gehen. Ich bedankte mich bei der Equipe und bat sie, weiterhin dran zu bleiben. Alle schafften gut zusammen.
    Dann zwängten sich die ersten Sonnenstrahlen durch die noch dichte Wolkendecke. Wie jeden Morgen begrüßte ich die Sonne mit einem Lied: Aus der Nacht tief dunklem Schatten …
    Heute Morgen klang auch noch der Gong dazu. Ich habe ein App auf meinem Smart-Phone installiert „Mindfullness Bell“. Sie lässt den Ton einer Klangschale ertönen und erinnert mich daran, für einen Moment innezuhalten und gewahrzuwerden, wo und wie ich mich gerade befinde. Sie macht das zwischen acht Uhr morgens und acht Uhr abends immer 46 Minuten nach der vollen Stunde (warum gerade 46 Minuten weiß ich nicht, und ich könnte es auch nicht anders einstellen – ist auch egal).
    Meine kleine Kurzmeditation sieht nun so aus, das ich nach hinten in meinen Rücken spüre, dort blaues Urvertrauen empfinde und mir die Frage stelle: will ich aus meinem Leidwesen emotional reagieren und in die Enge geraten oder kann ich in die Weite gehen und drüber stehen? Nach vorne spüre ich die Verbindung – rosa – besonders alle Schleimhäute im Kopf oder Verdauungstrakt sind sehr sensibel für das, was außer mir geschieht. Will ich mich damit verbinden oder trenne ich mich und grenze mich ab? Oder noch schwieriger: verbünde ich mich mit anderen gegen andere – das wäre potenzierte Egoität? Dann suche ich meine Mitte. Es wird goldgelb, wenn ich mich zu meiner wahren Größe aufrichten kann. Das gelingt aber nur selten. Da gibt es einen Federkern in mir, der hält mich runter, macht mich klein, damit ich nicht auffalle. Und das kostet enorm viel Kraft. Ist doch paradox! Sich aufrichten, heißt, sich in seine wahre Größe hinein zu entspannen.
    Da hatte ich plötzlich eine Eingebung. Das, was ich gerade tat – nämlich mich zu bremsen und nur kleine Schritte zu tun – war ja auch so eine Art Kleinmachen, sich Zurücknehmen, nicht seine wahre Kraft einsetzen. Da kam etwas zusammen, was ich mit meiner großen Liebe in den letzten Tagen am Telefon bewegt hatte: sie war auf einem SE-Workshop mit Peter Levine, wo es um das Thema „Depression und Aggression“ ging. Kurz: wie zu viel Druck von oben (mit viel Kraftaufwand) auf mögliche Aggressionsausbrüche zu Unterdrückung und letztlich zur Ablöschung (von Lebendig-Sein) und Depression führt. Wenn nun die beiden – Erregung und Geführt werden – zusammenspielen würden, sollte ein herzerfrischender Tanz entstehen.
    Also: war da gerade etwas nicht ganz stimmig, dass ich so arg eingriff? Vielleicht stecke da ein Angst vor Überschuss dahinter. Ich sollte es doch schaffen, aus diesem Berghochsteigen, einen Tanz zu kreieren.
    Und wie zur Bestätigung kam mein Zimmergenosse von heute Nacht an mir vorbei – so ein nettes Hütchen auf – grüßte lächelnd und war verschwunden.
    Das Hütchen! Das ist so ein Code. Ich habe das schon öfters erlebt. Da gibt es einen Engel, der mich begleitet – ein Schutzengel könnte ich sagen, oder einfach jemand, der im richtigen Moment da ist und mich auf etwas hinweist – und der Räume um mich schafft. Als ich kurz von Estella war – ich sollte noch 4 km laufen, durch sengende Hitze, allein, ohne Ortschaft, mein Akku vom Smartphone war leer, ich könnte nicht mal Hilfe rufen, und meine Wasservorräte waren alle! – nun, ich ging los, was blieb mir übrig? Nach der Hälfte der Strecke, als ich um eine Ecke bog, saß da ein junger Mensch am Boden, den Rucksack abgezogen, die Füße von sich gestreckt. Ich wusste nicht einmal, ob es ein Junge oder Mädchen war. Sein/ihr Gesicht war gerötet und sie oder er trug einen Hut – so einen Seppelhut, wie in die Hirtenkinder tragen – ziemlich tief ins Gesicht gezogen und schaute mich mit tiefem Blick an. Es war nur ein Moment und da war keine Not – nur ein kurzes Gewahrwerden: aha, wir haben uns gesehen – es ist gut. Ich meine nicht, dass da ein Engel saß – aber dass er – der Engel – sich dieses Menschen und des Hutes bedient, um mir seine Anwesenheit zu zeigen. Das war nicht da einzigste Mal. So etwas war mir davor in anderen Situationen schon manches Mal passiert.
    Und nun am Berg dieser Nachtgenosse, der seinen Hut genauso trug.
    Aha. (?) … wenn ich …?
    Und dann lief ich los. Es ging schneller. Ich lies das Einhalten los und vertraute auf den Raum, den der Engel geschaffen hatte. Ich nahm natürlich die Equipe mit ins Boot und unterrichtete sie über die Planänderung.
    Das ist vielleicht das Geheimnis von Loslassen – sich vertrauensvoll Fallenlassen in dem Raum, den der Engel für mich bereitet.
    ~
    Ich könnte nach so einem Offenbaren etwas Rückmeldung gebrauchen. Also gerne die Kommentare mit etwas Text füllen.
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