• Das Beste kommt zum Schluss

    29 Ocak, Tayland ⋅ ☁️ 27 °C

    Nur zwei Übernachtungen haben wir im Bayview Beach Resort auf unserer Rückreise nach Bangkok gebucht. Leider. Unser Zeitplan gab nicht mehr her. Zwischen den beiden Nächten liegt tröstlicherweise ein wunderbarer langer Tag mit schönstem Wetter, wildem Meer, denkwürdigen Strandspaziergängen, Muschelfreuden sowie dem Besuch der Buddhastatue Phrabhut Kitti Sirichai und der buddhistischen Pagode auf dem Tongchai Berg. Letztere kann man von unserem Strand aus sehen und wirkt mit den im Sonnenlicht glitzernden fünf goldenen spitzen Stupas wie ein Märchenschloss. In der Mittagshitze erklimmen wir eine von weißen Schlangen gesäumte Treppe und erleben die Pagode von ihrer nahbaren Seite. In dem doppelstöckigen quadratischen Raum zeigen Türen, die unten auf Schwellen aufsitzen und nach oben hin konisch aufeinander zulaufen, in alle vier Himmelsrichtungen und suggerieren eine wunderbare genau definierte Verbindung zwischen innen und außen. Einige der Türen sind offen, so dass man mit dem Blick auf Kokospalmenwälder und die lange weiße Küste der Welt draußen sehr nahe ist. Einmal mehr fasziniert mich die Diesseitigkeit des Buddhismus. Man stelle sich Kirchen mit nach allen Seiten offenen Fenstern und Türen vor – undenkbar!

    Den Rückweg vom Phrabhut Kitti Sirichai zur Lodge verbinde ich mit einem langen Strandspaziergang.
    Auf einem Felsvorsprung wehen die an einer Wäscheleine trocknenden orangefarbenen Gewänder der Mönche des Wat Thang Sai. Die bei Flut an die Felskante schlagenden Wellen haben sich zurückgezogen und am Strand einen Saum aus schmutzigem klebrigem Tang zurückgelassen, in dem sich Strandgut verfangen hat, das hier nicht her gehört und nur bedingt appetitlich ist. In Wasserlöchern dümpelt nicht nur die Keramik von Muschelschalen und Korallenscherben, sondern auch Relikte von Kunststoffgegenständen aller Art. Dinge, die den Blick stören und das Wohlbefinden, das gute Gefühl, dass man hier an einem intakten Ort ist, an dem noch alles in Ordnung ist. Aber das mit dem Paradies ist halt so eine Sache. Nicht erst an diesem Strand, aber hier besonders eindringlich, begreife ich das ganze Ausmaß der Plastikseuche, die Thailand fest im Griff hat, und ihre Tragweite. Schon zuvor ist uns aufgefallen, wie freigebig und scheinbar unbekümmert man in Thailand mit der Verwendung von Plastikutensilien umgeht. Alles, alles ist hier aus Kunststoff, Becher, Bottles, Besteck, Beutel, in denen auf thailändischen Nachtmärkten an Ort und Stelle produzierte Gerichte zum Mit-nach-Hause-Nehmen verkauft werden. Jeder einzelne(!) Keks in einer Keksschachtel, jeder Klecks Butter, jedes Portiönchen Marmelade am Frühstücksbuffet hat eine Hülle aus Plastik oder Zellophan, die nach dem Verzehr weggeschmissen wird. Wo alles landet, spiegelt das Meer, das dummerweise nichts behält, sondern, bewegt, wie es ist, alles wieder ausspuckt, zurückgibt, wahllos, wo es will. Notdürftig sauber gehalten sind die Hotelstrände, daneben und dahinter häufen sich Dreck und Abfall. Tüten, Flaschen, Verschlüsse, Plastiklöffel, Plastikgabeln, Strohhalme, nicht aus Stroh, Textilien, Büstenhalter, Badeschlappen, einmal ein kompletter Hocker. Alles in Farbe, an der nichts schön ist. Nicht nur auf den Inseln, sondern auch am Golf, an allen Stränden Thailands ist das so, das wird mir an diesem Nachmittag klar. Wer nur an seinem Hotelstrand sitzt, sieht nichts davon. Bei einem Gang am Morgen bin ich an der Ban Thang Sai Tourism Community vorbei gekommen, die mehrere ausrangierte Klos in den Sand gepflanzt hat. Was vielleicht als Gag gedacht war, kommt mir jetzt von Minute zu Minute sinnträchtiger vor: Thailands Strände – auf dem besten Weg, Kloake zu werden, sofern sie es nicht schon sind. Noch lässt sich die Katastrophe in Grenzen halten, aber wie lange? Man könnte – und müsste – jeden Tag säckeweise Strandmüll sammeln, um des Übels Herr zu werden.
    Ironie der Tragödie: Die schönsten Muscheln, auch seltene – ja, es gibt sie noch! - finden sich nicht im makellosen Sand, sondern mitten in diesen Schlacken aus mülldurchsetztem Gestrüpp und Algen, das die Flut dagelassen und die Ebbe aufgedeckt hat. Nachdem ich das erste Exemplar einer Meeresschnecke Voluta Melocorona eher zufällig aufgelesen habe, suche ich nun gezielt dort – und finde. Freude und Unbehagen halten sich die Waage, als ich mit meinem (Plastik-)Säckchen voller Fundstücke in der Lodge eintreffe. Muscheln und Schneckenhäuser nicht von dieser Welt sind dabei, von der Künstlerin Natur gerundet, gewunden, gedreht, ziselliert mit Ornamenten, verziert mit Farbmustern, wie sie kein menschlicher Schöpfer genialer und perfekter zuwege brächte. Besser geht’s nicht.

    Am Abend Restaurantbesuch im Ort – essen muss der Mensch auch. Ban Krut erinnert mich an manche der ürsprünglicheren Dörfer in Costa Rica; auch hier ist der Tourismus schon angekommen, aber noch übersichtlich. Man geht früh schlafen. Um kurz nach neun verstummt die Jukebox, und wir sind mit dem Wirt, der unter freiem Himmel abspült, allein im Lokal. Wieder haben wir Tom Kha und Stir fried sweet and sour bestellt – zum letzten Mal, aber das wissen wir an diesem Abend noch nicht. Was ich schon weiß, ist, dass Ban Krut, sollte ich wieder nach Thailand reisen, zu den Orten gehört, an die ich zurückkehren möchte. Zum Muscheln- und, wenn's sein muss, auch Müll sammeln.
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