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  • Day 65

    Zwei Welten

    April 4, 2020 in Argentina ⋅ ⛅ 19 °C

    Heute klingelte der Wecker um 6.15h - so früh war ich in ganz Argentinien noch nicht wach.. Einige der Servidoras waren extra mit uns aufgestanden, um noch gemeinsam zu frühstücken. Um 7.33h waren wir pünktlich mit drei Minuten Verspätung an der Tranquera, Suky und Miga begleiteten uns im Auto. Vorne vergingen 20min, in denen die Emotionen nur so kochten und wir Abschiedfotos anfertigten. Plötzlich fiel uns auf, dass wir die Lizenz für den Fahrer auf unserem Tisch vergessen hatten. Also fuhren Oscar und die zwei Servidoras nochmal zurück, wieder kamen sie noch mit María im Gepäck. Währenddessen fand uns auch schon mit einer halben Stunde ganz normaler Verspätung das Taxi: eine alte Knatterkiste, die für unser Gepäck doch sehr knapp bemessen war. Irgendwie schafften wir, alles zu verstauen, und wir drei nahmen auf der engen Rückbank Platz. In gut vier Stunden mit einigen kurzen Descansitos zischten wir also auf der fast leeren Autovía zum Flughafen, wo wir vor zwei Monate gelandet waren. Aber dieses Mal war er wie ausgestorben! Dänen, Franzosen und Deutsche waren die einzigen Personen, die man neben den Flughafenangestellten traf. Erstmal hängten wir Hängematte und Slackline an einem Sonnenschutz auf und ich suchte den ganzen Flughafen nach einer Matetasse mit Strohhalm ab - erfolglos. Um 15.30h sollten wir uns zur Gepäckabgabe anstellen. Dabei begegnete uns immer wieder die Unsicherheit, wie um Himmels Willen alle wartenden Personen in den Flieger passen sollen. Ich traf zwei Leute von der Reise und irgendwann war unser Gepäck soweit abgegeben. Mein Rucksack wog 16Kg, also nur einen mehr als beim Hinflug. Und mit theoretisch 7Kg Platz rür Matekräuter - aber die gab es hier leider auch nicht. Dann hieß es, die verbleibenden drei Stunden ohne geöffnete Duty-Free-Shops rumzubringen. Ab 19.30h war Boarding, wir bekamen keine drei Plätze nebeneinander, ich sitze sogar ganz hinten im riesigen Flieger, einem Doppeldecker. Aber das ist gar nicht schlimm, hier treffen sich nämlich fast ausschließlich junge Leute. Abends gönnte ich mir noch zwei Filme, anfangs eine Komödie um meinen Abschiedsschmerz (¡Que lástima!) zu vergessen.
    Und Que lástima muss ich noch schnell erklären... Als José eines Abends den Tisch abräumte und dabei eine kleine Schüssel mit einem Löffel Sahne entdeckte, fragte sie im ganzen Haus rum, ob denn wirklich niemand diesen einen Löffel Sahne noch aufessen wolle. Doch sie fand keinen, weswegen sie schweren Herzens den Löffel abspülte und dabei betonte: "Que lástima" - was für ein Schmerz.
    Nun zurück zum Abschiedsschmerz: Es war ein seltsames Gefühl, abzuheben. In den letzten 48h Stunden passierte so vieles so rasend schnell. Und jetzt werden wir "gerettet" von der deutschen Botschaft. Ich fühle mich so gar nicht als aus einer Notsutuation in der letzten Minuten herausgeholt. Nicht dass ich mich nicht auch auf Zuhause freue, aber mein Plan für die nächsten Monate wurde erst einmal zerstört. Trotz aller servidorischen Hysterie war die schiefe Weltlage in der Armonía nicht übermäßig präsent. Bei all der Selbstbestimmtheit und Apartheid, die wir dort genossen - und wobei uns so mancher Schwachsinn in den Kopf kam -, vergisst man, in was für seltsamen Zeiten wir uns befinden. Wenn wir eine wirkliche Wahl gehabt hätten, hier zu bleiben, hätten wir diese Möglichkeit alle genutzt! Aber es kann eben niemand wissen, wie sich die Situation entwickeln wird und deswegen ist es - zumindest rational - die richtige Entscheidung, heimzufliegen, solange die letzten Möglichkeiten dasu noch existieren. Auch wenn wir uns eigentlich dazu entschieden hatten, diesen ganzen deutschen Wahnsinn für eine ganze Weile hinter uns zu lassen. Emotional fühlt sich das Heimfliegen teilweise einfach falsch an. Doch auch so nehme ich ausreichend Eindrücke mit, von denen ich - einmal sicher gelandet - zu Hause erzählen kann ;).
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