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  • Nikolaus, Boris und Richard

    November 29, 2019 in Russia ⋅ ☁️ -5 °C

    Unser zweiter Stop ist auch schon unser erster in Asien, verrückt, oder? Kurz vor Jekaterinburg haben wir nämlich schon den Ural passiert. Davon haben wir allerdings nicht viel mitbekommen, weil es an der Stelle a) nicht wirklich Berge gibt und und es b) draußen schon dunkel war.

    Die letzten Tage in Jekaterinenburg waren bei uns vergleichsweise ruhig. Jetzt sitzen wir gerade in unserem Lieblingscafé/Buffet-Bistro (wir waren fast jeden Tag hier) und schlagen Zeit tot, bis wir heute Abend um 18 Uhr (bei euch ist es dann 14 Uhr) in den Zug nach Novosibirsk steigen. Aus unserem Hostel mussten wir nämlich schon raus. Daher habe ich (Judith) Zeit, ein kurzes Update für euch zu schreiben.

    Am ersten Tag (Dienstag) ist nicht viel passiert. Wir hatten keine Lust sofort wieder volles Sightseeing-Programm zu machen. Daher sind wir erst gegen Mittag los und haben einfach einen längeren Spaziergang durch die Innenstadt gemacht. Eigentlich hatten wir einen Audioguide auf unser Handy geladen, mit dem wir quasi eine Tour gemacht hätten, allerdings waren die ersten Stationen so uninteressant und schlecht erzählt, dass wir das schnell aufgegeben haben. So richtig viele wirkliche Sehenswürdigkeiten gibt es nämlich gar nicht. Und außerdem wurde zu langes Rumstehen und Handschuhe ausziehen, um das Handy zu bedienen, auch schnell zu kalt. In Russland benutzen Sie an den richtig kalten Tagen wohl manchmal die Nasenspitze, um das Handy zu entsperren 👃haha 🤣.
    Wir waren dann noch in einem Café Bagels und Kuchen essen und das wars eigentlich auch schon. Es wird ja hier auch gegen 16.30 immer schon dunkel (und damit auch noch kälter) und wir gehen dann meistens schon zurück ins Hostel, höchstens noch einkaufen und machen dann Abendbrot im Hostel oder gehen noch was essen. Dann verbringen wir den Abend damit, hier weitere Einträge zu schreiben, zu recherchieren, was wir am nächsten Tag machen oder Hostels für die nächsten Städte rauszusuchen oder andere Sachen für die Reise zu buchen.

    Am Mittwoch hatten wir uns überlegt, ein Stück raus aus der Stadt in einen der nächsten Orte (Pervoural'sk) zu fahren, um an die offizielle Grenze zwischen Europa und Asien zu kommen. Dort gibt es nämlich einen Obelisk um die Grenze zu markieren. Es war ein kleines Abenteuer, die richtige Busstation zu finden und wir wussten auch nicht so richtig, wie wir an das Ticket kommen, konnten es dann aber einfach beim Fahrer kaufen. Hier beschränkt sich das Kommunizieren auch noch mehr auf Hände und Füße, weil wirklich fast niemand Englisch versteht. Wir werden aber auch immer besser darin, zumindest ein paar Wörter auf Kyrillisch lesen zu können und "Hallo" und "Danke" und sowas auf Russisch zu sagen. Und es rettet uns auch immer wieder unsere SIM-Karte, weil wir so das meiste einfach googlen können, statt jemanden zu fragen. Ohne google maps wären wir auch schon das ein oder andere Mal aufgeschmissen gewesen 😅.
    Jedenfalls haben wir es in den richtigen Bus geschafft und mussten dann eigentlich nur noch an der richtigen Station raus. Das hat dann nicht ganz so gut funktioniert, weil wir nicht wussten, wie man den Bus zum Halten bekommt und sonst auch niemand aussteigen wollte 🤣.
    Aber gut, eine Station weiter hat der Bus gehalten und wir konnten raus. Zum Obelisken war es dann noch ein Fußweg von ca. 30 min. Gleich am Anfang gesellte sich noch ein junger Hund zu uns (wir vermuten, dass er ausgebüchst war, weil er ein Halsband trug). Leider ging der Weg an einer Schnellstraße lang, wo es keinen richtigen Fußweg gab. Und die Fellnase, die nicht mehr von unserer Seite weichen wollte, ist mehr als einmal auf die Straße gerannt und fast vor ein Auto gekommen, wodurch ich jedes Mal einen kleinen Nervenzusammenbruch hatte. Irgendwann konnte Jonas ihn oder sie dann endlich dazu bewegen, uns nicht mehr zu folgen. Das war echt kein schönes Erlebnis.
    Ein bisschen später waren wir dann angekommen. Der Obelisk ist wirklich einfach ein Obelisk und sonst nix, irgendwo im nirgendwo, aber wir fanden es trotzdem ganz cool, da gewesen zu sein. Wir konnten unser Mittagessen halb auf der europäischen und halb auf der asiatischen Seite verputzen (wir haben noch ein pseudolustiges Video von Jonas beim Teetrinken gemacht) und sind dann wieder zurück gefahren.
    Zurück in Jekaterinburg waren wir noch die "Kirche auf dem Blut" besichtigen. In Jekaterinburg wurde 1918 die letzte Zarenfamilie von den Bolschewiki ermordet. An dieser Stelle wurde 2002 dann die Kirche errichte. Ich fand das aus zwei Gründen spannend. Zum einen hat die Kirche einen besonderen Stil. Das ist schwer zu beschrieben aber man sieht, dass die Kirche nicht alt ist, aber sie ist auch nicht total modern oder futuristisch. Die Wände innen sind zwar komplett bemalt, aber nicht so überladen. Zum anderen habe ich noch nie in einer Kirche weltliche Motive auf Bildern gesehen. An einer Wand ist ein riesiger Stammbaum der Zarenfamilie, auf anderen sieht man andere Momente aus der Geschichte der Familie. Auf einem Bild waren Soldaten abgebildet. Ich hab grad bei Wikipedia gelesen, dass die Familie wohl später heilig gesprochen wurde (warum auch immer, so coole Sachen haben die ja jetzt auch nicht gemacht) und die Kirche ist wohl zu einer Art Wallfahrtsort für russische Monarchieanhänger geworden.

    Das wars erstmal von mir 🙋🏼, über gestern berichtet euch Jonas jetzt noch 😉:

    Eine der großen neuen Attraktionen in der Stadt, das Boris Jelzin Zentrum, hatten wir uns für den letzten richtigen Tag aufgespart. Es handelt sich um ein sehr modernes Gebäude mit allerhand Geschäften, Büro- und Ausstellungsräumen und eben dem Boris Jelzin Museum. Ich hatte bereits sehr viel Gutes über das Museumskonzept gehört und freute mich darauf, zu sehen, wie die jüngste russische Geschichte aufbereitet sein würde. Boris Jelzin war, für alle nicht so Geschichtsinteressierten, der erste demokratisch gewählte russische Präsident und bereits während seiner Zeit in den Führungsebenen der KPdSU (Kommunistische Partei der Sowjetunion) war er als Reformer aufgefallen und wurde 1987/88 von seinen wichtigen Parteiämtern entbunden. Ende der 80er wurde Jelzin von vielen Menschen in Russland als Hoffnungsfigur gesehen und gewann die ersten freien russischen Präsidentschaftswahlen 1991 klar. Die Zeit danach war von krassen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbrüchen geprägt, die in versuchten Putschen von Kommunisten und Faschisten mündeten, welche aber scheiterten.
    Um es kurz zu fassen: ohne den Audioguide hätten wir gar nichts von all dem verstanden, mit ihm waren viele Teile aber auch recht unzusammenhängend. Wichtige Ausstellungsstücke, wie ein sehr bekannter Brief Jelzins an Gorbaschtow waren nicht übersetzt, genauso wenig wie eine wichtige Rede vor dem Parteitag der KPdSU. Auch waren leider einige Sprünge drin, so wurde direkt von Unruhen und bürgerkriegsähnlichen Zuständen 1993 zu der Wahl 1996 gewechselt, das fanden wir wirklich schade, da wir uns beide viel Informatives erhofft hatten. Trotzdem war das Museum wirklich sehenswert. Die Geschichte wurde auf verschiedene Art und Weise dargestellt. Was mir besonders gefiel, war die Nutzung des Raums als weiteres Darstellungsmittel. Von einem Labyrinth, in dem die Vorgeschichte bis 1990 dargestellt wurde, und einem alten Moskauer Bus, in dem die Kindheit Jelzins bis zu seiner Ernennung zum Vorsitzenden der Moskauer KP dargestellt wurde, bis hin zu einem Nachbau seiner Wohnung und seines Büros im Kreml samt originaler Einrichtung. Hinzu kamen toll gestaltete Räume mit riesigen Karten oder nachgebauten Straßensperren. Ihr merkt schon, ich war von der Vielfalt der Darstellung begeistert. Diese Einbindung des Raum hatte ich bisher nur im jüdischen Museum in Warschau gesehen. Im Gegensatz zu deutschen historischen Museen war es ein wirkliches Highlight und sicher noch spannender, wenn man Russisch kann. Es wurden verschiedene Sichtweisen auf die Ereignisse dargestellt, trotzdem war es teilweise auch ein ganz schönes Jelzin-Abgefeiere. Geschichte ist eben auch sehr subjektiv und besonders die Darstellung jüngerer Geschichte oft sehr schwierig in Gänze zu schaffen. Trotzdem ist das Museum auf jeden Fall einen Besuch wert.

    Was auch einen Besuch wert war, war die Oper von Jekaterinburg. Da uns die Tickets fürs Bolschoi-Theater in Moskau zu teuer gewesen waren (ab 35€), hatten wir nach Tickets in der Oper von Jekaterinburg geschaut und waren für schlappe 300 Rubel pro Person (4€) fündig geworden. Und was gucken sich zwei Reisende aus Deutschland in Russland an? Natürlich eine Oper von Wagner (in der Hoffnung, dass wir auch was verstehen😄) Der fliegende Holländer ist wahrscheinlich einigen ein Begriff, ich werde hier jetzt nicht die Oper nacherzählen, aber soviel, es geht um einen verfluchten Seefahrer, der nur alle 7 Jahre einen Tag an Land gehen darf (ja genauso wie bei Fluch der Karibik) um eine Frau für sich zu finden und so von seinem Fluch erlöst zu werden. Die Oper war, wie es Opern so ansich haben, textlich nicht zu verstehen (unser Plan ging also leider nicht auf, die Aussprache der russischen Sänger*innen war dann doch zu ungewöhnlich und es ist ja sowieso meist schon schwierig, in Opern den Text zu verstehen) weswegen wir die Handlung des ersten Teils in der Pause nachlesen mussten. Uns beeindruckte vor allem das Bühnenbild und das Opernhaus selbst, die Oper hat, zumindest mich, nicht so mitgerissen. Außerdem lustig, die Balkone waren so vollgepackt mit Holzstühlen, dass sich dort Sitzende quasi nicht bewegen konnten und erst recht nicht flüchten. Zu unserem Glück lotste uns die Platzanweiserin von diesen Plätzen zu nicht genutzten Polsterstühlen in der Mitte (indem sie sehr oft und zunehmend lauter auf Russisch auf uns einredete, bis wir irgendwann verstanden, was sie meinte 😅🙈). So konnten wir die ganze Bühne dann auf brandschutzgerechte Weise sehen. Alles in allem ein schöner Abend.

    Und das war es auch schon wieder aus Jekaterinburg. Heute geht es dann weiter nach Novosibirsk und dann ins ultrakalte Ulan Ude am Baikalsee.
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