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  • Eine neue Liebe

    November 26, 2019 in Russia ⋅ ⛅ -7 °C

    Wir haben die zweite Nachtreise im Zug hinter uns und wollen euch auch daran teilhaben lassen, wir fanden es nämlich super!
    Nach eineinhalb Stunden Warten in der Bahnhofshalle neben einem Mann, dessen Handy alle zwei Minuten klingelte (immer mit dem gleichen russischen Popsong oder einem dramatischen klassischen Orchesterstück als Klingelton) zu dem er selig weiterschlief, stiegen wir um 13:00 Uhr endlich in unseren zweiten Zug.
    Wir wussten nicht wirklich, was uns in der dritten Klasse, dem Großraumschlafwagen, erwarteten würde, wir hatten solche und solche Geschichten gehört. Schlussendlich waren wir angenehm überrascht und haben uns ein klein wenig verliebt in diese Art des Reisens.
    Der Waggon besteht aus offenen 6er-"Abteilen" mit zwei gegenüberliegenden Doppelstockbetten, in denen man quer zur Fahrtrichtung schläft, und einem Doppelstockbett welches auf der anderen Seite des Gangs längs zur Fahrtrichtung gedreht wird. Dazwischen sind Trennwände, aber zum Gang hin ist alles offen. In unserem Vierer-Abschnitt hatte man etwas Ruhe und wurde nicht so stark von vorbeilaufenden Menschen gestört. Wir hatten unsere eigene Bank zu zweit und genug Stauraum für unsere Sachen (über dem oberen Bett ist enorm viel Platz für alles große Gepäck und wenn das nicht reicht, kann man auch die untere Bank hochklappen um darunter Zeug zu verstauen). Wir bekamen frisches Bettzeug von der Provodnitsa (der Zugbegleiterin) ausgehändigt, für unser Kissen und die ausrollbare Unterlage, die man auf die Matratze drauflegen konnte. Sogar ein kleines Handtuch bekamen alle Reisenden.
    Viele Passagiere machten das Bett sofort nach der Abfahrt zurecht und einige schliefen auch 20 Minuten später schon selig. Wir ließen uns damit Zeit, genossen unser vorbereitetes Mittagessen und die Aussicht. Die Zeit vertrieben wir uns mit Rausgucken, Quatschen und Serie schauen (danke für die Downloadfunktion @Netflix). Die Landschaft draußen sah eigentlich aus, wie Brandenburg im Winter, nur, dass Judith mit ihrer russischen SIM-Karte trotzdem noch fast durchgehend 4G auf dem Handy hatte. 👌😄
    Abends gab es dann eine deftige Brotzeit. Mit seiner zirkusreifen Akrobatikleistung schaffte es Jonas aufs obere Bett, schlief bereits um 10 beim Hörbuch-hören ein und verbrachte die Nacht sehr ruhig und gemütlich dank Ohropax und Schlafmaske. Judith tat sich etwas schwerer, da das Licht erst nach 12 gelöscht wurde und unser Sitznachbar noch recht laut Musik hörte. Die Betten waren wirklich gemütlich und das Schaukeln des Zuges war mittlerweile vertrauter geworden. Leider waren die Betten für uns "Riesen" nicht ausgelegt und unsere Füße ragten in den Gang. Natürlich lief fast jede Person, die zum Klo wollte, gegen Judiths Füße, was die Nachruhe etwas störte. Jonas Stinkefüße auf Kopfhöhe waren da schon etwas abschreckender. Dafür konnte Judith aber morgens lange schlafen, sodass wir beide auf unsere 7 bis 8 Stunden Schlaf kamen und erholt in den Tag starteten. Wir konnten gemütlich unseren Instant-Kaffee im Bett trinken und dabei die vorbeiziehende Landschaft beobachten, die mittlerweile schneebedeckt war. So hatten wir uns das vorgestellt! 😍
    Den Rest des Tages verbrachten wir wiederum mit essen, Leute beobachten und Serie-schauen (wir gucken übrigens grad Atypical und finden es echt gut). In Kasan stieg ein Mann zu, auf dessen Platz jemand schlief und der sich deswegen zu uns setzte. Wir redeten danach recht lange mit ihm und unserem anderen Sitznachbarn, die beide netterweise ihr gebrochenes Englisch für uns rauskramten, worüber wir uns super gefreut haben. Es gab russische Süßigkeiten und nette Gespräche über dies und das, von russischer Sprache und Reisetipps bis zu Star Wars und Videospielen war alles dabei. Die beiden fanden es anscheinend auch wirklich spannend, Fremde im Zug zu treffen (wir waren die einzigen) und waren sehr interessiert an uns. Und sie konnten auch nicht verstecken, dass sie uns wohl auf eine lustige Art für ein bisschen verrückt hielten, dass wir ohne Russisch-Kenntnisse und zu dieser Jahreszeit die transsibirische Bahnroute fahren. 😅 Aber was sollen wir sagen, bisher hat alles immer bestens geklappt!
    Alles in allem war das für uns irgendwie der echte Startschuss zu unserer Bahnreise. Uns hat es super gefallen in diesem großen Waggon zu fahren und wir blicken etwas wehmütig darauf, dass wir nur noch zweimal diese Erfahrung in Russland haben werden. Der Zug in die Mongolei und von da aus nach China hat nämlich keine dritte Klasse (weswegen diese Abschnitte auch deutlich teurer waren).

    Leider gibt es von diesem Abschnitt unserer Reise keine Fotos da wir die Persönlichkeitsrechte der Mitfahrenden nicht ungefragt missachten wollten und uns vor allem etwas doof vorkamen, Fotos zu schießen. Für die Reise nach Novosibirsk haben wir uns aber vorgenommen wenigstens mal ein nettes Foto von uns beiden machen zu lassen.

    Die nächsten Tage verbringen wir noch im verschneiten Jekaterinenburg, was sich bisher als etwas unaufregend herausstellt. Am Freitag geht es dann weiter nach Novosibirsk, in die Hauptstadt Sibiriens. ❄️❄️❄️
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