• Die große Lüge mit der Temperatur

    December 5, 2019 in Russia ⋅ ⛅ -22 °C

    Ja, um dem reißerischen Titel direkt seinen Schrecken zu nehme, Novosibirsk war eindeutig nicht das kältetechnische Highlight. Obwohl Ulan Ude nur ein paar Grad kälter ist, merken wir doch schon deutlich die Unterschiede, beispielsweise an einfrierenden Haaren und Eiszapfen am Bart und Wimpern.
    Aber von vorne. Die Zugfahrt von Novosibirsk nach Ulan Ude war zwar lang, aber etwas unspektakulär. Wir sind mittlerweile ein eingespieltes Team was die Essenzubereitung oder das Bettmachen angeht und wir haben unsere Beschäftigungen, denen wir so auf den Fahrten nachgehen (Lonely Planet oder andere Bücher lesen, Netflixen, zocken und Nachrichten an Freund*innen schreiben). Dadurch kam uns die Fahrt auch nicht wirklich lang vor. Das Highlight war natürlich die Fahrt um einen Teil des Baikalsees am Morgen des zweiten Tages. Den hat Jonas aus einem kleinen Schlitz am Fenster beobachtet (weil das Rollo noch unten war) und Judith hat den ganzen See verschlafen. Der See sieht dabei eher aus wie ein Meer und war richtig schön. Es ist aber wie bei vielen Dingen, die wir hier in Russland gesehen haben: im Sommer wäre es sicher schöner und auch hier könnte man so viele tolle Dinge im Sommer machen (wandern, schwimmen, Outdoormuseen oder den wunderschönen See besuchen). Danach ging es durch bergige Landschaften und ins Tal des Selenga-Flusses (dem größten Zufluss des Baikalsees) bis nach Ulan Ude. Endlich hat sich die Landschaft also deutlich verändert und erinnert an das winterliche Voralpenland.
    Unser Hostel liegt praktischerweise direkt am Bahnhof, man muss nur über eine relativ hohe Brücke überwinden (kaum schaffbar mit Jonas' Höhenangst), welche in Deutschland schon längst wegen Einsturzgefahr gesperrt worden wäre. Große Löcher klaffen im Boden, einige davon rudimentär mit Metallplatten repariert und einige Steine passen nicht mehr ganz aufeinander. Außerdem ist hier alles vereist und dadurch muss man bei der Brücke auch noch extrem aufpassen nicht auszurutschen. Jonas ist jedenfalls froh, nur noch einmal über diese Brücke zu müssen.

    Den Ankunftstag verbrachten wir nur mit Einkaufen, kochen und uns von den zwei Tagen Zugreise erholen. Wir blieben lange auf, um noch mit Judiths Eltern unser Treffen in Vietnam zu planen (mittlerweile sind es schon 7 Stunden Zeitunterschied) und schliefen heute aus. Danach ging es bei -22 Grad auf zur Schneewanderung. Ja wir waren so verrückt und nahmen zur Pagode auf einem nahegelegenen Berg nicht den Bus, sondern liefen bei der Eiseskälte 3,5 km hin und zurück. Vor allem der Hinweg war aber recht unproblematisch (kein Wind, Sonnenschein und die Anstrengung vom Berghochlaufen halfen). Oben angekommen hatten wir einen wunderschönen Ausblick auf ... ja auf Dunst, denn die Stadt lag unter einem Schleier aus Nebel begraben (wir merken hier in Ulan Ude auch das erste Mal wie, schlecht die Luftqualität in der Stadt ist). Immerhin hatten wir aber in das bergige Umland einen tollen Blick. Es war eine super gute Abwechslung zum Stadttourismus der letzten Wochen. Neben den traditionellen Holzhäusern, die den Berghang säumen, ist das Highlight die Pagode und ihr Außengelände. Dies gab uns einen guten Vorgeschmack, was uns die nächsten Monate erwarten wird und läutete unseren nächsten Teil der Reise ein. Eine große goldene Buddhastatue, Gebetsmühlen und eine wirklich schöne Pagode (zumindest von innen) bezahlten uns für unsere kleine Winterwanderung. Nach einer Stärkung in einem Café (wir wurden von drei Kellner*innen bedient, einer wartete dauerhaft an unserem Tisch falls wir etwas bräuchten, wir fühlten uns etwas beobachtet 😅) ging es bergab. Das war deutlich kühler (weil keine Sonne mehr, Wind und wenig Anstrengung). Durchgefroren mussten wir uns erstmal im Hostel auftauen. Dann ging es nochmal in die Innenstadt Ulan Udes. Eine nette Stadt. Nicht nur die Vorbereitung zu einer Eisskulpturenausstellung konnten wir bewundern, sondern auch die schönen Gebäude in der Innenstadt. Außerdem wurde hier die Idee, einen großen Kopf mitten in die Innenstadt zu stellen, aus Chemnitz kopiert (ja, wir sind uns da sicher, dass Chemnitz auf jeden Fall die erste Stadt damit gewesen sein muss 🤓). Statt einem übergroßen Karl-Marx-Kopf gibt es hier - na wen wohl? Natürlich Lenin - in Nischelgröße. Insgesamt empfanden wir Ulan Ude als wirklich etwas anders, als die vorherigen Städte. Die Gesichter zeigen einen eindeutig asiatischeren Einschlag und man merkt der Stadt an, dass sie deutlich kleiner und relaxter ist, als die drei Großstädte Moskau, Jekaterinburg und Novosibirsk.

    Nach kurzer Stadttour und Food-Shopping liegen wir nun im Bett und freuen uns auf Ulan Bator und Beijing. Den Abend haben wir schon mit Reise-Videos über China gucken verbracht 😄
    Nachdem wir nun tausende Kilometer östlich gereist sind, verlassen wir morgen die Transsibirische Route und fahren erstmals südlich - auf der Transmongolischen Route nach Ulan Bator 🚞 🎉🎉🎉.

    P.s. Da die App gerade spinnt gibt es noch ein paar Fotos mehr in einem zweiten Post.
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