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  • Zu Fuß von China nach Vietnam

    January 1, 2020 in Vietnam ⋅ ⛅ 13 °C

    Nun haben wir es also geschafft. Wir sind an unserem ersten Etappenziel angekommen - wir sind endlich in Vietnam. Zufrieden mit uns und der Welt sitzen wir in Sa Pa, einem kleinen Örtchen in den Bergen, ganz in Norden von Vietnam und planen unsere nächsten Tage. Hier gibt es einige Berge und kleine Dörfer zu erwandern und endlich haben wir einen Kontrast zum Großstadttourismus. In einem kleinen Homestay (Wohnen bei einer einheimischen Familie) berichten wir euch nun von unserer Grenzüberquerung von 🇨🇳 nach 🇻🇳.

    Die Geschichte beginnt mit sehr viel Recherche, so wie viele Dinge auf unserer Reise. Wenn man nämlich nach dem vietnamesischen Visum sucht, findet man zu 90 Prozent Informationen über die Einreise via Flugzeug, zu 7 Prozent Infos über die 15-tägige visafreie Einreise und zu 2,9 Prozent etwas darüber, wie man ein Visum in Deutschland beantragt. Kaum eine Seite berichtet, wie man ein Visum in China für den Landweg bekommt, geschweige denn, wie wir am günstigsten in Kunming eins kriegen. Der lonely planet hatte sich auch nicht als hilfreich erwiesen. Deswegen mussten wir etwas improvisieren und uns auf ein paar wenige Informationen verlassen. Unser Plan sah vor, erstmal ein paar Reiseagenturen auszuchecken, bevor wir zum Konsulat fahren, denn Jonas hatte bei seine Einreise aus Kambodscha nach Vietnam vor 4 Jahren über eine Agentur weniger bezahlt, als er bei der Botschaft bezahlt hätte.
    Und so machten wir uns auf die Suche nach einer Reiseagentur in der Nähe unseres Apartments und wurde um die Ecke fündig. Ein kleiner unscheinbarer Laden, der aber immerhin Kunming International Travel Agency hieß, war unser erster Anlaufpunkt. Trotz des englischen Namens sprach niemand Englisch, was natürlich ein super Start war. Eigentlich wollten wir erstmal nur den Preis pro Person wissen, doch nach unserer Einstiegsfrage (per Google Übersetzter), begann die wirklich nette Mitarbeiterin bereits wie wild in ihr Handy zu tippen und zu telefonieren. Wir wurden gebeten Platz zu nehmen und schauten ihr eine ganze Weile beim telefonieren und WeChatten zu. Unklare Frage lösten wir über Übersetzerapps, was manchmal zu sehr witzigen Übersetzungen führte. Dadurch verzögerte sich das Ganze aber auch enorm. Der Ablauf: telefonieren, tippen, Dinge von ihr übersetzen, wir beraten, Jonas übersetzt unsere Antwort, sie lächelt nickt und telefoniert wieder und schreibt anscheinend mit jemandem aus dem Konsulat bei WeChat. Insgesamt dauerte das dann schon über eine Stunde. Ab einem gewissen Zeitpunkt wollten und konnten wir dann auch nicht mehr gehen, hatten dann aber wirklich Glück. Ihr erstes Angebot von 380 Yuan (knapp 50€) senkte sie auf 350 Yuan p.p. ab, was genauso teuer war, wie im Konsulat. Für uns hieß das weniger Aufwand zum gleichen Preis, also sagten wir zu. Zwischendurch mussten noch Fotos von uns gemacht werden, da unsere biometrische Fotos ja nur in gedruckter und nicht in digitaler Form vorlagen 📷. Deswegen mussten wir uns an ein kleines Stück weiße Außenwand hocken und Fotos für das Visum mit einer Handykamera schießen lassen. Das ganze war wirklich skurril, aber sie schien wirklich mit dem Konsulat direkt zu telefonieren und abzuklären, ob die Fotos ok wären. Jonas musste nämlich noch ein zweites Mal zum Fototermin und konnte vor lauter Absurdität nicht anders, als lange und laut zu lachen. Da hocken wir mitten in China vor einer weißen Wand an einer Straße mit tausenden kleinen Lädchen und Ständen und lassen "biometrische" Fotos von uns machen. 😄
    Als wir ihr unsere Pässe geben wollten, passierte das nächste Unvorhergesehene: Sie meinte, es ginge ohne auf dem Konsulat. Etwas, wovon wir noch nie gehört hatten - ein Visum bekommen ohne den Pass abzugeben? Ja, es sei ein E-Visum, wir sollten einfach am 31.12. zurückkommen und sie würde uns ein Papier geben. Vorher müssten wir aber noch 500 Yuan anzahlen.
    Da wir uns eigentlich erst informieren wollten, hatten wir noch nicht so viel Bargeld dabei. Es folgte eine weitere Odyssee von Übersetzungen, bei der wir ihr erklären wollten, dass wir schnell Geld holen gehen würden, sie aber mit uns fahren wollte. Wir lehnten dies erst dankend ab, da wir ihr keine Umstände machen wollten. Wie es schien, wollte sie aber gerne Feierabend machen und fuhr deswegen mit dem Roller hinter uns her. Es war ein weiterer Teil dieser absurden Visumsbeantragung, dass wir ihr dann noch 10 Min hinterherliefen, nachdem sie uns überholt hatte. Sie wartete an jeder Ecke auf uns und fuhr dann ganz langsam bis zur nächsten und zur nächsten und zur nächsten Ecke, bis endlich der Bankautomat zu sehen war.
    Ein bisschen Bedenken hatten wir schon, ob das alles so seriös war. Aber es gab kein Zurück mehr und so drückten wir uns beiden einfach mal die Daumen.
    Von Judith's Eltern kam dann am gleichen Tag auch noch eine Hiobsbotschaft. Die sind nämlich auch gerade in Südostasien unterwegs und hatten ein E-Visum für Kambodscha gebucht, was sich aber als Betrug herausgestellt hatte. So hatten wir dann auch Angst, ob wir nicht einem Betrug aufgesessen wären und 90 € in den Sand gesetzt hätten.
    Nachdem wir am 31. dann einen offiziell aussehenden Wisch vom Konsulat ausgehändigt bekommen hatten, machten wir uns heute (1.1.) auf den Weg nach Hekou. Dort aus dem Zug gestiegen, war es gleich viel wärmer und die Luft drückend von der hohen Luftfeuchtigkeit. Die Stadt liegt an einem Fluss, der sie in eine chinesische und eine vietnamesische Seite teilt - Hekou 🇨🇳 und Lao Cai 🇻🇳. Dazwischen gibt es eine große Brücke, die neutrales Gebiet ist. Mit dem Bus fuhren wir vom Bahnhof bis an die Grenze. Jonas hatte vorher in einem Blog ein Foto von dem Grenzgebäude gefunden, was sich als sehr hilfreich herausstellte. Dort sieht nämlich nix nach offizieller Grenze aus. Man fährt einfach einen Aufgang mit einer Rolltreppe hoch, über dem schlicht "Exit" auf einem großen Schild steht 😂 - wir fanden das ziemlich lustig. Diese führte uns zur Ausreisekontrolle, die fast ohne Probleme (wir hatten vergessen die Ausreisekarte auszufüllen) vonstatten ging. Danach war es soweit - unsere erste Grenzüberqueerung zu Fuß über die Brücke über den Roten Fluss. Kleiner Apoiler, es fühlt sich einfach so an, als ob man eine Brücke überquert 😱. Auf der anderen Seite angekommen erhöhte sich der Puls. Waren wir einem Betrug aufgesessen? Könnten wir nur die 15 visafreien Tage in 🇻🇳 bleiben? Würden wir uns auf Ewigkeiten für unsere Dummheit verfluchen, nicht zum Konsulat gegangen zu sein?

    Nein.

    Es geschah nichts. Der Mann an der Passkontrolle schaute etwas länger auf seinen PC, lächelte dann Jonas an: "Ah your second time in Vietnam", stempelte das Papier, was wir von der Agentur bekommen hatten und ließ uns durch. Das war es. Ein weiteres Mal zeigte sich also, dass wir uns zu viel Stress mit den Grenzkontrollen machen. Als Europäer*in kommt man halt fast überall rein...

    Nach einer wackeligen 1,5h-Busfahrt von Lao Cai nach Sa Pa, mit grandioser Aussicht auf Berge und Täler mit Reisterrassen und einem lustigen Stau auf einer engen Straße (zwei LKWs hatten sich ineinander verkantet, passiert hier auf den engen Serpentinen wohl dauernd) sind wir in einem kleinen Häuschen mitten in den Reisfeldern angekommen und glücklich endlich in Vietnam zu sein.
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