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  • Endlich raus

    January 6, 2020 in Vietnam ⋅ ⛅ 23 °C

    Wie der Titel verrät, haben wir die Tage in Sa Pa wirklich gebraucht. Schon während der Fahrt von der chinesisch-vietnamesischen Grenze nach Sa Pa, kamen wir in den Genuss des tollen Bergpanoramas der nordvietnamesischen Berge. Von Sa Pa ging es mit dem Taxi in ein kleines Tal, in dem unser Homestay lag. Wir hatten uns gegen ein Hostel in der Stadt und für eine Unterkunft weiter draußen entschieden. Erst waren wir uns noch unsicher gewesen, weil wir immer einen Berg bis zu Stadt hochlaufen mussten (ca. 1,5 km steil bergauf), aber im Nachhinein war es die beste Entscheidung, die wir hätten treffen können. Sa Pa ist keine schöne Stadt, die Schönheit kommt durch die Umgebung (wunderschöne Berge, Reisfelder, kleine Wasserfällle etc.). Die Stadt ist extrem touristisch, gefühlt besteht die ganze Stadt nur wegen des Tourismus. Für uns war alleine die Menge an westlichen Touris schon etwas schwierig. Die Westler*innen, die wir auf dem bisherigen Teil unserer Reise trafen, können wir an einer Hand abzählen. Wir haben uns in Sa Pa häufig als wandelnder Geldbeutel gefühlt, als Personen, für die ein „traditionelles“ Leben inszeniert wurde und für die die Einheimischen ihre eigentliche Lebensweise aufgegeben hatten. Kleinkinder in traditionellen Kostümen versuchten ständig uns Dinge zu verkaufen, während sie ihre noch kleineren Geschwister auf dem Rücken trugen, von allen Seiten wurde man ständig angesprochen , ob man nicht etwas kaufen, eine Massage wolle oder ob wir nicht lieber mit dem Motobike fahren würden. Dabei waren wir doch zum Wandern gekommen, nicht zum Shoppen oder Moto fahren.

    Und das machten wir dann auch am ersten vollen Tag (2.1.). Die Vorbereitung für unsere Wandertour war erst mal etwas schwierig, da es kaum Informationen über selbstorganisierte Touren gibt. Auch der Lonely Planet empfahl, sich einen Guide zu nehmen. Da wir aber nicht 30-40€ pro Person für eine Tagestour ausgeben wollten, recherchierten wir fleißig und wurden fündig. Auf einem Blog hatte ein Mann zwei Touren hochgeladen, die genau das versprachen, was wir machen wollten: ein bisschen durch die Berge und Reisfelder streifen ohne ständig angequatscht zu werden. Also bogen wir nach einiger Zeit von dem normalen Weg Richtung Sa Pa ab und folgten einem ausgetretenen kleinen Pfad, der sich an den Bergen entlangschlängelte. Schon nach wenigen Minuten hatten wir einen tollen Blick auf die Reisfelder und die gegenüberliegenden Berge. Das schöne, sonnige Wetter trug ebenfalls zu einem unglaublichen Naturschauspiel bei. Normalerweise ist es in und um Sa Pa sehr sehr diesig. Innerhalb von Minuten zog manchmal das ganze Tal zu und alles wurde in dichte Nebelschwaden eingehüllt. Zum Teil konnte man dann keine 20m mehr weit gucken (kein Witz) und die Luftfeuchtigkeit war so hoch, dass es schwer zu sagen war, ob das noch Nebel oder schon Nieselregen war. Doch an diesem Tag präsentierte sich Sa Pa von seiner schönsten Seite. Für uns beide war es auf jeden Fall der Höhepunkt unserer bisherigen Reise. Vollkommen alleine und weit ab vom Touri-Trubel streiften wir durch die Bambushaine, trafen ein paar Wasserbüffel und überquerten einen Fluss über ein „Brücke“ aus ein paar Bambusrohren. Nach einiger Zeit senkte sich der Weg zum unteren Teil des Tals und dann in Richtung des Cat Cat Dorfs. In den Nordvietnamesischen Bergen gibt es noch viele kleine Bergvölker. Rund um Sa Pa gibt es einige Dörfer, die von diesen Minderheiten bewohnt werden, so auch das Cat Cat Dorf. Einige dieser Dörfer sind einfach nur normale Dörfer, andere sind extrem touristisch aufbereitet. Wir erwischten letzteres. Für 70.000 Dong (~3€) Eintritt erhielten wir Einblick in ein „traditionelles Dorf“. Na ja oder was halt davon übrig geblieben ist. Es reihte sich ein Geschäft an das andere. Überall wurden traditionelle Stoffe verkauft oder wie in China Kostüme zum Fotografieren verliehen (in welchen sogar überraschend viele Leute herumliefen, die eindeutig nicht einheimisch aussahen). Das Dorf selbst ist in einem winzigen Tal gelegen, ein Wasserfall rauscht herunter und der Fluss schlängelt sich gemächlich zwischen den Holzhütten entlang. Der Rest ist komplett absurd - jede Sitzgelegenheit ist irgendwie fancy aufbereitet um dort das perfekte Foto zu schießen. Jede Stunde tanzen junge Einheimische der H‘Mong Minderheit für die Touris und alles wirkt eher wie eine Freizeitpark, nicht wie ein traditionelles Dorf. Wir waren etwas erschlagen von all diesem Eindrücken. Trotzdem hatte das Dorf auch Charm und war wunderschön anzugucken, genießen konnte man es aber erst, wenn man all die äußeren Umstände ausblendete. Nachdem wir etwas durch das Dorf gestreift waren und uns häufig verstohlen angegrinst hatten, weil sich wieder irgendein Touri zum Eumel gemacht hatte, ging es entlang eines kleinen Flusses in einen nahegelegen Wald. Bereits nach wenigen Schritten war es wunderbar ruhig und wir hatten den Wald wieder für uns alleine. Auf dem ganzen Weg begegneten uns nur vier Leute. Wir streiften auf einem kleinen Weg entlang des Flusses und dann einen kleinen Hügel hinaus. Auf der entgegengesetzten Seite eines kleinen Hügels kehrten wir dann wieder zurück ins Dorf. Von dort aus ging es ziemlich geschafft nach Hause und bereits um 21 Uhr fielen Jonas die Augen zu (Judith ließ sich noch ne Stunde länger Zeit).

    Auch der nächste Tag (3.1.) versprach gutes Wetter und so nutzten wir dies für eine 22 km Hardcore-Wandertour auf die andere Seite von Sa Pa. Auch dies wieder ohne Guide und nur mit einer App (Komoot) bewaffnet. Es lief alles super, der Weg war einfach zu finden und wieder waren wir die einzigen Westler*innen. Diesmal gab es weniger Panorama zu sehen, dafür ging es aber durch mehrere wirklich authentische Dörfer. Häufig war das auch sehr bedrückend, weil wir die Armut der Menschen ziemlich direkt um die Ohren gehauen bekamen. In einem Dorf hatten fast alle Frauen blaue Hände vom Färben der traditionellen dunkelblauen Stoffe mit Indigopflanzen. Diese hatten wir am vorherigen Tag schon in den Tourishops gesehen. Es herrschten sehr sehr einfache Bedingungen, hier schien sehr wenig von dem vielen Geld anzukommen, was die Touris nach Sa Pa bringen. Wir können uns gut vorstellen, dass es dort auch kein fließend Wasser oder Strom gibt. Es war natürlich interessant, aber wir fühlten uns auch schuldig und sehr komisch als reiche weiße Westler*innen quasi Armutstourismus zu betreiben (wenn man es hart ausdrücken will). Die Menschen in dem Dorf beachteten uns nicht groß, halfen uns dann aber freundlicherweise den Weg zu finden. Dieser endete jedoch mitten in einem Reisfeld an einem Zaun. Anscheinend hatte der dortige Bauer sein Land etwas vergrößert, denn auf unserer Karte sollte der Wanderweg auch dort weitergehen. So liefen wir das erste Mal an diesem Tag über winzige Pfade queer durch die Felder und durch einen seichten Bach. Unser Ziel das Mat Cha Dorf erreichten wir nach Zahlung des Eintrittsgeldes (40.000 Dong ~1,5€). Anders als im Cat Cat Dorf gab es hier aber eigentlich nichts touristisch Interessantes. Es war halt ein Dorf. Die Menschen gingen ihrem Tagewerk nach, knatterten mit Motos an uns vorbei und Kinder spielten auf der Straße. Eigentlich genau das was wir sehen wollten. Wir entdeckten riesige Felder einer nicht zu identifizierenden Heilpflanze (Schild mit „medizinischer Pflanzenanbau“ stand daneben). Später stellte sich beim Gespräch mit unserem Host heraus, dass all die vielen gleichen Felder Artischokenfelder waren und die Blätter für einen Tee und Medizin genutzt werden. Diese helfen bei Magenbeschwerden und unterstützen die Verdauung.
    Nach einem kurzen Kaffestopp ging es über eine andere Route zurück. Diese führte uns bis zur Schnellstraße (zweispurig) Richtung Sa Pa. In der Hoffnung diese zu umgehen, liefen wir auf Verdacht in ein paar Felder hinein und fragten uns bei den Bäuer*innen durch. Sie halfen uns auch etwas, schlussendlich liefen wir aber nur ein kurzes Stück im Tal zwischen den Feldern weiter und begaben uns dann wieder hoch zur Straße. Es war schon relativ spät geworden und wir wollten nicht im Dunkeln zwischen den Feldern herumirren. Deswegen liefen wir noch knapp 5 km an einer vielbefahrenen Serpentinenstraße entlang (wir waren fast die einzigen Fußgänger*innen) und kamen sehr erschöpft in Sa Pa an.
    Anstatt früh schlafen zu gehen gerieten wir aber noch in ein sehr langes und angeregtes Gespräch mit unserem Host Dinh, der in Hanoi studiert hatte und nun in dem Homestay arbeitete um sich Geld zum Reisen zu verdienen. Nachdem er etwas aufgetaut war, wurde das Gespräch noch wirklich interessant und wir quatschten über dies und das. Als dann später das andere Pärchen im Homestay nach Hause kam und sich auch noch dazugesellte wurde es dann noch ein wirklich schöner und langer Abend. Das japanisch-chinesische Pärchen reist ebenfalls durch Südostasien, und betreibt dabei einen kleinen Visarun zwischen China, Laos und Vietnam (da sie immer 15 Tage visafrei nach Laos und Vietnam kommen und das alle 30 Tag). So pendeln sie gerade etwas hin und her. Er kann mit Internet von überall arbeiten und sie macht Übersetzungsarbeiten. Während sie am Nachbartisch noch arbeitete tischte Naoto uns seine Lebensgeschichte auf - und was für eine. Er hatte schon in mehr Ländern gelebt als wir hätten aufzählen können und spricht 10 Sprachen. Eine davon ist Deutsch und wir hatten uns auch schon etwas auf Deutsch unterhalten (er hat für einige Monate in Baden Württemberg in einer anthroposophischen Gemeinschaft gelebt). Noch interessanter war sein Studienfach, er hatte traditionelle indische Musik studiert und dafür 7 Jahre in Indien gelebt. Als Beweis gab es eine kleine Kostprobe (Gesang mit Ukulele) und eine kleine theoretische Unterweisung in die Komplexität indischer Musik (bspw. nutzen sie viel mehr Zwischentöne, nicht wie wir nur Halbtöne). Nach einem langem Abend ging es dann ins Bett.

    Und beim Thema Bett sind wir bei den Schlafbedingungen im Homestay. Wir hatten uns auf Lautstärke durch Tiere und Menschen draußen eingestellt, aber was in der ersten Nacht los war war nicht mehr feierlich. Um 23 Uhr begann ein heftiger Streit zwischen der Betreiberin vom Homestay und dem Hausbesitzer. Fast eine Stunde hielt uns das wach und auch die anderen Tage war der Hausbesitzer, der unten wohnte, sehr laut. Auch lag die Feuerstelle der Besitzer-Familie direkt unter unserem Zimmer und unser ganzer Raum stank nach Rauch. Am dritten Abend wurden wir dann aufgeklärt, wieso es zum Streit gekommen war. Die Betreiberin hatte schon länger geplant aus Sa Pa nach Bac Ha zu ziehen (einem noch nicht so touristischen Bergort). Dort baute sie auch schon seit einiger Zeit ein eigenes Haus. Das hatte sie bisher aber noch nicht dem Hausbesitzer mitgeteilt, der ziemlich sauer darüber war. Er schmiss sie kurzerhand raus und wir konnten dadurch auch nur bis Samstag bleiben.
    Für die restlichen zwei Tage hieß es am 4.1. also eine neue Bleibe suchen. Diese fanden wir ein paar Meter weiter in einem anderen Homestay, was aber nicht ganz so schön war, weil die sehr nette Betreiberin verreist war und ihre beiden Angestellten sich nicht groß um uns scherten. Für die restlichen zwei Tage war schlechtes Wetter angesagt worden und wir hatten uns eigentlich schon gefreut, in unserem ersten Homestay im Aufenthaltsraum mit den großen Fenstern zu sitzen, zu lesen und den Rest unserer Vietnamreise zu planen.
    Denn Planung ist momentan wirklich wichtig. Wir hatten ja schon über das vietnamesische Neujahrsfest berichtet (25.Januar). Die Tage drum rum herrscht Ausnahmezustand in Vietnam. Vor allem am 25. bis 27. sind Hotels teurer, die meisten Restaurants und Sehenswürdigkeiten geschlossen und Züge ausgebucht (weil alle Einheimischen zu ihren Familien reisen). Dinh empfahl uns schnellstmöglich alles zu buchen und so müssen wir momentan einen Monat Vietnam vorbereiten. Anders als bisher, wo wir immer nur den nächsten Stopp gebucht hatten, heißt es jetzt mindestens 5 Unterkünfte und Züge zu finden und zu schauen, was wir wahrscheinlich in Ninh Binh, Hué, Hoi An, Da Lat und Ho Chi Minh City (inkl. Mekongdelta) machen wollen (um abzuschätzen wie lange wir bleiben). Das stresst uns gerade etwas und wir brauchten die beiden freien Tage in Sa Pa wirklich dringend um wenigstens schon ein bisschen was vorzubereiten.
    Dementsprechend passierte Samstag und Sonntag gar nicht mehr so viel in Sa Pa. Das Wetter war auch nicht mehr so gut und wir saßen viel mit einem ultrasüßen Welpen und unseren Reiseführern/IPad/Handys im Homestay und in unserem Stammcafé in SaPa um zu planen.

    Die nächste Station ist dann Hanoi (die Hauptstadt), wo wir Judiths Eltern treffen, die eine vierwöchige Südostasienreise machen und am 10. von Hanoi aus zurückfliegen.
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