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  • Day 23

    Mit dem Express-Boot nach Bergen

    September 15, 2022 in Norway ⋅ ☁️ 10 °C

    Stryn liegt ungefähr auf einer horizontalen Linie mit Måløy, dem ersten größeren Zwischenstop am heutigen Tag. Lustig, denn 2 Punkte, verbindet man sie gerade miteinander, liegen immer auf einer Linie; egal. Stryn befindet sich dabei weiter im Landesinneren und Måløy an der Küste. Für diese Fahrt sind 2 Etappen bzw. Busse nötig. Im ersten sitze ich ja bereits. Nun geht es vorerst ein Stück Richtung Hellesylt, bevor der Bus links abbiegt und mehr oder weniger gerade Richtung Küste fährt. Durch einen Tunnel und dann immer am Hornindalsvatnet entlang.

    Vor dem Tunnel werden gerade Beefestigungs Arbeiten vorgenommen, um den Steilhang zu fixieren. Wer schonnmal in den Alpen oder anderen Gebirgen untrwegs war, kennt das vielleicht. Auf unterschiedlichste Art und Weise wird verhindert, dass es zu Steinschlägen oder Geröll Lawinen kommt. In Norwegen kommen noch unzählige Wasserfälle dazu. Sie bahnen sich vorallem bei der Schneeschmelze einfach einen beliebigen Weg. So kann das Erdreich durchnässt werden, was das lösen von Gestein zur Folge hat. In meiner Zeit auf den Lofoten kam es zu solchen Fällen am Kvalvika Beach, der für seine hunderte Meter hohe Steilküste bekannt ist, vor welcher sich der traumhafte Strand mit dem kristalklaren Wasser erstreckt. Dadurch, dass es diesen Sommer verhältnismäßig viel Regen gab, lösten sich Steine, die hinab auf den Strand und die dortigen Camper fielen. Wie durch ein Wunder ist niemand tödlich getroffen worden, jedoch gab es einige Verletzte. Damit das vor dem Tunnel nicht passiert, wird ein neuer Wasserfall in seine Schranken gewissen und die Umgebung befestigt. Diese Arbeiten haben wiederum zur Folge, dass nur eine Spur frei ist. Sie wird abwechselnd von beiden Richtungen genutzt. Trotz einer dadurch verursachten Verzögerung, erreichen wir Nordfjordeid fast pünktlich gegen 9.56 Uhr. Von dort aus startet das 2. Stück der Busfahrt um 10.30 Uhr.

    Tatsächlich komme ich mit meinem Ticket auch in den 2. Bus. Damit ist das wohl mit Abstand die billigste Busfahrt meiner gesamten Reise. Auf dem weiteren Weg Richtung Küste, geht es immer am Nordufer des Nordfjords entlang. Dicke Tropfen prasseln derweil gegen die Scheibe, während sich um mich herum wieder einmal die Landschaft in lebensbejahendes Grau hüllt. Der graue Asphalt setzt sich in das Grau des Fjords fort, der seinerseits in graue Gesteinsmassen übergeht welche wiederum durch das Grau der Wolken eingehüllt werden. Grau grau grau....wo man auch hinsieht.

    Bri meinem Ausstieg 1, 5h später werde ich von Regen empfangen. Meine Laune hebt das nicht besonders, aber man muss das Beste draus machen. Das Beste daraus machen betrachte ich als, ein trockenes Fleckchen finden und dort 4h ausharren. Da meine Ortskenntis sich jedoch auf das Bedienen von Google Maps beschränkt, dauert es einen kleinen Moment bis ich mich zurecht gefunden habe und einen weiteren Moment, bis ich eine geeignete Anlaufstelle gefunden habe. Sie erweist sich als sehr geeignet: Eine kleine Mall, in der es Stühle und Tische gibt. Perfekt zum Postkarten schreiben. Mal sehen wievielen der Adressaten ich nach meiner Rückkehr die Karten vorlesen muss, weil meine Schrift so unleserlich ist.

    Mir fällt auf, dass es definitiv wieder Zeit für Uni wird. Meine Hand ist das Schreiben garnicht mehr gewöhnt, was in Kombination mit einem Kugelschreiber sicher einigen Lesern zum Verhängnis wird. Ich möchte mich hier schon einmal im Vorfeld bei allen Kartenempfängern entschuldigen.
    Irgendwann versagt die Hand gänzlich. Da es aber auch schon 13 Uhr ist, wäre es auch nicht das Verkehrteste, etwas Nahrung für die Überfahrt zu holen, die fertigen Postkarten einzuwerfen und den Fähranleger zu suchen.

    Gerade als ich Anstalten dazu mache, die Karten in den Kasten zu schmeißen, unterbricht mich die Postfrau und deutet auf den Mann hinter mir. Dieser hat vor sich 2 Kisten Briefe zu stehen. Puh, da habe ich ja richtig Glück. Jetzt kommen die Karten einen Tag früher an. An die Poststelle ist ein Supermarkt angegliedert, in dem ich einpaar Kleinigkeiten zum Essen hole. Tomaten, eine Birne und etwas Brot.

    Hätte ich mich vorher mal mit der Fähre auseinandergesetzt, hätte ich mir eine Besichtigung Måløy's Industriehafen ersparen können. Mit der Vorstellung, das Fährterminal müßte eine Zugangsmöglichkeit für Autos bieten, stiefel ich ausschau haltend am Hafen entlang. Da Måløy vom Fischfang lebt und direkt am Wasser liegt, ist die Stadt in seiner gesamten Ausdehnung ein einziger Hafen. Diesen laufe ich nun also ab. Als ich am hintersten Ende angekommen bin, zu meiner linken Fischabfertigungshallen, rechts Lagerhallen und Kühlcontainer, dazwischen verkehrende Gabelstabler und geschäftige Angestellte, sehe ich ein, dass sich hier wohl kein Fährteterminal für eine Passagierfähre verstecken wird. Einmal mehr besiegelt das Schild "Industriehafen Måløy" diese Feststellung. Es hätte ja ein aufschlussreicher Ausflug werden können, müsste ich nicht zum einen mein gesamtes Gepäck mitschleppen und zum anderen andauernd Gabelstaplern und Mitarbeitern ausweichen.

    Dem Industriehafen entkommen, Google ich den Namen der Fähre: M/S Føya. Auf Wikipedia gibt es ein Foto...ein Katamaran, nur für den Personenverkehr... alles auf Anfang. Zurück an meinem Ausgangspunkt entdecke ich nun das Fährterminal. Tja, wer nicht liest muss fühlen.

    Die Fähre, welche 14.45 auf den Kai zu rast, ist beeindruckend. Ein Katamaran mit einer Innenkabine für Passagiere. Die Geschwindigkeit mit der er sich dem Kai nähert, ist bloß ein Vorgeschmack auf die Geschwindigkeiten, die er im offenen Gewässer erreicht. Von innen bis außen habe ich mich sofort in das Gefährt verliebt. Villeroy & Boch Waschbecken, Teppichboden, Kunstleder Sitze. Der Hammer! Ich ergattere einen Sitzplatz in der ersten Reihe, was mir zum einen Beinfreiheit verschafft und zum anderen habe ich einen direkten Blick aufs Wasser. Die folgenden 4h Stunden sind definitiv mein Highlight der gesamten 4 Wochen. Wir fliegen nur so über das Wasser, vorbei ab Norwegens Fjorden, Fischkuttern und unberührter Natur. Dazu kommt das auf und ab des Bootes, dass vorallem in offeneren Abschnitten, für ordentlich Adrenalinausschüttung sorgt. Teilweise fühlt es sich an wie freier Fall, sodass ich mich förmlich in den Sitz drücke. Begeisterung pur! Wer immer die Möglichkeit bekommt, eine Express-Fähre in Norwegen benutzen zu können, der sollte das definitiv einer schnöden Fjordkreuzfahrt vorziehen. Zum einen kommt man von A nach B und zum anderen sieht man genauso viel vom Fjord. Ob ich nun 5 sprachig gesagt bekomme, wie dieser oder jener Wasserfall heißt oder einfach so die Schönheit genieße, nimmt sich am Ende nix. Das, meine Damen und Herren, ist vielleicht das best investierteste Geld auf meinem gesamten Trip. Ohne Zweifel, diese Erfahrung ist ein Höhepunkt.

    Leider endet die Fahrt auch irgendwann. Genaugenommen um 20.52 Uhr. Bei Regen und peitschenden Böhen geht es von Bord. 12 Minuten Zeit bleiben mir, um mich mit dem Ticketsystem des Nahverkehrs von Bergen vertraut zu machen. Ich beschließe es erst garnicht zu versuchen und das Ticket im Bus zu kaufen. So komme ich 21.30 Uhr völlig kaputt aber glücklich im Montana Hostel an. Für eine Nacht hatte ich noch ein Zimmer abgreifen können, eine 2. Nacht wäre nur zu unvschämt hohen Preisen möglich gewesen. Der Check-In klappt reibungslos, auch das beziehen des Zimmers. Natürlich muss ich für eine Nacht Bettwäsche kaufen, denn Schlafsack sei nicht möglich. Gott verdammt, manchmal könnte ich mich für meine Ehrlichkeit selber hauen. Das Zimmer ist ein 4-Bett Zimmer, in welchem wir zu 5. residieren. Ein total anstrengendes Pärchen schläft unter mir zu 2. Im Bett. Doch bevor es ans Schlafen geht, habe ich Lust mich etwas sozial zu verhalten und die Gemeinschaftsräume aufzusuchen. Dort lerne ich, oh Wunder oh Wunder, 5 Deutsche kennen. 2 sind zusammen mit dem Motorrad unterwegs, 2 andere im Van und einer ist Medizinstudent im PJ.

    Die Stimmung ist ausgelassen und im Grunde kann man niemanden von uns mehr ernstnehmen...alle sind komplett durch. Während unserer Unterhaltung, Kickern wir ein paar Runden. Irgendwann setzt dann aber doch die Müdigkeit ein. Leider tut sie das etwas zu spät oder zu früh, jedoch keines Falls genau richtig. So muss ich von meinem Bett aus miterleben, wie das junge Pärchen (vielleicht 20), im Bad ihre partnerschaftliche Abensroutine abhält. Da man alles hört bin ich als bald angewidert von dem Szenario. Schon durch den Fakt, dass sie die einzigen sind, die an ihrer Bauchtasche herabhängend FFP2 Maske und Desinfektionsmittel tragen, tun sie sich hervor. Mit dieser abendlichen Einlage, haben sie sich jedoch endgültig bei mir eingebrannt. Das Geschmuse und geflüstert unter mir, ist anschließend fast mit Leichtigkeit zu ertragen.

    Für morgen gibt es keine großen Pläne, denn ich muss irgendwie noch schauen, dass ich sowohl Zugreservierungen als auch eine Unterkunft in Oslo bekomme. Toi toi toi, aber Motivation habe ich keine...wenn ich die Preise und die dahin rinnende Zeit sehe, vermisse ich meine Zeit im Norden etwas. Da war jeden Morgen klar: Es geht wandern und abends geht's in eine bezahlbare Unterkunft...
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