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  • Day 4

    Al ritmo argentino…

    November 11, 2022 in Argentina ⋅ ⛅ 21 °C

    Buenos Aires, Freitag, 11.November 2022

    Wir versuchen (noch etwas krampfhaft), uns dem argentinischen Rhythmus (Geduld, Gelassenheit) anzupassen. Manchmal ist es aber für notorisch ungeduldige Mitteleuropäer schon etwas schwierig, die Geduld nicht zu verlieren.

    Wir hatten bereits beschrieben, dass wir weder bei Western Union (WU) im Flughafen noch bei einer Wechselstube im Zentrum Geld abheben konnten. Man hatte dort nicht genügend Bargeld vorrätig!! Am Folgetag (Donnerstag) um 11 Uhr sollten wir wiederkommen; dann sei bestimmt genügend Geld vorhanden.
    Um es gleich vorwegzunehmen: Es ist uns gelungen!
    Aber wie!!! Zuerst musste sich Regine am Schalter ausweisen; dann wurden wir in eine Art Telefonkabine gesetzt, wo wir die 5555 anrufen mussten. 15 Minuten hingen wir in der Warteschlange, bis sich eine Dame meldete, die so ziemlich alles über Regine wissen wollte, was nochmals 5 Minuten dauerte. Dann durften wir erneut am Kassenschalter anstehen. Dort musste sich Regine erneut ausweisen. Die Dame am Schalter liess sich per Telefon in gut 10 Minuten bestätigen, dass wir der 5555 alle Daten richtig übermittelt hatten. Anschliessend verlangte man noch zwei Kopien von Regines Pass (die uns natürlich in Rechnung gestellt wurden), vier Unterschriften und dann wurden wir in Scheinen zu 500 und 1000 Pesos ausbezahlt; bei einer Summe von 121'000 Pesos ein ganzer Packen Papier! Nach insgesamt gut 40 Minuten war die Transaktion abgeschlossen und wir können freudig bestätigen: Es funktioniert! Aber eben nur mit genug argentinischer Geduld… Und wir fragten uns nachträglich, wie das Leute wohl machen, die des Spanischen nicht mächtig sind!

    Mit einem Teil des Geldes konnten wir dann endlich unsere Hotelschulden begleichen und bekamen eine Bestätigung als PDF dafür, dass das Hostal uns 14‘500 Pesos für fünf Tage bezahlt habe. Auf unseren Hinweis meinte der Eigentümer, das sei eben ein kleiner Fehler der Buchhaltung, es gebe dann eine neue Rechnung. Auf diese warten wir jetzt seit zwei Tagen geduldig :-)

    Am Nachmittag desselben Tages blieb uns noch Zeit für eine Besichtigung des Naturreservates südlich des Hafens am Rio de la Plata, wo uns grosse Wellensittiche und andere bunte, uns komplett unbekannte Vögel begegneten. Die Gegend liegt direkt hinter einem vornehmen Viertel und sieht aus wie die Miniaturausgabe eines Feuchtgebietes. Dort haben wir es dann auch geschafft, zum ersten Mal einen Blick auf das Delta des Rio de la Plata zu erhaschen. Für uns sah es es aus wie am Meer, nur dass das Wasser eher eine braune Brühe und nicht salzig ist. Auf die uruguayische Seite sieht man nicht, weil der Fluss hier fast 46 Kilometer breit ist!

    Am Abend haben wir dann unsere wundgelaufenen Füsse gepflegt und das am Morgen im Carrefour-Supermarkt eingekaufte Abendessen (Brot, Käse, Wurst, Oliven) im Hostal eingenommen. Hausmannskost… morgen folgt dann wieder ein Restaurantbesuch.

    Freitag, 11.11. Martinstag…
    Regine hat seit längerer Zeit wieder einmal einigermassen gut geschlafen - auch das ist ein Zeichen der einsetzenden Entspannung :-)
    Am Morgen planen wir gemeinsam den Tag und beschliessen eine Tour im Quartier von Recoleta, wo auch die Buchhandlung El Ateneo liegt, die uns Christine empfohlen hat. Dank an sie an dieser Stelle:-)
    Zudem planen wir die folgenden Tage bis zum kommenden Freitag. Hier im Hostal müssen wir am Montag raus, eine Verlängerung ist infolge aller ausgebuchter Zimmer nicht möglich. Aber Regine hat etwas weiter vom Stadtzentrum entfernt schon einen bezahlbaren Ersatz bis 18.11. gefunden, den wir im Eiltempo bei booking.com buchen.

    Los geht‘s also mit ÖV, als erstes zum Museo Carlos Gardel (DER argentinische Tango-Sänger schlechthin). Um 11:55 Uhr dort angekommen, sehen wir, dass es nicht - wie in Google Maps versprochen - um 11:00 Uhr öffnet, sondern erst um 12:00. Wir warten mit anderen Touristen vor dem Eingang bis 12:15 Uhr, ohne dass sich im Museum etwas regt. Martin ruft im Museum an, es meldet sich aber niemand. Wir ziehen also unverrichteter Dinge weiter zum Friedhof La Recoleta, wo (fast) alle militärischen, politischen und kulturellen Grössen seit dem 18. Jahrhundert eine Gruft mit Denkmal - manchmal für die ganze Familie - haben. Der Eintritt beläuft sich auf 4.50 Euro pro Person… für argentinische Verhältnisse sehr hoch, aber es sind ja ohnehin nur Touristen, die ihn besuchen. Martin meint, dass das vermutlich der weltweit einzige Friedhof mit Eintrittsgebühr ist, aber für Evita Perón, die verehrt wird wie eine Heilige sowie für die versammelten Staatspräsidenten und Schrifsteller/-innen wie Alfredo Bioy Casares oder Silvina Ocampo sollte man sich nicht lumpen lassen. Allerdings finden wir mit dem komplett unbrauchbaren Plan (wenigstens kostenlos) nur das Mausoleum von Evita.

    Dann ist ein Besuch im Museo de Bellas Artes (Kunstmuseum) gleich um die Ecke angesagt. Hier ist der Eintritt trotz einer grossartigen Sammlung sogar von europäischen Grössen wie Renoir, Rubens, Tiepolo, Chirico, Goya etc. frei. Martin erfreut sich besonders an den Werken von Goya, die er noch nie im Original gesehen hat.

    Nach so viel Kultur gibt es wieder einmal ein Problem zu lösen: Wir wissen nämlich nicht, ob unsere SUBE-Karte für den ÖV noch genügend Saldo für die Fahrt zur Buchhandlung El Ateneo hat, wo wir zudem einmal umsteigen müssen. (Merke: Hier bezahlt man für jede Fahrt einzeln wie z.B. auch in Madrid.) Eine Fahrt kostet 80 Pesos (25 Cent) und wir hatten ursprünglich 730 Pesos auf der Karte (maximale Ladung sind 1000 Pesos). Weit und breit ist kein Laden oder Kiosk in Sicht, wo man die SUBE aufladen könnte. Wieder hat Regine die rettende Idee: In der grossen U-Bahn-Station gleich bei der nahegelegenen (und riesigen) juristischen Fakultät könnte es eventuell eine Ladestation geben. Und tatsächlich ist es so und damit das Problem gelöst!

    Jetzt haben wir uns ein Eis verdient und besuchen eine der unzähligen Eisdielen. Mit einer Kugel „Patagonische Schokolade“ (Regine) und „Orange/Pfirsich" (Martin) setzen wir uns in den nahegelegenen Park. Argentinien ist ein Eldorado für Eisliebhaber und wir müssen uns sehr zurückhalten (zumindest Regine), dass wir nur einmal pro Tag eine „Heladeria“ aufsuchen.

    Die Buchhandlung in einem ehemaligen Theater (siehe Bilder) ist beeindruckend und riesig. Martin ist trotzdem enttäuscht, weil sie weder von Bioy Casares noch vom Uruguayer Mario Benedetti noch vom (kürzlich verstorbenen) spanischen Autor Javier Marias etwas haben - und das bei der Menge an Büchern, welche dort lagern! Aber Martin findet ja immer ein interessantes Buch und er kauft eines von Capárros, den er noch nicht kennt.

    Die Füsse tun langsam weh und wir schleppen uns mit Bus und und zu Fuss zurück ins Hostal. Martin organisiert ein Abendessen im ersten (und vermutlich einzigen ;-) veganen Restaurant in Buenos Aires; es ist zu Fuss gut erreichbar. Die Seitan-Pizza mit veganem Cheddar ist gewöhnungsbedürftig, wir hatten auf viel Gemüse und Salat gehofft. Aber das mögen hier offenbar nicht einmal die Veggies. Trotzdem findet Regine, das sei doch immerhin eine wichtige Erfahrung :-) Also in Zukunft vielleicht doch lieber Vegetarisch und hin und wieder Fleisch und Wurst! :-))
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