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  • Day 18

    Erstes Hitze-Training

    November 25, 2022 in Argentina ⋅ 🌙 25 °C

    Corrientes, Freitag, 25. November 2022

    Heute ist unser letzter Tag in Corrientes, bevor wir morgen mit dem „omnibus“ (so heissen hier die Fernbusse im Unterschied zu den „colectivos“, den Stadtbussen) nach Mburucuyá fahren werden.
    Der Tag gilt zwei kleineren Museen, dazwischen aber muss Regine unbedingt nochmals im Rio Paraná baden gehen. Die Hitze schreit geradezu nach einer Abkühlung - zumindest findet dies Regine!
    Gesagt, getan: Das Archäologische und Anthropologische Museum finden wir schnell, denn es liegt ganz in der Nähe unserer Unterkunft.
    Auch hier sind wir die einzigen Besucher, aber eine lärmende Schulklasse verlässt gerade das Gebäude, als wir ankommen; es gibt also doch noch ein lokales Interesse an vergangenen Kulturen.
    Am Eingang werden wir empfangen vom Sohn der Direktorin des Museums, der - wie viele Argentinier, denen wir begegnen - sehr freundlich fragt, woher wir kommen und was wir in Argentinien so machen. Auch von ihm fährt Martin ein dickes Lob für sein Spanisch ein…und Regine kann mittlerweile Martins Antwort auf die Frage, woher er so gut Spanisch spricht, auswendig zitieren. Das Interesse an uns ist aber wirklich echt; wir stellen immer wieder fest, dass die Einheimischen uns Fremden gegenüber sehr offen und äussert kommunikativ sind.

    Im Museum schauen wir uns die relativ wenigen Artefakte an. Es sind ausschliesslich Töpferwaren der Guaraní ausgestellt, des „lokalen“ indigenen Volkes, die bis zur Ausrottung durch die spanischen Eroberer das ganze Gebiet vom Orinoco bis zum Rio de la Plata und von den Anden bis zum Atlantik bevölkerten.
    Die Guaraní waren Halbnomaden, die teils sesshaft waren und nur bei Bedarf weiterzogen. Die gefundenen und aus vielen Bruchstücken zusammengesetzten Töpfe sind mehrheitlich riesige Grab-Urnen, in denen die Knochen der Verstorbenen in Fötalposition hineingelegt wurden. Erstaunlich ist, dass die Guaraní schon im 8. Jahrhundert über Techniken verfügten, Lehm zu riesigen Töpfen zu brennen, ohne dass diese Risse bekamen oder in sich zusammenbrachen.
    Martin sieht eine Karte vom südlichen Südamerika mit einem Verzeichnis der fast 30 bekannten indigenen Völker, die hier lebten bis die spanischen Eroberer sie vertrieben oder sie durch eingeschleppte Krankheiten starben; Allerdings hielten sich Reste von ihnen in verschiedenen Gebieten bis Mitte des 19. Jahrhunderts.
    Nachdem die Direktorin die Schulklasse verabschiedet hat, stellt sie sich uns vor, erklärt einiges und zeigt uns auch für das Publikum nicht zugängliche Bereiche wie die „Werkstatt“ (eher eine bessere Rumpelkammer), wo staubüberzogen in Gemüsekisten Tausende von Bruchstücken zum Teil seit Jahrzehnten auf ihre Säuberung, Katalogisierung und Montage zu Artefakten warten! Der Grund dafür ist, dass die Behörden nur ungern und dann nur wenig Geld für das Museum freigeben und dieses deswegen niemanden für diese Spezialarbeit anstellen kann.

    Die Direktorin ist von Beruf Architektin und hat massgeblich an der Renovation des Hauses mitgearbeitet. Es war eine Villa mit grossem Patio (Innenhof) aus dem 18. Jahrhundert, welche vor 30 Jahren von Privat aufgekauft und zum grossen Teil abgerissen wurde. Der Eigentümer ging pleite, sodass die Provinzregierung das ursprünglich schöne Gebäude kaufen konnte. Es wurde mit den noch vorhandenen Materialien und nach den 20 Jahre alten Original-Plänen wieder aufgebaut.
    Martin fragt nach Literatur über die indigenen Völker. Es gibt jedoch nur eine dünne Broschüre über die jesuitischen Niederlassungen in der Region und ein Buch über die Restauration der Villa. Aber die Direktorin bietet Martin sogar an, ein dickes Buch über die Geschichte der Guaraní für den Nachmittag auszuleihen, wenn er es bis 18 Uhr zurückbringe. Aus Gründen der Planung verzichten wir allerdings auf das freundliche Angebot.

    Jetzt gehen wir bei brütender Hitze und mit Temperaturen bis 35 Grad zurück zur Unterkunft und machen - wie alle Menschen hier - eine Siesta. In der gesamten Stadt schliessen ab 12 Uhr, spätestens 13 Uhr, sämtliche Geschäfte und Restaurants, um dann von 17 bis 21 Uhr wieder für die Kundschaft gerüstet zu sein.
    Wenige Minuten vor Ladenschluss um 13 Uhr kauft Martin kurz entschlossen in einem Billigladen ein weisses langärmliges Hemd aus (hoffentlich!!) Baumwolle. Er muss für den Aufenthalt im Feuchtgebiet Vorsorge treffen!
    Nach der Mittagsruhe geht es zu Fuss und immer möglichst dem Schatten nach an den Strand der Islas Malvinas, damit Regine sich erneut im die Fluten stürzen kann (wobei der Schwimmbereich nur 3 Meter breit ist!). Die Strömung ist nach wie vor beachtlich, sodass ausser Regine niemand schwimmt; hingegen stehen viele Menschen bis zu den Knien im Wasser, schwatzen und trinken nebenher ihren mitgebrachten Mate-Tee aus ihren Thermos-Kannen. Martin liest derweil am Schatten und beobachtet die Szenerie.

    Nach dem Bade und einer Merienda (Vesper) marschieren wir ins lokale Kunstmuseum. Martin rät zur Tiefstapelei :-), weil wir mit dem Begriff „Kunstmuseum“ immer viele teure Werke an einem Ort verbinden. Und er hat recht: Hier sind wir in der argentinischen Provinz und das Museum zeigt ausschliesslich (wenige) klassische und moderne Werke von Künstlern der Region. Es gibt darunter aber auch einige interessante Objekte, Martin begeistert sich vor allem für die strukturale Malerei einer jungen Künstlerin.
    Wir sind ein bisschen müde, überhitzt, durstig (Regine) und unterzuckert (Martin), was beträchtlich auf die Stimmung drückt, als wir den weiteren Abend planen wollen. Regine möchte nichts essen (ihre Trekkinghose spannt schon vom vielen leckeren Eis!!), dafür einen italienischen Film schauen und Martin möchte dringend etwas essen und pfeift auf jede Art von Film. Am Schluss siegen Hunger und Durst: Wir kaufen schnell was ein und begeben uns in unsere Unterkunft, wo Regine duscht und Martin isst. Jeder hat halt seine Prioritäten. :-)
    Der italienische Film („Die Insel der Rosen“ oder so ähnlich) läuft übrigens auf Netflix (wie Martin herausfindet) und dort sogar mit deutschen Untertiteln… Vielleicht schauen wir ihn uns auf Martins iPad im Bett zur Hälfte an :-). Mehr schaffen wir nicht; uns fallen die Augen zu. Die Hitze fordert ihren Tribut.
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