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  • Day 12

    Temuco - Zentrum der Deutsch-Chilenen

    January 27, 2023 in Chile ⋅ ☀️ 11 °C

    Temuco, Freitag, 27. und Samstag, 28. Januar 2023

    Schweren Herzens nehmen wir am Freitagmorgen Abschied von Marion und Fernando, wo wir 12 Tage lang verwöhnt wurden - sowohl kulinarisch als auch in Sachen „Sightseeing und Kultur“.
    Diese Auszeit hat uns sehr gut getan: Wir mussten uns um gar nichts kümmern, keine Touren ausfindig machen, nichts im Internet recherchieren, keine Fahrpläne studieren oder Bus-Terminals suchen, keine Unterkünfte buchen, keinen Proviant einkaufen und auch nicht „kochen“.
    Mit anderen Worten: Wir haben einen „All inclusive - Urlaub“ erleben dürfen.
    Dafür sind wir sehr dankbar, denn so konnten wir auftanken, wohl wissend, dass die weiteren Etappen „más al sur“ (immer weiter in Richtung Süden) uns sehr fordern würden.

    Nach Santiago heisst unsere nächste Station Temuco, die wir - wie bislang immer - mit dem öffentlichen Verkehr ansteuern.
    Es ist eine relativ angenehme Busreise über eine Autobahn, die in punkto Qualität des Strassenbelags durchaus auch in der Schweiz oder Deutschland liegen könnte :-)
    Regine macht ein Nickerchen, denn sie hat in den letzten Tagen sehr wenig geschlafen. Vielleicht liegt dies am vielen und guten Essen??:-))
    Die ersten 200 km der knapp 700 km langen Strecke zeigen ein ähnliches Bild wie die Gegend um Santiago: Es gibt viel Grün, zahlreiche Bäume und Büsche, aber das Land dazwischen wirkt trocken und ist ganz braun. Oft sehen wir auch abgebrannte Flächen, die zum Teil jedoch wieder aufgeforstet werden.
    Erst ab Los Angeles, das auf Höhe der Hafenstadt Concepción liegt, beginnt die Landschaft sich fast schlagartig zu verändern: Zuerst hat es Schafe, dann kommen endlose Getreidefelder, grüne Wiesen mit friedlich grasenden Kühen und alle paar Kilometer überqueren wir einen Fluss oder einen Bach, die auch tatsächlich Wasser führen!
    Als wir in Temuco beinahe pünktlich nach einer fast 9-stündigen Fahrt um 18 Uhr ankommen, ist es schon ziemlich kühl und in der Nacht fällt das Thermometer auf 6 Grad (!), um am folgenden Nachmittag wieder auf 29 Grad zu klettern.
    Temuco liegt auf dem 39. südlichen Breitengrad, also genau so weit vom Südpol entfernt wie Ankara oder Peking vom Nordpol. Trotzdem kann man das Klima der drei Städte nicht miteinander vergleichen.

    Temuco - so sagt man uns - ist das Zentrum der Mapuche. So heissen die Einheimischen, die seit Jahrhunderten hier lebten und von den spanischen (sowie später von den europäischen) Kolonisatoren bekämpft und schliesslich besiegt wurden.
    Noch immer siedeln die Mapuche hier in der Gegend in grosser Zahl und sprechen neben Spanisch auch ihre eigene Sprache, das Mapudungún. Sie werden vom Staat in vielen Bereichen unterstützt, doch nach wie vor gibt es Spannungen hinsichtlich des Landbesitzes.
    Uns fallen in Temuco als erstes jedoch nicht die Mapuche auf, sondern die vielen deutschen Namen wie Schmidt, Küpfer, Hauenstein etc. Auch bei Bier und Brot hat die deutsche Kultur Einzug gehalten, seit gegen Ende des 19.Jahrhunderts mit der ersten grossen Einwanderungswelle viele Deutsche nach Temuco kamen.

    Doris, eine Schulfreundin von Regine, hat uns in Temuco den Kontakt zu ihren Freunden hergestellt: Gerhard und Hanne Weber sind mit der evangelischen Gemeinschaft „Vereinigte Missionsfreunde e.V.“ vor 45 Jahren (1978) als junges Ehepaar mit zwei kleinen Kindern nach Temuco gekommen.
    Sie arbeiteten mit verschiedenen Mapuche zusammen, gründeten eine Schule und ein Internat für Mapuche-Mädchen, damit diese ihre Schullaufbahn fortführen konnten - waren ursprünglich doch nur vier Schuljahre für die Mapuche vorgesehen.
    Trotz Erreichen des Rentenalters sind Gerhard und Hanne weiter tätig und kehren nicht nach Deutschland zurück. Temuco ist nach so vielen Jahrzehnten ihre Heimat geworden; zudem leben auch ihre drei Kinder und die Enkel in der Nähe.

    Am Samstagmorgen besuchen wir sie in ihrem gemütlichen Haus am nördlichen Stadtrand von Temuco. Der Weg dorthin dauert zu Fuss nur 20 Minuten, obwohl die Stadt über 200‘000 Einwohner hat und trotz einiger Hochhäuser eher eine Streusiedlung ist.
    Bei Kaffee und Hannes selbstgemachten Keksen (mmh! :-) plaudern wir zwei Stunden über ihre Arbeit, das Leben hier und unsere Reisepläne. Gerhard will mit uns am Montag an die knapp 100 km entfernte Küste fahren. Dieses Angebot nehmen wir dankend an.

    Wir verabschieden uns und wollen jetzt auf Empfehlung von Gerhard das „Museo de la Región Araucanía“, den Hausberg „Cerro Ñelol“ und den lokalen Markt „Feria Libre“ besuchen.
    Ersteres ist trotz gegenteiliger Information (sowohl im Internet als auch am Eingang) geschlossen und wir werden unliebsam an unsere Museums-Erfahrungen in Argentinien erinnert!
    Einen Berg kann man ja nicht gut schliessen, weshalb wir zum Cerro Ñelol aufmachen. Aber der erste Eingang ist gesperrt und ein Wachmann bittet uns, doch den anderen zu nehmen, der nur 500 m entfernt sei. Kein Problem!
    Der zweite Eingang ist offen, aber der Eintritt kostet 3500 Pesos (4 Euro) pro Person. Wir fragen zum Scherz, ob es für ausländische Rentner eine Reduktion gäbe. So kommen wir mit dem diensthabenden Wächter ins Gespräch und nach einer kurzen Unterhaltung („Ah, Schweiz und Deutschland? Das liegt doch ganz nahe beieinander!“) wird uns gebührenfrei Einlass gewährt. Wir fragen nicht nach, was den guten Mann dazu bewogen hat, sondern freuen uns einfach darüber.
    Auf den Berg, der sich gut 200 Meter über die Stadt erhebt, führt ein angenehmer Weg (Faule können mit dem Auto hochfahren!) und oben angekommen, haben wir vom 2017 errichteten („neuen“ - wie man auf einer Tafel ankündigt) „Mirador“ (Aussichtspunkt) eine herrliche Panorama-Sicht über die Stadt und die Ebene, in der sie liegt. Ihre Lage mit den bewaldeten Bergen im Hintergrund erinnert uns an die Heimat. Nur der Bambus passt nicht so recht in die Gegend!
    Nach dem Verzehr von drei Orangen (Wir sind seit Santiago ja auf Diät und gleichzeitig auch etwas auf Entzug :-) steigen wir wieder ab, denn wir wollen unbedingt noch die „Feria Libre“, den Bauernmarkt - wie Google das nennt - sehen, bevor dieser um 17 Uhr schliesst.
    Die Feria ist ein riesiger Markt mit Gemüse, Fleisch, Fisch, Käse, getrockneten Bohnen, Hülsefrüchten und Nüssen, alles aus der Region. Daneben gibt es aber auch Kleidung und Schuhe sowie verschiedene andere Artikel des täglichen Lebens. Letztere stammen aber wohl vorwiegend eher aus China als „aus der Region“.
    Wir werden vielfach angesprochen, doch etwas zu kaufen. Aber wir können ja nicht: Für Souvenirs haben wir keinen Platz und Lebensmittel haben wir gestern (noch nichts wissend von der Feria) im Supermarkt (!) teuer eingekauft. Auf dem Markt wäre es um einiges günstiger gewesen.
    Dann geht es - wie immer zu Fuss - zurück in unser „Hospedaje“ (Herberge), wo verschiedene Arbeiten auf uns warten: Martin will seine Wäsche waschen und Regine den Blog bearbeiten und dann müssen wir ja noch das Abendessen zubereiten: Tomatensalat mit Zwiebeln und Gurke, Brot mit Käse und Wurst - unser Standardmenu :-))
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