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  • Day 25

    Herzliche G(r)üsse aus Patagonien!

    February 9, 2023 in Chile ⋅ 🌧 15 °C

    Chaitén, Donnerstag, 9. Februar 2023

    Haben wir gestern bei der Ankunft in Quellón noch tüchtig geschwitzt, so werden wir heute darüber belehrt, dass sich das Wetter in Patagonien auch von einer ganz anderen Seite zeigen kann!
    Schon beim Aufstehen um 05:20 Uhr (!) regnet es und wir machen uns schnell bereit, denn laut dem Betreiber der Fähre müssen wir um 06:00 Uhr vor Ort sein, also genau zwei Stunden vor der Abfahrt.
    Martin meldet optimistisch, dass der Regen etwas nachgelassen habe, aber als wir das Haus verlassen, wird der Regen stärker und nach nur wenigen Metern beginnt es richtig zu schütten. Wir sind zwar gut eingepackt und schützen unsere Rucksäcke auch durch spezielle Regenhüllen, aber das nützt heute wenig, so dass wir nach 30 Minuten Fussmarsch um 06:15 Uhr wind- und regengepeitscht an der Fähre eintreffen.
    Es hat nicht viele Passagiere und die meisten unter ihnen sind junge, gut ausgerüstete Europäer und Chilenen. Wieder einmal stellen wir fest, dass niemand in unserem Alter mit einem Rucksack unterwegs ist.
    Wir können unsere grossen Rucksäcke in einem speziellen Gepäckraum abgeben, bekommen - wie bei den Busfahrten - ein entsprechendes Kontroll-Ticket und suchen unsere reservierten Plätzen auf - ganz vorne links, in der zweiten Reihe.
    Beim Ausziehen der Jacken merken wir schnell, dass wir im Grunde bis auf die Haut durchnässt sind! In der Unterkunft haben wir noch darüber gesprochen, ob wir unsere Regenhose und Pelerine (Regenumhang) drüberziehen sollen, haben es aber angesichts des leichten Regens dann doch sein lassen. Dies müssen wir jetzt bitter büssen!
    Später merkt Martin, dass er auch nasse Füsse hat - und dies, obwohl er die Wanderschuhe (mit denen er sonst, ohne nass zu werden, ins Wasser treten kann) vor der Abreise nochmals imprägniert hat. Socken wechseln geht nicht, da all unsere Kleidungsstücke in den grossen Rucksäcken in der Gepäckablage zuunterst unter vielen anderen Gepäckstücken liegen…

    Zur Beruhigung unserer Nerven trinken wir den mitgebrachten Kaffee und verzehren dazu eine Packung Kekse, später noch einen Pfirsich und Chips. Irgendwie müssen wir uns bei Laune halten, weil man draussen nichts anderes sieht als Wasser, Wolken und Regen. Zum Glück dauert die Überfahrt, auf die wir uns so gefreut hatten, eine Stunde weniger als von der Agentur angegeben und wir kommen nach 5 Stunden im Hafen von Chaitén an, der etwa einen Kilometer ausserhalb des Städtchens liegt.

    Mit der neuen Navigations-App (Mapy.cz) suchen wir die Adresse des AirBnB und Martin glaubt auch, fündig geworden zu sein. Also legen wir - in nur leicht schwächerem Regen als vor 5 Stunden - los und balancieren zwischen Regenpfützen die menschenleeren Strassen entlang zur (vermeintlich) richtigen Adresse.
    Hier tragen die Häuser keine Hausnummern und so verpassen wir es, auf die hölzernen Strassenschilder an den Kreuzungen zu achten. An der richtigen Strasse wählen wir die verkehrte Richtung und merken erst bei Nummer 668 (!), dass wir falsch liegen.
    Eine Ladenbesitzerin klärt uns über unseren Irrtum auf.
    Also marschieren wir dieselbe Strasse durch Regen und Pfützen wieder 500 m zurück. Unsere Laune tendiert stark gegen den Tiefpunkt, aber endlich entdecken wir das Schild „CorreosChile“, das uns unser Airbnb ankündigt. Der Besitzer betreibt nämlich gleichzeitig die Poststelle des Ortes.

    Gabriel ist sehr entgegenkommend, sieht unsere Not und setzt sofort den Holzherd für uns in Betrieb, damit wir unsere Schuhe, die Kleidung und auch die geleerten Rucksäcke trocknen können.
    Die Einrichtung des Hauses ist sehr einfach und geradezu spartanisch: Unser Bett ist nur 1,20 m breit (In der Anzeige war von einem Bett für eineinhalb - 1,5 geschrieben - Personen die Rede:-), Bettwäsche gibt es keine und wir benützen zum ersten Mal unsere Seidenschlafsäcke und auch unsere schnelltrocknenden Handtücher. Um diese Umstände wussten wir allerdings bei der Buchung, so dass wir nicht die Katze im Sack gekauft haben. Aber davon abgesehen ist alles vorhanden, was wir brauchen: heisses Wasser, eine grosse Gemeinschaftsküche und schnelles Internet. Und vor allem sind wir froh, endlich im Trockenen zu sein.
    Und um es vorwegzunehmen: Das 1,5 Personen-Bett hat uns nicht an den Rand der Verzweiflung gebracht - eher an die Zimmerwand:-)

    Nachdem wir unsere Siebensachen zum Trocknen aufgehängt haben, gibt es einen heissen Kaffee - mit Chips und Pfirsich :-)
    Dann brechen wir zu einem Dorfrundgang auf, denn es hat (vorläufig) aufgehört zu regnen :-)
    Martin möchte aufgrund seiner Nässe-Erfahrung dringend einen anständigen Regen-Poncho kaufen, denn seiner ist nichts anderes als eine grosse Plastiktüte.
    Wir gehen in einen Outdoor-Laden in der Nähe, wo man uns aber mitteilt, dass sie so etwas nicht führen. Aber wo könnten wir einen solchen erstehen? In der Eisenwarenhandlung! La ferreteria! Wir sind baff, aber der nächste Schraubenladen hat tatsächlich einen im Sortiment! Martin kauft für etwa 20 Euro einen übergrossen Regenumhang, damit ganz sicher zwei Rucksäcke darunter passen (einer hinten, einer vorne) und ist überglücklich. :-) Auch in der Schweiz wird dieser künftig bei seinen Wanderungen ein ständiger Begleiter sein.

    Jetzt müssen wir nur noch ein paar Essensvorräte einkaufen, denn von Luft und Liebe können und wollen wir nicht leben.
    Zuerst spazieren wir aber zum Rio Blanco, der den Ort seit dem Vulkanausbruch 2017 in zwei Teile teilt (Nord und Süd). Dort treffen wir auf einen gesprächigen Chilenen mit Sohn aus Puerto Montt, der uns durch die Aussage verunsichert, die (einzige) Brücke auf der Carretera Austral am Dorfeingang sei durch Demonstranten blockiert! Wenig später sehen wir zu unserer Beruhigung, dass sich die Manifestation - falls es eine solche gegeben haben sollte - bereits wieder aufgelöst hat.
    Auf dem Rückweg schauen wir noch, wo morgen unser Bus nach Puyuhuapi abfährt und erkundigen uns im Tourismus-Büro, ob es eine (zeitlich) alternative Verbindung gäbe. Sie haben dort aber ebenso wenig Ahnung wie wir!
    Martin sieht dann einen Bus der Firma „TerraAustral“ mit dem Schild „Chaitén“ stehen und fragt den Fahrer, ob und wann es morgen eine Verbindung gebe. Um 10:15 Uhr meint dieser. Später bestätigt uns die Firma per Telefon, dass er um 10:00 Uhr losfährt. Na ja, fast dasselbe :-)

    Wir machen nun die üblichen Einkäufe für Salat, Brot und Käse mit einer Dose Bier und schlendern nun doch zufrieden mit dem Tag zu unserer Unterkunft, die gleichzeitig Postamt, kleine Getränkehandlung und noch kleinere Papeterie ist. Entgegen den europäischen Gepflogenheiten wird hier im Ort keine Post ausgetragen. „Postlagernd“ ist das Motto und jeder, der Post erwartet, kann sie hier abholen. Woher der Empfänger weiss, dass etwas für ihn gekommen ist? Wir vermuten, dass Gabriel ihn per WhatsApp informiert. Aber genau wissen wir es nicht!
    Obwohl es seit unserer Ankunft nicht mehr geregnet hat, ist uns kalt. Zum Glück ziert ein alter Holzherd die grosse Küche! Wir befeuern ihn und beschliessen den Abend bei Kaffee und Keksen.
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