Satellite
Show on map
  • Day 26

    Auf der Carretera Austral nach Puyuhuapi

    February 10, 2023 in Chile ⋅ ☁️ 14 °C

    Puyuhuapi, Freitag, 10. Februar 2023

    Gestern war es noch eine Frage, ob wir heute den Bus um 10 Uhr nehmen sollen oder lieber jenen um 16:30 Uhr. Wir haben die Wahl, denn eine Reservierung und damit fixe Buchung (und Bezahlung) ist hier in Patagonien nicht üblich. Die meisten Touristen reisen mit dem Auto an; ganz Verwegene mit dem Fahrrad und die wenigen (meist jungen) Rucksacktouristen passen auch ohne Reservierung in den Bus.
    Wir machen die Entscheidung bezüglich der Abfahrtszeit vom Wetter abhängig und stellen zur Sicherheit den Wecker.
    Nachdem es in der Nacht mehrfach wie aus Kübeln geschüttet hat, scheint die Wahl klar: Hier bleiben wir nicht länger! Aber dann zeigt sich das Wetter mit viel blauem Himmel und lauer Temperatur wieder von seiner besten Seite. Wer die Wahl hat…! Wir beschliessen jedoch - vor allem aus logistischen Gründen - den früheren Bus zu nehmen. Zum einen sieht man tagsüber mehr (Die Reise dauert 4 Stunden.), zum anderen haben wir am neuen Ort dann mehr Zeit, um unsere Körper und die Wäsche in einer etwas komfortableren Unterkunft als in Chaitén auf Vordermann und -frau zu bringen.

    Die Fahrt führt zuerst durch hügelige Landschaft mit lichtem Waldbestand, links die Berge der südlichen Prekordillere. Bald kommen wir aber etwas mehr von der Küste weg und links und rechts erheben sich Schneeberge, zum Teil mit mächtigen Gletschern. An vielen Orten gibt es ausgeschilderte Aussichtspunkte (miradores), aber wir brausen im Bus leider vorbei und müssen uns mit den kurzen Blicken, die wir erhaschen können, begnügen.

    Ungefähr in der Mitte der Strecke, bei einem sogenannten „Food Truck“ (auf Deutsch: bei einer Imbissbude) an der Landstrasse, gibt es den einzigen Zwischenhalt. Einige Fahrgäste und der Busfahren kaufen sich etwas zu essen und zu trinken und Regine ist sooooo froh, dass endlich eine Pinkelpause möglich ist. Jedem das Seine:-)
    Die Bedienung musste allerdings zuerst aus dem naheliegenden Bauernhof hergerufen werden. So viel, dass es sich lohnen würde, immer in der Imbissbude zu stehen, ist hier also doch nicht los.
    Martin fragt die Frau, die „Mote con Huesillo“ und Sandwiches hervorzaubert, ob so eine Ladung Buspassagiere das Tagesgeschäft ausmachen würde. Die Frau bejaht lachend, fragt nach unseren Reisezielen und wünscht uns alles Gute: „Que le vaya bien!“, wie der standardmässige Abschiedsgruss in Chile lautet. „Lassen Sie es sich gut gehen!“ oder „Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit!“

    Nachdem dann in La Junta, einem Kaff mit viel Tourismus, noch eine kurze Pause mit offizieller Einladung zu Erleichterung der Blase auf Spanisch und Englisch (!) eingeschoben wird, geht es flott die letzten 45 km nach Puerto Puyuhuapi, das - wie der Name sagt - zwar gut versteckt in einer langgezogenen Bucht, aber doch am Pazifik liegt.
    In diesem Touristenort haben wir im Hostal „Ventisquero“ (Das heisst „Gletscher“ auf Chilenisch.) zwei Nächte gebucht, weil wir auf Regines eindringlichen Wunsch hier die nahegelegenen Thermen besuchen wollen. Die anderen (viel gerühmten) bei Temuco haben wir zu Regines Leidwesen ja versäumt (was sie noch immer bedauert).
    Martin wäscht in unserer komfortablen Bleibe (grosses Zimmer mit Bad) seinen gesamten Vorrat an Kleidung und Regine freut sich über die Dusche mit heissem Wasser! Bis auf die (hier wie wohl überall in Chile auf dem Lande) bellenden Hunde werden wir es sicher schön haben.
    Uns ist aufgefallen, dass es auch hier viele deutsche Namen hat. Die Hauptstrasse heisst „Avenida Otto Uebel“, die Schule „Hamburgo“ und eine Wollteppichfabrik „Hopperdietzel“, die Helmut Bernhard Hopperdietzel Flack, der Neffe des Gründers, leitet.
    Der Grund für so viel Deutsch liegt darin, dass vier junge Sudetendeutsche 1935 aus Angst vor einem Zweiten Weltkrieg nach Chile kamen, um zu klären, ob man hier - wie versprochen - Einwanderern tatsächlich Land schenken würde. Die Suche nach einem geeigneten Ort dauerte drei Jahre und 1938 war Böhmen bereits besetzt, so dass die anderen Personen, die nachreisen wollten, nicht mehr weg konnten.
    Die vier jungen Männer blieben in Puyuhuapi und bauten mit Hilfe der einheimischen Bevölkerung Häuser und eine kleine Industrie auf. Das Haus von Otto Übel war zudem mit drei Stockwerken über lange Zeit das höchste Gebäude in der ganzen Region von Aysén.

    Wir machen bei stark bedecktem Himmel und teilweise leichtem Regen einen Spaziergang durch das Nest, bevor wir im Anschluss daran das Abendessen vorbereiten. In der Küche lernen wir Hans und Erika aus Holland kennen, die mit ihren Motorrädern seit April 2022 auf der Panamericana von Alaska aus unterwegs nach Ushuaia sind; ein nettes Paar, das viel zu erzählen hat.
    Read more