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  • Day 32

    Puerto Tranquilo, Donnerstag, 16. Februar 2023

    Es hat draussen 0 Grad (und im über Nacht ausgekühlten Schlafzimmer des kaum isolierten Holzhauses nicht viel mehr!!), als wir um 8 Uhr aufstehen, um unsere Habseligkeiten in die Rucksäcke zu packen.
    Ein schneller Kaffee und wir marschieren ins Dorf, wo der Bus um 10 Uhr abfährt. Aber (wie so oft) wissen wir nicht genau, wo…
    Zum Glück sind wir etwas früher unterwegs und sehen, dass der Bus an uns vorbeifährt und hält - nur einfach nicht dort, wo wir ihn erwartet hätten :-)
    Alle Sitzplätze sind belegt und wir sind froh, dass wir in Coyhaique rechtzeitig reserviert haben. Andere Touristen, die spontan mitfahren möchten (wie Marin und Clémence aus der Ardèche, die wir nun schon zum dritten Mal auf unserer Strecke treffen), haben hingegen Pech und müssen vermutlich per Anhalter reisen. Wenn man etwas Geduld mitbringt, ist das hier kein Problem: Die Chilenen sind es gewohnt, Fahrgäste mitzunehmen - manchmal aber nur hinten auf der Ladefläche des Pick-ups. Nur gelenkig und etwas sportlich sollte man sein, denn zum Hochkommen fehlt die Leiter!

    Noch vor 10 Uhr geht es schon los: Der Fahrer hat mit einem Blick gesehen, dass alle Plätze besetzt sind, folglich müssten auch alle Fahrgäste eingestiegen sind. Wieso sollte er noch länger warten…? Auch auf die namentliche Kontrolle verzichtet er - ganz im Gegensatz zu den Chauffeuren in Argentinien. Andere Länder, andere Sitten!
    Zuerst fahren wir auf der breiten, asphaltierten Carretera Austral (die offiziell „Ruta 7 Sur“ heisst), dem Rio Ibañez entlang Richtung Südosten. Nach knapp 20 Kilometern Fahrt ist aber Schluss mit lustig und mit gemütlicher Fahrt: Hier beginnt einer der berüchtigten Abschnitte, welche die Chilenen „ripio“ nennen, also Schotterstrasse. Und die hat es in sich!
    Meistens hat es mehr Schlaglöcher als unversehrten Belag, was unseren Fahrer aber nicht dazu veranlasst, das Tempo zu drosseln.
    Er jongliert den Bus in wildem Zickzack zwischen den Löchern hindurch und benutzt dazu - falls nötig - auch die linke Fahrbahn. Nur bei ganz grossen Lücken, die nicht umfahren werden können, tritt er abrupt auf die Bremse - wohl damit das Fahrzeug keinen Achsbruch erleidet!
    Der Wagen ist ohnehin schon gehörig malträtiert und auch die Windschutzscheibe ist von zig Rissen durchzogen, vermutlich eine Folge des Steinschlags durch andere Fahrzeuge.
    So geht es die restlichen 100 km weiter und nur die prächtige Landschaft mit wild reissenden Flüssen, grossen Sumpfgebieten, Wäldern, die sich die Steilhänge hochziehen und immer wieder Ausblicke auf majestätisch wirkende Schneeberge entschädigen uns für das Durchgeschütteltwerden.
    Unser Gepäck haben wir oben auf der Ablage gut verstaut, denn alles, was nicht niet- und nagelfest ist, fällt früher oder später herunter.
    Die Carretera Austral ist eine 1240 km lange Strasse, die durch den nördlichen Teil des chilenischen Patagonien führt und bis 1982 vollkommen unbefestigt war. Heute fehlen noch etwa 180 km Asphalt. Sie gilt als die schönste Fernstrasse der Welt und verbindet ihren nördlichsten Punkt, Puerto Montt (im chilenischen Seendistrikt), und ihren südlichsten Punkt, Villa O*Higgins (in der Region Aysén). Sie erstreckt sich über ein Gebiet, das im Osten durch die Anden von Argentinien getrennt und im Westen durch die engen Fjorde und Kanäle des Pazifiks begrenzt ist. Die Ruta 7 Sur ist nach wie vor die einzige Strasse, die Puerto Montt mit den abgelegenen Regionen Patagoniens verbindet. Diese Gegend gehört zu den am wenigstes bewohnten in Chile; im Durchschnitt lebt hier weniger als eine Person pro Quadratkilometer.
    Die Carretera Austral ist auch Teil der „Ruta de los Parques“, einer Initiative, die sich über 2735 Kiloeter von Puerto Montt bis zur äussersten Spitze Patagoniens am Kap Horn erstreckt und 17 chilenische Nationalparks zusammenführt.
    Hier sind wir nun also unterwegs und mit Sicherheit können wir beim Thema „Schnelles Fahren auf Schotterstrassen“ nun mitreden!

    Endlich sehen wir an der Mündung des mächtigen Rio Murta den Lago General Carrera, der mit 1850 Quadratkilometer mehr als dreimal so gross ist wie der Bodensee und angeblich der grösste See Chiles sein soll (den argentinischen Anteil des Sees nicht mit eingerechnet.) Er hat eine unglaubliche Farbe zwischen Blau und Türkis. Am Horizont ragen die ersten Gipfel Südpatagoniens auf. Ein umwerfender Eindruck!
    Nach drei Stunden Schüttelbus kommen wir in Puerto Tranquilo an, das seinen Namen vom Flüsschen am Ort hat und nicht von seiner Verschlafenheit - wobei wir später feststellen, dass es trotz der vielen Touristen hier sehr gemächlich zugeht.
    Es ist ein friedlicher Ort, der zwar ganz auf den Tourismus ausgerichtet ist, aber noch keine Zeichen europäischer Exzesse aufweist. Wir frotzeln, dass dies ja nur daran liegt, dass die Chilenen wenig geschäftstüchtig sind. Jede Medaille hat zwei Seiten :-)
    Das kleine Dorf hat viel Charme und mit seiner Lage direkt am See natürlich grosse Anziehungskraft. Das zeigt sich unter anderem an den am Strand aufgereihten Wohnmobilen, die aus allen Herren Ländern (unter anderem auch aus Deutschland) stammen.

    Jetzt machen wir uns daran, die Ausflüge für die kommenden Tage zu organisieren: Ein Muss ist die „Marmorkathedrale“, eine geologische Spezialität ganz in der Nähe, aber im See befindlich und darum nur per Boot erreichbar. Wir buchen für morgen, Freitag.
    Eine weitere Sehenswürdigkeit ist der Nationalpark San Rafael, aber dafür fährt man lange und die Tour kostet gegen 200 Euro pro Person (den Eintritt in den Park nicht mitgerechnet). Das erscheint uns dann doch ein wenig viel und wir planen folgende Variante: mit dem Auto nur bis zum Eingang des näher liegenden „Glaciar Exploradores“ zu fahren und dort auf eigene Faust den Weg bis zur Gletscherzunge zu wandern. Aber wir haben ja kein Auto!
    Die hilfsbereite junge Frau, bei welcher wir die Fahrt zur Marmorkathedrale buchen, gibt uns verschiedene Kontakte an und wir versuchen alles, um auf eigene Faust etwas zu organisieren, kommen aber auf keinen grünen Zweig. Ein einziges Angebot über 80000 Peso (95 Euro) nur für die Fahrt schlagen wir aus.

    Wir machen noch einen Spaziergang dem Rio Tranquilo entlang und kaufen Lebensmittel ein. Dann geht es zurück ins Hostal „La Gilberta“, wo wir ein Zimmer mit drei Betten, jedoch mit gemeinsamem Bad mit einem Nachbarzimmer belegen. Wir sind aber angesichts der immer weiter steigenden Preise schon froh, überhaupt eine Bleibe zu einem vernünftigen Preis gefunden zu haben…
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