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  • Day 20

    Im Gegenwind hinauf zur Laguna Margot

    March 11, 2023 in Argentina ⋅ ☀️ 12 °C

    Ushuaia, Samstag, 11. März 2023

    Unser letzter Tag in Ushuaia.
    Auf der einen Seite werden wir die schöne Landschaft, die Schneeberge und Gletscher, die vielen Seen und unberührten Wälder sicher vermissen. Anderseits haben wir in den letzten Tagen immer mal wieder auf die Temperatur in Buenos Aires (heute: 34 Grad!) geschaut und freuen uns, dem eisigen Wind, dem Regen und der herbstlichen Kühle im Süden Patagoniens (heute: 8 Grad) wieder entfliehen zu können.
    Immerhin trotzen wir dem unwirtlichen Wetter schon seit der Überfahrt von der Halbinsel Chiloé nach Quellón - mehr als vier Wochen!
    Aber heute wollen wir es nochmals wissen und machen mit Manuel aus, gemeinsam zur Laguna Margot unterhalb des Margot-Gletschers zu wandern.
    Martin findet auf Wikiloc auch entsprechende Routen und hat diese zudem in einer seiner Navigations-Apps auf dem Smartphone gespeichert, so dass wir jederzeit wissen, wo wir sind und was uns noch bevorsteht.
    Wir holen Manuel mit dem Taxi in seinem Hostal ab und lassen uns dann zum Beginn des Weges im höher gelegenen Aussenbezirk „Mirador del Beagle“ chauffieren. So wandert man hier! Immerhin haben wir auf diese Weise schon hundert Höhenmeter ohne jegliche Anstrengung überwunden:-)!
    Gleich zu Beginn - mit Verlassen der letzten Häuser - schliesst sich uns ein weisser Hirtenhund an; vermutlich, weil Manuel als Hundefreund ihn mit einem Würstchen füttert! Das Tier trägt kein Halsband, wirkt aber nicht verwahrlost, ist wohlgenährt und bringt uns als seine „Schafherde“ sicher ans Ziel und auch wieder zurück.
    Der Aufstieg führt zuerst mit sanfter Steigung durch einen lichten Wald von schlanken Lenga-Bäumen. Links und rechts erblicken wir einzelne zusammengezimmerte Holzhäuser, die hier nur stehen, weil in Argentinien (laut Manuel) jeder auf seinem Grundstück bauen darf, was er will. Die Häuser haben aber weder Anschluss an Wasser, Abwasser, Elektrizität oder Gas und wir wissen nicht, wie sich die Bewohner das Leben organisieren. Allerdings stellen wir fest, dass wir hier - mitten im Nirgendwo - Netz haben und WhatsApp-Nachrichten empfangen können!
    Der Weg steigt an und führt teilweise durch Bachbette und Sumpfgebiete. Es geht immer steiler bergauf und der Wald lichtet sich zusehends. Auf circa 600 m gelangen wir an die Baumgrenze und zu einem Aussichtspunkt hoch oben über Ushuaia, der uns bei klarer Sicht auch einen guten Blick über den Beagle-Kanal und hinüber zur (chilenischen) Insel Navarino ermöglicht.
    Noch ist aber weit und breit keine Lagune in Sicht und wir wandern einer Moräne entlang weiter hoch. Während es im Wald fast windstill war, empfängt uns hier eine steife Brise und die Sonne verschwindet immer wieder hinter den aufziehenden Wolken, die jetzt die nahen Berggipfel umhüllen.
    Bald treffen uns immer häufiger richtig heftige Windböen und wir müssen gehörig aufpassen, beim Gehen nicht umgeblasen zu werden. Vor allem Regine hat als „Leichtgewicht“ und kleine Person wesentlich mehr Mühe als Martin und Manuel.
    Je höher wir steigen, desto stärker wird der eiskalte Wind, der hier - nicht wie von uns angenommen aus Süden! - aus dem Norden bläst und sich im Campo de Hielo Sur (Südliches Eisfeld) in 500 km Entfernung bildet.
    Nach weiteren 45 Minuten erreichen wir mit Ach und Krach eine Anhöhe, von der wir die Lagune und den Gletscher erblicken, beides keine Augenweiden: Die Lagune ist klein, das Wasser dunkel und es schimmert nur bei Sonneneinstrahlung ein wenig grün. Zu unserer Enttäuschung ist der See nicht von Schnee umbgeben, sondern nur von einer Steinwüste, denn der Margot-Gletscher ist fast vollständig von Geröll überdeckt und das Eis darunter können wir nur erahnen. Schade!
    Und vor allem bläst es hier so stark, dass wir mitsamt dem Hund Schutz in einem aus Steinen gebauten Unterstand (ohne Dach) suchen. Dort packen wir unseren mageren Proviant aus - Manuel füttert erneut vor allem den Hund :-) - und versuchen niederkauernd vergeblich, uns einigermassen warm zu halten. Manuel macht sogar noch einen Abstecher zur nächsten Anhöhe; der Hund begleitet ihn. Zurück kommt er mit der erhellenden Nachricht, dass es dort nichts als Geröll zu sehen gibt, es noch kräftiger bläst und die Sicht auf Ushuaia, den Beagle-Kanal und die gegenüberliegende Isla Navarino genau die gleiche ist wie die von unserem Standort.
    Deshalb beschliessen wir, unverzüglich den Abstieg zu beginnen, um dem heftigen Wind so schnell wie möglich zu entkommen. Wir begegnen dabei einigen Unentwegten, die trotz mangelhafter Kleidung und unseren eindringlichen Warnungen weiter aufsteigen. Nur ein marokkanischer Tourist in Jogginghose und ohne Jacke (!) lässt sich von uns zur Umkehr bewegen…
    Hinunter geht es natürlich schneller als hinauf, aber auf dem ersten Kilometer müssen wir erneut gut aufpassen, dass uns der Rückenwind nicht vom schmalen Weg bläst. Wieder im Wald beruhigt sich die Situation schnell und wir sind - nach fast drei Stunden Aufstieg - in einer guten Stunde wieder unten.
    Jetzt heisst es noch, ein Taxi zu rufen und „unseren“ Hund, den wir alle mittlerweile ins Herz geschlossen haben, zurückzulassen. Manuel befragt dazu die Nachbarschaft und findet heraus, dass der Hund irgendjemandem in der Nähe gehört; er ist auf jeden Fall bekannt hier.
    Beruhigt steigen wir ins Taxi, das uns zurück in die Zivilisation bringt. An unserer Unterkunft verabschieden wir uns von Manuel, der im Taxi sitzen bleibt und zum anderen Ende der Stadt gebracht wird. Wir sind gespannt, ob wir ihn in Europa irgendwann einmal wiedersehen werden. Madrid ist ja - angesichts der Dimensionen in Argentinien - nur einen Katzensprung von uns entfernt.
    Zu Hause bereiten wir das Abendessen und die Sandwiches für die morgige Reise vor,
    Ursprünglich hatten wir geplant, über die Atlantikküste mit dem Bus in Richtung Norden zu fahren. Nach eingehender Recherche haben wir diese Möglichkeit jedoch verworfen, da es gute 2000 km nichts anderes hätte zu sehen gegeben als Steppe. Das müssen wir uns nicht antun!
    So fliegen wir nun morgen um 9:15 Uhr von Ushuaia nach Buenos Aires! Aus der Kälte in die Hitze! Die Porteños (Einwohner von Buenos Aires) machen es umgekehrt: Neue Mitbewohner in unserem Hostal sind heute der Hitze entflohen und suchen - nach mehreren Monaten hoher Temperaturen nun die Kühle Patagoniens.
    Alles ist - wie immer - eine Frage des Blickwinkels!
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