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  • Day 8

    In der Favela Rocinha - muito perigoso!

    April 2, 2023 in Brazil ⋅ ☁️ 24 °C

    Rio de Janeiro, Sonntag, 2. April 2023

    Für heute hat uns Regine beim Touranbieter „GetYourGuide“ einen Ausflug in eines der „Elendsquartiere“ von Rio, die Favela Rocinha, organisiert. Weil dieser erst um 13:20 Uhr beginnt, können wir sogar ausschlafen und vorher noch eine Weile (allerdings für Regine noch zu wenig :-) durch den grossen sonntäglichen Gemüsemarkt spazieren, dessen Händler die Waren direkt vor unserem Haus über die gesamte Strassenlänge anbieten.
    Wir fahren mit der Metro ab „Gloria“ fünf Stationen bis zu „Cardeal Arcoverde“ und spazieren zum Hotel „Copacabana Palace“, dem traditionsreichen Luxus-Hotel, das als Treffpunkt für die heutige Tour angegeben ist.
    Da wir etwas zu früh dran sind, schauen wir uns vom Strand aus die gewaltigen Wellen an, die in die Bucht hereinbrechen. Das ist wohl das Resultat des Sturmes, der in der Nacht Rio viel Regen gebracht hat!
    Mit leichter Verspätung erscheint unser Guide namens Mike (?), den wir zuerst für einen waschechten Carioca halten. Er ist aber Tansanier und lebt seit 29 Jahren in Brasilien - allerdings mit einer 5-jährigen Unterbrechung in Nordeuropa.
    Nach einigem Warten auf eine Teilnehmerin (die dann aber gar nicht erscheint!), geht es los. Wir sind - im Gegensatz zu anderen Wartenden am selben Ort - eine ganz kleine Gruppe: David aus Hamburg (der jetzt in Göteborg als Deutschlehrer arbeitet und eine Woche Osterferien hat), zwei junge Traveller aus Maastricht (Holland) und wir.
    Schon zu Beginn tut Mike sehr geheimnisvoll und erzählt (auf Englisch; wir hatten zwar eine Führung auf Spanisch gebucht, aber wir haken nicht nach. Zudem sprechen die anderen Teilnehmer kein Spanisch.), dass Rocinha von der Mafia regiert werde (was wohl stimmt), und dass wir jetzt in einem von der Mafia betriebenen Busse dort hinfahren würden. Aber der Minibus, in den wir einsteigen, ist ein offizielles Verkehrsmittel und hält an (fast) jeder Ecke, um weitere Fahrgäste aufzunehmen. Am Ende sind es über 30 und wir fragen uns, ob das wohl erlaubt ist!
    Nach einer langen und holprigen Fahrt kommen wir offenbar am Eingang der Favela Rocinha an. Der Übergang vom reichen Stadtviertel Leblon ist tatsächlich drastisch: Es geht durch eine Art Regenwaldgebiet an grosszügigen Landhäusern vorbei steil den Hügel hinauf und abrupt beginnen tausende von improvisierten Backsteinhütten, die wie an den Hang geklebt scheinen.
    Wir verzichten hier auf eine detaillierte Erklärung dieser grössten Favela Brasiliens und verweisen auf einen ausführlichen Wikipedia-Eintrag zur Geschichte und den Problemen dieses Elendsviertels.
    Jetzt steigen wir aus, denn den Rest werden wir mutig zu Fuss machen. Was sofort auffällt, ist die Dichte der Bevölkerung: Hier leben auf vier Quadratkilometern geschätzte 250.000 Bewohner. Da das Gebiet nicht vom Staat kontrolliert wird, kennt niemand die genaue Zahl.
    Zuerst „klettern“ wir steil empor und müssen immer wieder den vorbeipreschenden Motorrädern ausweichen: Das sind hier die lokalen Taxis.
    Mike weist uns auf das Kabelgewirr in den Strassen hin; die Kabelstränge wuchern wirklich wie Lianen, jedoch sind wir Ähnliches aus Argentinien und zum Teil sogar aus Spanien durchaus gewohnt.
    Unser Guide scheint hier sprichwörtlich jeden zu kennen und verteilt hie und da (allerdings relativ diskret) „Trinkgelder“ an Leute, die er freudig grüsst. Uns erlaubt er, alles zu fotografieren, denn seine Organisation hat eine Abmachung mit der hiesigen Mafia. Nur manchmal dürfen wir auf keinen Fall auf den Auslöser drücken - wollen wir nicht das Schicksal eines Franzosen erleiden, der infolge Nichtbeachtung des Hinweises verprügelt wurde. Dass er ins Krankenhaus eingeliefert und sein Smartphone zertreten wurde, dies fügt Mike mit erhobener Stimme noch hinzu. Es fehlt nur noch der erhobene Zeigefinger! Also: „No pictures!“
    Ganz so gefährlich wirkt das Ganze auf uns allerdings nicht und wir sehen auch nur einmal einen Bewohner als Wache mit einem Maschinengewehr im Anschlag - laut Mike um Drogen zu bewachen…
    Bald sind wir am höchsten Punkt der Favela angelangt, dem „Restaurante Terraço Novo“, von wo man einen prächtigen Blick auf (fast) ganz Rio hat. In dieser Stadt wohnen die Reichen unten und die Armen oben! :-)
    Nun geht es bergab bis zum anderen Ende des Elendsviertels und wir schlängeln uns durch enge Gassen und steile Treppen hinunter und folgen Mike, der immer wieder Leute per Handschlag grüsst, ein kleines Schwätzchen hält und da und dort ein paar Scheine liegen lässt.
    Auffallend ist, dass auch die engsten Stellen für hiesige Verhältnisse sehr sauber sind und es vergleichsweise wenig Hundekot hat. (Da sind wir aus Argentinien Schlimmeres gewohnt!) In die Wohnungen selbst können wir ganz selten einen Blick hineinwerfen. Die Zimmer sind eng, recht dunkel, spartanisch eingerichtet; dann und wann ziert ein Blumenstock den vergitterten Hauseingang. Aber unsere Vorstellung reicht aus, um zu erahnen, wie die Menschen hier leben. Immerhin gibt es fliessendes Wasser und Strom, wenngleich dieser (wie auch das Internet - laut Mike) „angezapft“ ist und damit vermutlich nicht bezahlt wird. Wir fragen nicht weiter.
    Nach einem halbstündigen Marsch kommen wir unten an und werden in einen komfortablen 9-Sitzer-Minibus des organisierenden Unternehmens verfrachtet, während Mike direkt hier die Metro nach Hause nimmt - wie er sagt.
    An der Copacabana steigen wir aus und geniessen nochmals den Anblick der tosenden Brandung, bevor wir mit der Metro nach Hause fahren. Beim Aussteigen hören wir Musik und sehen, dass im nahegelegenen Park ein Fest mit vielen Essständen stattfindet. Regine hat Lust, etwas zu essen und zu trinken und so kaufen wir ein Sandwich mit gebratener Wurst und Zwiebeln und gönnen uns eine waschechte Caipirinha (mit Cahchaça, nicht mit Wodka!).
    Danach folgt noch ein kurzer Einkauf für die Sandwiches morgen (denn wir wollen beim 7-Stunden-Ausflug ja nicht hungern) und gehen dann zur Unterkunft. Morgen müssen wir früh aufstehen, werden aber dank Regines Organisation um 07:45 Uhr direkt vor der Haustüre von einem Fahrer der Agentur Civitatis abgeholt.
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