Satellite
  • Day 247

    Lost in Translation

    July 1, 2017 in Japan ⋅ ⛅ 29 °C

    "Galapagos Syndrom" ist ein in Japan gewöhnlicher Terminus, der die (aufgrund der Lage) isolierte Entwicklung mancher technologischer Bereiche des Inselstaates beschreibt. Es stammt ursprünglich aus dem Handy-Sektor, da die Japaner jahrelang eigene, sehr weit fortgeschrittene Standards entwickelten, die aber nicht kompatibel zum Rest der Welt waren. Der Ausdruck lässt sich aber nicht nur in technologischer, sondern auch in sozialer Hinsicht nutzen: die Japaner ticken einfach anders als alle anderen. Und das macht das Land so unglaublich spannend.

    In Kyoto wohnten wir für vier Tage in einem AirBnB-Rentalhouse am südlichen Rand der Stadt, um so tief wie möglich in den japanischen "Everyday-life" einzutauchen. Eine japanische Wohnung mit den hier üblichen Räumlichkeiten (...und traditionellem Badezuber, Kathrins Bade-Foto kennt ihr ja schon) kann für Europäer schon sehr befremdlich wirken; wir schliefen auf Futon-Matrazen auf dem Boden (außer einem Licht und einer Klimaanlage befand sich nichts im Schlafzimmer) und aßen auf 20cm hohen Tischchen im knien. Seitdem wir hier wohnen, verstehen wir auch, warum die Japaner Hausschuhe im Flugzeug tragen. Der Japaner hat nämlich einen ausgeprägten Hang zur Hygiene, und unterscheidet strikt zwischen sauberen und unsauberen Bereichen um ihn herum. Aus diesem Grund wird auch keine private Wohnung mit Straßenschuhen betreten, sondern nur mit Hausschuhen, da die Straße unrein ist. Aus dem gleichen Grund wird auch die "unreine" Toilette nicht mit Hausschuhen betreten, dafür gibt es eigene Toilettenschuhe. Zur japanischen Toilette selbst brauchen wir wohl nichts zu schreiben, die meisten werden es ja schon mitbekommen haben, dass die hiesigen "Washlets" wenig mit unseren Kackschüsseln (sorry, aber im Vergleich zu hier sind das wirklich welche) gemein haben. Vielleicht nur so viel: es gibt sie in verschiedenen Ausführungen, von recht einfach mit Sitzheizung und nur einer Reinigungsdüse bis sehr komplex, mit künstlichen Spülgeräuschen, integriertem Handwaschbecken, Luftabzugsvorrichtung, Massagefunktion, und noch vieles mehr. Unsere im Haus war geschätztes gutes Mittelfeld; Kathrin meinte aber, dass man auch mit ihr viel Spaß haben kann! (Washlets sind übrigens auch ein gutes Beispiel für das Galapagos-Syndrom).

    Zusätzlich zu den genannten soziokulturellen Unterschieden kommt hinzu, dass wir die Schriftzeichen nicht lesen können. Touristisch frequentierte Orte führen meistens noch englische Übersetzungen mit sich, aber Lebensmittel im Supermarkt tun dies nicht, und du kannst anhand des Aussehens und der Packungsabbildung nicht immer erkennen, um was es sich handelt... und finde hier mal einen Supermarkt-Mitarbeiter, der englisch spricht! Somit wird jeder Lebensmitteleinkauf zum wahren Abenteuer: was werde ich heute alles so mit nach Hause bringen? Gestern standen wir zum Beispiel ewig vor einem Behälter mit zähflüssigem Inhalt und konnten nicht feststellen, ob es sich um eine Fertigsuppe oder Babynahrung handelte. Heute mussten wir uns entscheiden zwischen Seife und Gebäck. Und die Frage "süß oder salzig?" stellt sich sowieso ständig.

    Leider war das Wetter in Kyoto während unseres Aufenthaltes mehr als durchwachsen (es goss die meiste Zeit), so dass unsere Lust, sich viel draußen aufzuhalten, eher mäßig war. Ein paar Sachen haben wir trotzdem anschauen können: einige der größeren Shintō-Schreine, die in Kyoto wirklich *überall* rumstehen (und wenn nicht Shintō, dann buddhistisch...oder beides? Das mit der Religion haben wir hier irgendwie noch nicht so richtig geschnallt) und das wirklich schöne Altstadtviertel mit den traditionellen Behausungen. Zusätzlich waren wir am letzten Tag etwas außerhalb, in den nordwestlichem Bergen bei Arashiyama, um den Bambuswald und die Affenkolonie auf einem nahen Berg anzusehen. Die Besichtigung der Affen ist nett, da sich diese zwischen den Besuchern frei bewegen können und nicht eingesperrt sind, aber viel cooler ist der Blick, den man auf die ganze Stadt hat.
    Read more