• Plünderer auf der Seidenstrasse

    24 августа 2024 г., Китай ⋅ ⛅ 27 °C

    Wer in Dunhuang einen Zwischenhalt auf seiner Reise macht, hat sicher die Mogao-Grotten im Visier. So auch wir. Früh morgens stand ein Bus bereit, der uns zu den weltberühmten Grotten hinaus fuhr. Die Mogao- Grotten gelten als die wichtigste Sammlung buddhistischer Kunst weltweit. In ihrer Blütezeit während der Tang-Dynastie (618-907) gab es hier 18 Klöster, über 1400 Mönche und Nonnen sowie unzählige Künstler, Übersetzer und Kalligrafen.
    Leider durften wir in den Höhlen nicht fotografieren. Diese waren unbeleuchtet. Eine Chinesin führte uns sehr sachverständig durch acht Grotten. Mit einer Taschenlampe ausgerüstet beleuchtete sie jeweils die Statuen und Wandbilder. Zu viel Licht schadet den natürlichen Farben, mit welchen die Künstler vor z.T. 1650 Jahren ihren Werken Leben eingehaucht haben. Besonders wertvoll galt blaue Farbe. Sie bestand aus Lapislazuli-Pigmenten. Auch Schnee, Regen und Sandstürme schaden den fantastischen Kunstwerken. Deshalb sind die Grotten nur bei schönem, windstillen Wetter geöffnet.
    Wie kam es überhaupt dazu, dass in einer so unwirtlichen Gegend Gebetshäuser entstanden:
    Reiche Händler und wichtige Amtsträger waren die Hauptgeldgeber für den Ausbau neuer Grotten, da die Karawanen auf der Seidenstrasse lange Umwege über die Flussoase Magao machten, um dort zu beten oder für eine sichere Reise durch das gefährliche Ödland im Westen zu danken. Als Entstehungsjahr der ersten Grotte wird das Jahr 366 n.Chr. genannt. Nach dem Zusammenbruch der Yuan-Dynastie wurden die Grotten für eine Zeit von etwa 500 Jahren nicht mehr genutzt und gerieten in Vergessenheit, bis sie im frühen 20. Jh. von einer Reihe ausländischer Forscher " wiederentdeckt" wurden.
    Im Jahr 1900 entdeckte der selbsternannte Wächter der Mogao-Grotten, Wang Yuanlu, eine verborgene Bibliothek mit über Siebzigtausend einwandfrei erhaltenen Manuskripten und Gemälden aus der Zeit 406 n.Chr.
    Allein die schiere Menge dieses Fundes ist kaum vorstellbar; in einer winzigen Höhle verstaut waren Texte in seltsamen zentralasiatischen Sprachen, Militärberichte, Notenblätter, Rezepturen, konfuzianische und taoistische Schriften sowie buddhistische Sutras, kopiert von den bekanntesten chinesischen Kalligrafen - und insbesondere das älteste gedruckte Buch überhaupt, das Diamant-Sutra von 868 n.Chr. Man hatte, kurz gesagt, einen unermesslichen Schatz von Originalquellen über die chinesische, zentralasiatische und buddhistische Geschichte gefunden.
    Die Nachricht von dem Fund verbreitete sich schnell, und Wang Yuanlu, der nun plötzlich der bekannteste Mensch in der Stadt war, wurde unter anderem von den rivalisierenden Archäologen Aurel Stein und Paul Pelliot umworben. Schliesslich gab Wang Yuanlu dem Druck nach, seinen Schatz zu verkaufen, und trennte sich von einem grossen Teil seines wertvollen Fundes. In dieser Zeit verkaufte er fast 20 000 Manuskripte von unschätzbarem Wert aus der Grotte für die lächerliche Summe von 220 britischen Pfunden nach Europa.
    Heute sind chinesische Intellektuelle verbittert über den " Diebstahl" aus den Grotten und werfen Stein, Pelliot und anderen vor, einen nationalen Schatz entwendet zu haben. Die Fürsprecher der Forscher betonen, hätte man sich nicht um die Funde gekümmert, wären sie während des Bürgerkriegs oder der Kulturrevolution verloren gegangen.
    Den Abend verbrachten wir in einer modern inszenierten Musical-Show. Der Inhalt der Geschichte bezog sich auf einen jungen Mann, der sein Leben als Musiker in den Magao-Grotten verbracht hatte. Mit bunten Bildern aus den Grotten auf riesige Leinwände übertragen, feenähnlichen, durch die Luft schwebenden lebendigen " Wesen", ziemlich lauter Musik und choreografisch eher schwachen Tanzeinlagen versuchten wir der Geschichte folgen zu können. Verwöhnt aus Xi'an traten wir etwas enttäuscht aus der Eventhalle hinaus. Ein Taxi führte uns anschliessend auf den Nachtmarkt in die Stadt zurück und liess uns nochmals ins turbulente Nachtleben von Dunhuang eintauchen.
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