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  • Day 84

    Die flinken Schneiderlein von Hoi An

    February 7, 2017 in Vietnam ⋅ ☀️ 28 °C

    Neuneinhalb (natürlich schlaflose) Stunden nördlich von Nha Trang fanden wir uns um 5:00 Uhr morgens in der Mitte Vietnams, genauer in Hoi An, wieder. Diesmal hatten wir leider Pech beim Versuch früher als gebucht einzuchecken - die Tore des Homestay blieben auch nach forschem Geklopfe vorerst geschlossen. So statteten wir einem nahegelegenen Cafe, das zu dieser unchristlichen Uhrzeit außer uns nur von Einheimischen (Nichtchristen, höhö) frequentiert wurde, einen Besuch ab. Stilecht südostasiatisch hofften wir auf den Miniaturplastikstühlen nicht einzubrechen, schlürften einen espressoartigen Cafe mit pomadenähnlicher (gesüßter) Kondensmilch und schauten dem Städtchen beim Aufwachen zu.

    Um halb sieben öffnete ein sehr verschlafener Homestay-Host nach Anruf dann doch noch früher als wohl üblich die Tore der Unterkunft. Anscheinend boten wir Schlafmangel-Zombies einen bedauernswerten Anblick, so dass wir, weil kein Zimmer zum Frühbezug vorhanden, erst mal in den Raum des Sohnemanns verfrachtet wurden, um uns dort noch ein paar Stunden lang zu machen. Mal wieder ein Paradebeispiel für hiesige Gastfreundschaft und gleichzeitig Eines für die uns irritierende Auffassung bzw. Inexistenz von Privatsphäre in Asien (der aushäusige Sohn wurde nämlich höchstwahrscheinlich nicht gefragt, ob zwei Westler in seinem Bett schlafen dürfen).

    Einigermaßen erholt (Schlaf fanden wir keinen in ständiger Erwartung des reinplatzenden Sohnes - eine unbestätigte Befürchtung) machten wir los in die wirklich sehenswerte Innenstadt Hoi Ans. Deren Altstadt ist nach westlichem Vorbild für Fahrzeuge unpassierbar - ein bisher einmaliges Erlebnis auf unserer Reise, da sich in allen sonstigen Städten durch jede noch so kleine Gasse ein Motorroller zwängt und die Hupkonzerte niemals ersterben! Außerdem sind die meisten Häuschen hier einstöckig und in jedem ein Geschäft. Gepaart mit kleinen Sträßchen, Lampionverzierung und keinerlei hässlichen, großflächigen Plastikreklameschildern (von denen in jeder anderen Innenstadt im Land jedes Geschäft mindestens fünf vor, an und um den Laden herum vorzuweisen hat) schlossen wir das schnuckelige Städtchen (obwohl sehr touristenüberlaufen) sofort ins Herz (Bild 1). Für mich bislang mit Luang Prabang die einzig besuchte Stadt in SOA, die nicht generisch-hässliche Betonretorte zur Hauptbauform erkoren hat und wirklich (in Reiseberichten so vielen Städten inflationär zugeschriebenes) 'Flair' besitzt.

    Hauptbusiness in Hoi An ist ganz klar die Schneiderei. Schneidern lassen kann man überall in SOA, aber nirgends hat man die Auswahl zwischen angeblich über 500 Schneidereien auf so engem Raum. Es reiht sich in der Altstadt ein Textilfabrikant an den Nächsten und buhlt um die Gunst der Kunden. Das nimmt teils lustige, teils abstruse Ausmaße an. So wurden wir z.B. von Schlepperinnen bei einer Eispause am Straßenrand angesprochen oder zum Frühstück beim Kauf eines Sandwiches auf den "best tailor in town" aufmerksam gemacht. Vom Hotelbesitzer bis zum Straßenhändler, einfach jeder kann einen Schneider empfehlen und preist einen "discount" an!

    Wir hatten uns natürlich vorab ausführlich mit dem Thema auseinandergesetzt und drei Optionen für die Kleidermaßanfertigung ausgemacht. Die beiden ersten steuerten wir eigentlich nur an, um ein Gefühl für Preise, Stoffe und den Verhandlungsspielraum zu bekommen. Nach (unter humoristischen Gesichtspunkten) außerordentlich aufschlussreichen Verhandlungsgesprächen in zwei der größten Betriebe der Stadt hatten wir ein Gefühl für Wucherpreise, miese Beratung und unterirdischen Kundenservice: wir wurden kurzmöglichst beraten, überhastet zum Abschluss des Geschäfts gedrängt und fast angeschrien als wir nach 15 Minuten die Gespräche unverrichteter Dinge abbrachen! So manches Tripadvisor-Rating ist uns mehr als schleierhaft. Dennoch eine gute Erfahrung, denn so wissen wir den (nicht nur demgegenüber) superben Service unseres schlussendlichen Wahlbetriebs - Mr. Xe - umso mehr zu schätzen. All das, was bei den Probeläufen schiefging, klappte hier perfekt! Angefangen bei ruhiger Beratung, über penible Notation unserer Wünsche, bis zum Verhandeln - hier funktionierte einfach alles entspannt, in unseren Augen höchst fachmännisch und mit herzlichster Freundlichkeit! In den folgenden Tagen und nach diversen 'Fittings' zerstreuten sich auch die letzten Zweifel betreffs Passform, Verarbeitung und Tragekomfort. Wir sind vollends zufrieden und ziehen den Hut vor Meister Xe und seinen fleißigen Bienchen - ich möchte es rein vom Erlebnis her nicht missen, von den Endergebnissen ganz zu schweigen! Diese werden allerdings nach Rückkehr (und hoffentlich unbeschadetem Transport) nur live und in Farbe präsentiert, daher hier keine Fotos vorweg! 😛

    Zwischen den Anproben bot Hoi An manch weitere Unterhaltung. So besuchten wir das ein oder andere Ahnenhaus, Versammlungshallen (wie z.B. die sogenannte Fujian-Halle in Bild 2; auch wenn das wenig mit einer Halle gemein hat), den in einer Brücke gelegenen Bac-De-Schrein (Bild 3) oder die schöne Flusspromenade (Bild 4 und Bild 5 bei Nacht). Weiteres Highlight war der sogenannte Teracotta-Park, in welchem Miniaturabbilder bekannter Monumentalbauten rund um den Globus sowie andere sehenswerte Töpferkunst ausgestellt sind (Bild 6).

    Insgesamt hat uns Hoi An (auch abseits des Schneiderabenteuers) rundum überzeugt und das trotz Touristenrummel und unserer sonstigen Abneigung größeren südostasiatischen Städten gegenüber!
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