Hasta los pingüinos

December 2017 - January 2018
A 20-day adventure by Paul Read more
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  • Day 13

    Zwischenfazit Patagonien

    January 7, 2018 in Argentina ⋅ ☀️ -8 °C

    Zwei Wochen sind rum, sie vergingen wie im Flug und trotzdem hat man schon Erlebnisse eines gefühlten halben Jahres angehäuft! Höchste Zeit also für ein kleines Zwischenfazit zu Land, Leuten und allem drumherum.

    Anfangen möchte ich bei der Sprache: ¡Entiendo un poco, pero no hablo español! Zumindest in Chile und im Norden Argentiniens war es gut mit jemandem zu reisen, der fließend Spanisch spricht, da man selbst manchmal nur Spanisch versteht und inglés-Kenntnisse bei der einheimischen Bevölkerung so gut wie nicht vorhanden sind. ¿Comprendes? Je weiter wir jedoch gen Feuerland vorstoßen, desto touristischer wird's und desto besser kommt man mit Englisch über die Runden.

    Preislich ist Patagonien selbst im Backpackingstyle nicht günstig zu erkunden. Zudem belasten hohe Abhebegebühren zumindest in Argentinien den Geldbeutel und nicht überall lässt sich mit Kreditkarte zahlen. So wendet man hier teilweise für die Nacht im Hostel mehr auf als in Südostasien für einen ganzen Tag! Auch sonst sind die Preise eher auf europäischem Niveau. Für uns heißt das vor allem selber kochen und wenig Luxus bei der Hostelauswahl. Teils dadurch bedingt ist auch die Internetqualität eher niedrig. In abgelegeneren Regionen gibt's auch keine Standleitung, sondern nur Zugang über Satellit, was naturgemäß - Wegstrecke in den Orbit und zurück - zu Verzögerungen führt und die Reiserecherche bzw. -dokumentation ziemlich erschwert.

    Ansonsten ist dieser Teil Südamerikas aber sehr gut entwickelt. Zivilleben, Stadtbild oder Organisationspolitik sind in etwa mit den Niveaus südeuropäischer Länder zu vergleichen. Auch die Fahrkünste hiesiger Kraftfahrzeugführer erinnern an die unserer Nachbarn im Süden der EU. Die Leute sind durchwachsen gelaunt, nicht unähnlich der Stimmung in Zentraleuropa. Mal lässt man die 'blancos' mit ihrem Unwissen auflaufen (siehe Bussystem in Bariloche), öfter jedoch wird bereitwillig geholfen.

    Im Reisealltag fällt stark die Unkreativität bei der Benennung von Städten, Straßen, Plätzen, Hostels, Landmarken oder ähnlichem auf: Quasi alles ist nach Nationalhelden wie Pedro de Valdivia, Bernado O'Higgins oder Perito Moreno tituliert! Falls doch mal die Natur selbst namensgebend war, kann man getrost seine Pesos auf die Worte 'Torre', 'Condóres' oder die Farbe der Sehenswürdigkeit setzen ('azul', 'verde', 'negro', 'blanco',...) - zu 95 % ein Teffer!

    Der 'originellen' Bennenung zum Trotz muss man festhalten, dass das riesige Gebiet landschaftlich schlichtweg überwältigend und in seiner Großartigkeit kaum in Worte zu fassen ist. Ich weiß, dass ich in den Footprints scheinbar nur in Superlativen berichte, aber es ist nun mal wirklich so beeindruckend! Ich freue mich tierisch auf zwei weitere Wochen dieser rauen Weiten.

    Neben dem Naturschauspiel sind es natürlich Reisebekanntschaften die in Erinnerung bleiben: sei es ein Medizinstudent aus Rotterdam, der mit nur geringsten Spanischkenntnissen in einem Krankenhaus in Santiago Praxiserfahrung sammelte, zwei Französinnen aus Lyon, die ein komplettes Jahr durch Argentinien, Chile und Brasilien touren oder zwei Israelinnen, welche hier das Ende ihres zweijährigen (!) Wehrdienstes feiern. Weiterhin ein Sydneyer, der gerade zu einem 23-tägigen Segeltörn auf einem Dreimaster durch die Antarktis aufbricht, für den er 6500 € Tourgebühr und drei Jahre Wartezeit in Kauf nahm oder ein amerikanisches Pärchen aus LA, welches in den Flitterwochen den Gegenwert eines Mittelklassewagens verprasst - mit ihnen allen hatten wir nette Gespräche, tauschten Tipps aus oder blödelten rum.

    Außerdem möchte ich meine neuentdeckte Begeisterung für die (Landschafts-)Fotografie erwähnen. Für ein gutes Bild sitze ich des Öfteren im Dreck oder strapaziere Chris' Geduld und Nerven. Die Aussage "ich hab das falsche Objektiv drauf" sowie das anschließende Kommando zur Unterstützung beim Wechsel derselben kann er wahrscheinlich schon nicht mehr hören...an dieser Stelle schonmal ein herzliches Dankeschön für die Assistenz! Ich hoffe, dass ich durch die Knipserei wenigstens ein bisschen von der Eindrücklichkeit Patagoniens transportieren und konservieren kann.

    So, nun aber Schluss mit dem pathetischen Geschmalze! Zur Unterhaltung ein paar Impressionen, die es nicht ganz in die zugehörigen Posts geschafft haben, bzw. der Blödsinn, der einem bei zu hohen Dosen Panorama in den Sinn kommt:
    (1) Planking/Superheldenimitation am 'Mirador de las Aguillas'
    (2) ägyptische Tanzeinlage am 'Cerro Campanario'
    (3) karge Zwischenmahlzeit auf 26-Stunden-Busfahrt
    (4) typisches Picknick zur Mittagszeit, hier auf 'Ruta cuarénta' entlang der 'siete Lagos'
    (5) Kochkunst im Hostel in El Chaltén
    (6) Stativaction auf dem 'Circutio Chico'
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  • Day 15

    Eisiger Abschied (Perito Moreno Glaciar)

    January 9, 2018 in Argentina ⋅ ☀️ 25 °C

    Von El Chaltén aus ging's wie immer per Bustransport zu unserem letzten Aufenthaltsort in Argentinien, in die kleine Stadt El Calafate. Der Ort selbst ist ziemlich uninteressant, jedoch Ausgangspunkt zu einem Must-See-Highlight einer jeden Patagonienreise: ca. 80 km entfernt, immer noch im Nationalpark 'Los Glaciares', liegt nämlich der Perito Moreno Gletscher. Ein Monstrum von Gletscher und Ausläufer des nach Grönland und Antarktis drittgrößten zusammenhängenden Eisfeldes der Erde - dem südpatagonischen Eisschild.

    Die Anreise und Besichtigung ist nicht wirklich günstig: nur für Hin- und Rücktransport sowie Parkeintritt zahlten wir ca. 50 € pro Nase. Wer mehr ausgeben möchte, kann auch eine Bootstour auf dem durch den Gletscher gespeisten 'Lago Argentino' oder eine kleine Begehung hinzubuchen. Uns reichte aber die Budgetvariante.

    Aus sicherer Entfernung der dem Eis gegenüberliegenden Magellan-Halbinsel kann man die wirklich immens große Gletscherzunge (1) von einem Holzstegesystem aus besichtigen (siehe auch die sehr eindrückliche Satellitenbildansicht auf der Karte). Das heißt aber leider auch, dass man in seinem Blick- und vor allem Fotografierwinkel extrem eingeschränkt ist, da die installierten Pfade nicht verlassen werden dürfen und man nie auf Seeniveau herunterkommt.

    Bei schwierigen Lichtbedingungen (Sonne schaffte es immer nur halbminütig durch die Wolkendecke) versuchte ich mein Bestes, um die gewaltige Abbruchkante (Bild 2, bis zu 70 m über Seeniveau), die verschiedenen Sedimentschichten (3) oder grandiose Blaufärbung von Bruchstücken im See (4) einzufangen. Der gesamte Gletscher präsentiert sich dabei wie ein riesiges, rumorendes Lebewesen: starke Rissbildung (5) und das teils wirklich lautes Knarzen geben Auskunft über die enormen Drücke und Spannungen unter denen das Eis steht. Etwa alle 15-30 Minuten kommt es zu einem Abgang größerer Eismassen (Kalben), welche mit gewaltiger Geräuschentwicklung in den See stürzen. So könnte man meinen, das Naturspektakel sei in ein paar Jahren Geschichte, da sich der Gletscher immer mehr auflöse, jedoch ist das Gegenteil der Fall: trotz Klimaerwärmung wächst der Gletscher stetig, kann so den Verlust ausgleichen und seine Gesamtmasse erhalten.

    Ein famoses Naturschaupiel und ein toller Schlusspunkt für unsere Tour durch den argentinischen Teil Patagoniens (Titelanspielung)! Abends verprassten wir noch die letzten argentinischen Pesos bei Rindersteak und Ossobuco, das einem auf der Zunge zerging - köstlich! Im nächsten Footprint geht's zurück nach Chile.
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  • Day 17

    Prolog/Das große Packen (Puerto Natales)

    January 11, 2018 in Chile ⋅ 🌬 22 °C

    Nach tollen, aber leider nur knapp zwölf Tagen haben wir Argentinien den Rücken gekehrt und sind back in Chile (sehr zur Freude von Chris, der seine südamerikanische Wahlheimat doch klar den Landen der komisch sprechenden Argentinier vorzieht)! Der Bus brachte uns zwar nicht pünktlich, aber doch wohlbehalten nach Puerto Natales. Mal wieder ein kleines Maleur zwischendurch: wir hingen nach Ausreise aus Argentinien zwei Stunden im Niemandsland fest, weil der chilenische Grenzposten mit einem Stromausfall zu kämpfen hatte (1&2). Einziger Lichtblick zwischendurch war ein kleiner Fuchs, der keinerlei Grenzkontrollen über sich ergehen lassen musste und unbescholten aus Chile spazierte (3).

    Aber wie gesagt, wir sind gut in Puerto Natales gelandet. Und hier heißt es: Die Bootcamps sind abgeschlossen, jetzt wird's ernst - Torres del Paine wartet! Der Nationalpark (im Folgenden einfach nur mit 'Torres' referenziert) wird uns die nächsten sieben Tage und sechs Nächte beherrbergen, der Höhepunkt unserer gemeinsamen Reise! Die Vorfreude ist immens, der Respekt vor der geplanten Route und den wechselhaften Witterungsbedingungen aber ebenso.

    Doch eigentlich müssen wir, um einen kleinen Eindruck über den betriebenen Planungsaufwand zu erhalten, nochmal ein halbes Jahr zurückspringen. Als ich mich nämlich an die Routenplanung für den Monat in Patagonien machte, fehlte für die Vielzahl der möglichen und gewünschten Besichtigungsstätten neben der Million auf dem Konto (für luxuriöse Unterkünfte und angenehme Inlandsflüge) vor allem Eines - Zeit! Also plante ich jede Aktivität so (Vorsicht neudt.) 'tight' wie möglich und erstellte eine sehr dicht gestaffelte Reiseroute (nicht ganz so schlimm wie asiatische Touren à la "europe in 5 days", aber doch durchaus auf Kante genäht). Wo immer sich Zeit einsparen ließ, sah ich das auch vor. So wurde die Gesamtaufenthaltszeit für den Torres von normalerweise acht bis neuntägiger Dauer auf nur sieben Tage eingedampft (am PC ein Leichtes, realiter nicht ganz so simpel, wie sich noch in kommenden Footprints herausstellen wird).

    So weit so gut, doch das Hauptproblem bei einem Besuch des Torres ist das Buchungssystem, über welches man die Zeltlager, in denen man übernachten will, vorreservieren muss. Dieses ist nämlich gelinde und im heimischen Dialekt ausgedrückt "a hundsverreggada Scheißndreg"! Kurz zusammengefasst: es dürfen erstens maximal nicht mehr als 80 Besucher pro Tag in den Park (Tagestouris ausgenommen) und zweitens existieren neben der chilenischen Naturschutzorganisation 'Conaf' noch zwei private Anbieter für Campgrounds innerhalb des Parks. D.h. der Ansturm auf die limitierten Plätze ist enorm, teils sind zur Hochsaison (Dezember bis Februar) schon Monate im Voraus keine Reservierungen mehr zu bekommen. Das komplett grenzdebile an dem Gesamtsystem ist jedoch die Tatsache, dass jede Organisation (Conaf, FantasticoSur und Vertice) eine eigene Buchungswebsite hat, was bedeutet, dass man bei jeder Organisation einzeln vorreservieren muss. Hinzu kommen Serverausfälle oder Wartungsarbeiten, teils nur unübersichtliche spenglische Beschreibungen (manchmal vier verschiedene Buchungsvaraianten: camping, platform, fullboard und refugio, wer soll da ohne Beschreibung durchblicken?!), meist horrende Preise (welches Genie kommt auch bitte auf die grandiose Idee einen Nationalpark teils durch private Betreiber zu managen?!), oft bereits ausgebuchte Camps für die gewünschten Termine sowie keinerlei Rückmeldungen ob die Reservierungen auch wirklich bestätigt sind. Schlichtweg ein totales Chaos und absoluter Albtraum für jeden halbwegs organisierten Planer. Obwohl wir den Prozess etwa sechs Monate vorher angestoßen hatten, haben wir erst nach einem vollen Quartal (!) Bescheid bekommen, dass unsere Route zu den Wunschterminen so halbwegs hinhaut und das auch nur auf mehrmalige telefonische Nachfrage - per Mail war nichts zu machen. Die erste (und wahrscheinlich sogar größte) Hürde war also genommen, hat aber schon ordentlich Nerven gekostet!

    Die eigentlichen Vorbereitungen mussten dann vor Ort erledigt werden. Zwar hatten wir uns bereits in diversen Blogs das Fachwissen zu Equipment, Ernährung und sonstigen Survivalskills angelesen, um aber noch mal auf Nummer sicher zu gehen, besuchten wir ein Tag vor Abreise ein kostenloses Vorbereitungsseminar, das von einem in Puerto Natales ansässigen Ausrüstungsverleih täglich angeboten wird (4). Es wurden Streckenabschnitte, Camping-Gear sowie Tipps rund um Essen, Verhaltensweisen und Wetter diskutiert. Wirklich viel Neues haben wir nicht erfahren, aber so wurden wir in unserer Planung nochmal bestätigt, quasi vom Expertengremium.

    Die restliche Tageszeit verwendeten wir darauf durch die Stadt zu tingeln und uns gebührend auszustaffieren. Es mussten Vorräte für eine Woche gekauft, mehrere Dinge ausgeliehen sowie die Rucksäcke so gewichtsparend wie möglich geschnürt werden. Die nicht benötigten Sachen lagerten wir im Hostel ein, das wir eine Woche später wieder aufsuchen würden.

    Nach Durchsicht des mitgeführten Krempels gab's einen kleinen Schock für mich: ich war tatsächlich dazu gezwungen in Südamerika Geld zu waschen! Allerdings weniger kriminell motiviert als wirklich wortwörtlich, da Sonnencreme ausgelaufen war und die mit in die Schutztüte gesteckte Münzsammlung an Devisen (€, $, Singapur $, argentinische und chilenische Pesos) gesäubert werden musste (5).

    Natürlich wollen wir der geneigten Leserschaft nicht vorenthalten, was wir so in den Torres mitschleppten. Auf Bild 6 findet sich ausgenommen Kleidung, Schlafsäcken und Fotoausrüstung so gut wie alles Mitgeführte: Zelt, Isomatten, Stöcke, Gaskartuschen, Kochset, Ramen-Instantnudeln, Instant-Kartoffelpüree, Couscous, Fertigsoßen, Chorizos, Studentenfutter, Trockenfrüchte, Snickers, Müsliriegel, Haferflocken, Kakaopulver, Toilettenpapier, Anti-Mückenspray, Zipbeutel und Notfalldrogenset (Ibuprofen und Aufputschwundermittel 'Tapsin'). Torres kann kommen!
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  • Day 18

    Nassleichter Start (Torres 1.Tag)

    January 12, 2018 in Chile ⋅ ⛅ 5 °C

    Um sechs Uhr morgens riss uns heute der Wecker mal wieder früh aus dem Schlaf. Und sofort schoss das Vorfreude-Adrenalin ein: es geht los, auf in den Torres del Paine! Beim Frühstück unterhielten wir uns mit einem österreichisch-amerikanischen Reisegespann (Ann und Tina), die ebenfalls heute in den Nationalpark aufbrachen und langten ordentlich beim Essen zu - ein letztes Mal kein Fertigfraß für eine komplette Woche.

    Die Busse verließen das Terminal um 7:30 Uhr (1) und ca. eineinhalb Stunden später fanden wir uns am Eingang zum Park wieder. Hier werden alle Touristen erstmal um 21000 chilenische Pesos (~30 Euronen) erleichtert und per Video sowie zu unterzeichnender eidesstattlicher Erklärung zur Kenntnisnahme auf das Regelwerk im Naturschutzgebiet aufmerksam gemacht: keine Tiere füttern, kein Feuer außerhalb gekennzeichneter Bereiche, keine Drohnen fliegen, kein Feuer, Wege nicht verlassen, verdammt noch mal kein Feuer! Wer einen Waldbrand auslöst kann übrigens getrost gleich in die Flammen rennen, da die Behandlung nach Gesetz auch nicht viel besser ist - darauf stehen nämlich fünf Jahre Knast und 12000 $ Geldbuße! Des Weiteren immer auf die Ranger hören, nicht alleine wandern, nicht wildcampen, sagte ich schon kein Feuer?! Atmen ist aber erlaubt...

    Eben nochmal zwei Franzosen durch Währungstausch den Allerwertesten gerettet (sie hatten tatsächlich nur Euro mitgenommen statt Landeswährung), von Ann und Tina verabschiedet, die "nur" den W-Trek machen (Erklärung siehe nachfolgend), und ab in den Shuttlebus, der einen die letzten drei Kilometer zum Start des Wanderwegesystems bringt. Schon auf der kurzen Fahrt gab uns der Park einen kleinen Vorgeschmack, was uns wettertechnisch so erwartet. Es regnete, windete und schien die Sonne - alles gleichzeitig. Wir nahmen den Regenbogen unter dem wir fuhren als gutes Omen.

    Und da wären wir. Vor uns lagen mindestens 130 km Wegstrecke. In sieben Tagen wollen wir den kompletten, sogenannten O-Trek absolvieren. Man unterscheidet übrigens zwischen zwei Hauptstrecken im Park: Nämlich einmal dem berühmtesten Teil des Wegesystems, dem W-Trek, welcher so wegen des W-förmigen Streckenverlaufs in der Kartenansicht genannt wird und der ca. vier bis fünf Tage in Anspruch nimmt. Hier sind auch die meisten Wanderer anzutreffen, da der Weg nur mäßig schwierig ist und mit die besten Panoramen des Parks bereithält. Davon differenziert man den O-Trek, welcher zwar den kompletten W-Trek inkludiert, zudem aber noch in mindestens drei weiteren Tagesetappen die Enden des Ws miteinander verbindet, also einen Rundkurs ergibt, der quasi ein O formt. Die rückseitige Verbindungsstrecke ist als durchaus strapaziös einzustufen, da eine Passüberquerung sowie teils unpräparierte Wege absolviert werden wollen. Dafür läuft man aufgrund niedriger Frequentierung fast gänzlich allein auf der Teilstrecke und bestaunt zusätzliche, nicht minder eindrucksvolle Panoramen - aber dazu mehr in den folgenden Tagen.

    Hochmotiviert stiefelten wir also los, gegen den Uhrzeigersinn, mit dem harten O-Verbindungsstück beginnend. So dachten wir jedenfalls, mussten dann aber feststellen erst einmal 500 m in die falsche Richtung gedackelt zu sein. Wer's nicht im Kopp hat, hat's in den Beinen - sind's eben 131 km für uns Döspaddel. Wieder am Hauptwegweiser (2) angekommen starteten wir aber nun wirklich die erste Tagesetappe vom Campamento Central zum Campamento Seron und damit die ersten 16 km der Gesamtstrecke. Los ging's erst mal langsam einen Hügel hoch, während uns der erste Regenschauer erreichte. Also Rucksack abgesetzt, alles regendicht verstaut, in die Regenjacke geschlüpft und Rucksack wieder aufgesetzt - eine Übung, die wir etwa 251 Mal täglich zu absolvieren hatten, da Steigungen und Sonne einen sonst ins schwitzen, Wind ins frieren und Regen in den Wahnsinn getrieben hätten.

    Wenig später folgte ein Waldstück und es klarte wieder auf. Nach halber unspektakulärer Strecke machten wir Mittagspause und füllten die Wasservorräte an einem Bach wieder auf. Der große Vorteil im Park: jedes noch so kleine Flüsschen führt Gletscherschmelz- und somit Trinkwasser. Und es gibt hunderte Flüsse, die auch meist ohne Brücken zu überqueren sind. D.h. Wasser schleppen ist nicht von Nöten.

    Nach Eincremen mit Sonnenmilch liefen wir weiter auf einer offenen Hügelkette, teils durch Totholz (3) mit Blick auf weiter unten gelegene Seen (4) und Flüsse. Beim Abstieg entlang des Rio Paine setzte sich wieder Regen durch und behielt ca. eineinhalb Stunden die Oberhand. Völlig durchnässt klang uns die Warnung der Referentin vom Seminar tags zuvor in den Ohren: "There is no material GoreTex and waterproof enough to keep off the rain!" Wir setzten unseren Marsch fort über sehr schlammige Wege und durch Blumenmeere entlang des Flusses. Glücklicherweise kam die Sonne doch nochmal hervor (5), ca. eine halbe Stunde bevor wir das Nachtlager erreichten (6). So konnten wir das Zelt im Trockenen aufstellen.

    Trotz kurzer und leichter Strecke merkte ich abends schon deutlich meine Füße, vor allem mein akzessorischer Knochen 'Os tibiale externum' im rechten Fuß machte mir zu schaffen. Währenddessen kämpfte Chris mit Überreaktionen seines Körpers auf Insektenmalträtierung. Wir stärkten uns mit Couscous an Tomatensoße und bemerkten, dass die mitgeschleppten Chorizos widerlich schmeckten - aber hey, wir haben ja nur drei Stück (~750 g) davon gekauft. Beim Versuch diese zu verschenken, quatschten wir noch ganz nett mit einem kanadischen Pärchen und einem Amerikaner, die die Würste aber auch als ungenießbar einstuften.

    Da am nächsten Morgen der den Kilometern nach längste Tag bevorstand, versuchten wir recht früh zu schlafen. Chris bekam ob der Enge im Zelt, den Schuhgerüchen, des Tageslichts bis fast 23 Uhr sowie den Isomatten, die so viel polstern wie eine Lage Alufolie und der Tatsache dies noch fünf weitere Nächte aushalten zu müssen einen ausgiebigen, fast hysterischen Lachflash. So dämmerten wir in einen unerholsamen Trancezustand. Der Torres hatte seine ersten Prüfungen offenbart - wenn wir nur gewusst hätten welche da noch kommen würden...
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  • Day 19

    Hartverdientes Fersengeld (Torres 2.Tag)

    January 13, 2018 in Chile ⋅ 🌙 -2 °C

    Fünf Uhr früh sang das Handy sein nerviges Lied, doch konnten wir dem Schlaf kaum entrissen werden, da wir gar nicht erst richtig hineingesunken waren. Obwohl mein Schlafsack eigentlich bis -1,5 Grad ausgelegt sein sollte, schlotterte ich bei ca. 5 Grad die ganze Nacht hindurch und hatte maximal zwei Stunden geschlafen. Eine steinharte Isomatten und Platz für vllt. zwei ausgewachsene Südamerikaner, nicht jedoch Europäer, ließen Chris das gleiche schlaflose Schicksal durchleiden.

    Aber die zweite Tagesetappe und rund 30 km Wegstrecke wollten bewältigt werden. Der Wegabschnitt ist deswegen so lang, da wir heute zwei Etappen kombinieren und ein Camp überspringen, um wie geplant die komplette Tour in nur sieben Tagen absolvieren zu können. So frühstückten wir (warmes Porridge mit Kakaopulver und Rosinen), bauten die Stätte der Insomnie ab und schritten gegen halb sieben in den bereits gedämmerten Morgen hinaus. Der Feuerball erhob sich langsam über die Hügelkette, während wir am Fluss durch Blumenfelder marschierten - sehr malerisch (1). Teilweise waren die Wege noch durch den gestrigen Regen überschwemmt, weshalb manchmal Alternativrouten erarbeitet werden mussten. Das Flussgebiet ging dann bald in ein Seenarreal über (2) an welchen sich ein steiler Aufstieg anschloss, ein kleiner Pass sozusagen.

    Bereits am Fuße des Passes gab es eine Kostprobe auf Nachfolgendes: der Wind blies so heftig, dass es den See aufpeitschte und Seewasser auf den ca. 20 m vom Ufer entfernten Wanderweg wehte - Regen mal anders. Wir dachten uns jedoch nichts Böses und machten uns an den Aufstieg. Auf staubigem Geröll schwitzte man nicht schlecht, da es wirklich extrem steil den Hügel hoch ging. Zunehmend starke Windböen erleichterten das Vorrankommen dabei keineswegs. Als die Steigung abflachte und es auf die in einem Hügelschlauch liegende Kuppe des Anstiegs zuging, hatte der Wind schon so viel Kraft, dass wir kaum zwei Schritte gerade hintereinander setzen konnten. Das war jedoch nichts im Vergleich zu den orkanartigen Böen auf der Kuppe: Chris wurde in die Knie gezwungen und mir, nun aus seinem Windschatten getreten, riss es erst die Sonnenbrille (nötig da sonst die Augen beständig tränen) und dann die Füße weg. So landete ich im kniehohen Gemüse des Wegesrand, bestehend aus feinstdornigem Gebüsch, das mir auch postwendend die Hände, Unterarme und Knie aufriss. Beim Versuch die Sonnenbrille zu retten, wurde ich noch zwei weitere Male zu Boden geworfen. Zwar gelang die Brillenbergung, jedoch verabschiedete sich kurz darauf meine Plastiktrinkflasche, die außen am Rucksack festgespannt war. Aber der Torres nimmt nicht nur, er gibt auch: im zuletzt gebetteten Dornenbusch fand ich einen Buff mit stylischem Tigermotiv, der wohl zuvor einem anderen Opfer entrissen wurde - er leistete mir nachfolgend gute Dienste und wird wohl als Andenken an diesen Moment auch seinen Weg nach Deutschland finden.

    So lagen wir also in die Sträucher gezwungen am Boden und wussten nicht ob wir lachen oder weinen sollten. Solche Naturgewalt hatten wir noch nie am eigenen Leib erfahren. Nach fünf Minuten Luft schnappen und Kräfte sammeln, schafften wir es in einem heroischen Antritt dann aber doch ohne weitere Verluste über die Kuppe. Trotzdem eine unvergessliche Erfahrung!

    Je weiter wir auf den Hügeln wanderten, desto mehr ließ der Wind dann auch wieder nach. Im Regen-Sonne-Mischmasch spannte sich alsbald auch wieder ein motivierender Regenbogen über den Weg (3). Wir eilten weiter zur Rangerstation, die in etwa ein Drittel der heutigen Wegstrecke markierte. Dort trugen wir uns (wie auch so gut wie in jedem anderen passierten Camp) als Überlebende des Wegeabschnitts in ein Logbuch ein, schoben einen Müsliriegel zwischen die Kiemen und gaben wieder Fersengeld - schließlich lagen noch zwei Drittel vor uns. Folgende Passagen gingen wieder durch blumige Steppenlandschaft und zeitweise durch ein Sumpfgebiet, welches man über Balken balancierend zu passieren hatte, die einfach in den Matsch geworfen waren. Entlang kleiner Flüsse (4) schritten wir beständig weiter. Mir schwanden langsam die Kräfte, welche schon am frühen Morgen überbeansprucht worden waren. Aber Chris verrichtete hervorragende Führungsarbeit und so erreichten wir schließlich das wunderschön gelegene Refugio Dickson (5) gegen halb eins. Aufgrund des Planungswahns meiner Wenigkeit Monate zuvor, sollte dieses Camp uns allerdings nur zur Mittagspause beherrbergen.

    So gut hat lang keine Kalorienzufuhr getan: nachdem der Blutzuckerspiegel saturiert war, fühlte ich mich fast wieder im Vollbesitz meiner Kräfte. Beim Essen unterhielten wir uns mit zwei Amis, die sich heute etwa den gleichen Gewaltmarsch vorgenommen hatten. Sie überschütteten mich mit gut gemeinten, jedoch teils komischen Ratschlägen, da sie sich wohl fitness- und erfahrungstechnisch überlegen fühlten, nachdem ich fallen gelassen hatte, dass dies unsere erste Wandertour mit Zeltübernachtungen wäre. Zuletzt verrieten sie uns noch ihren Geheimtipp schlechthin: die Pillen, die sie sich nach dem Essen einschmissen und die wir für Vitaminpräparate gehalten hatten, stellte sich nämlich als Ibuprofen - also Schmerzmittel - heraus. Ohne mit der Wimper zu zucken konstatierte einer der beiden grinsend: "I keep popping 'em in - that's the secret!"

    Nach der bitter nötigen Pause nahmen wir die letzten zwölf Tageskilometer in Angriff. Der Pfad führte größtenteils durch den Wald. Trotz painkiller-Doping ihrerseits konnten wir gut mit den US-boys mithalten. Wir überholten einander im beständigen Wechsel bei kurzen Pausen ca. vier Mal im Laufe des Nachmittags. Manchmal lichtete sich der Wald und gab Blicke auf drei verschiedene Gletscher frei, welche jedoch leider alle aus dichter Nebelsuppe hervortraten und daher kein gutes Fotomotiv abgaben. Dafür hielt ich einen der viele Gletscherflüsse fest, in dem eisige Wassermassen gen Tal donnern (6).

    Der letzte Kilometer zum Camp und Tagesziel 'Los Perros' hatte es aber nochmal in sich. Es ging steile Geröllberge hoch und natürlich setze pünktlich dazu auch noch fieser, eiskalter Regen mit starken Winden ein. Wir mobilisierten die letzten Kräfte und kämpften uns zu dem Zeltplatz namensspendenden Gletscher vor. Dieser lag eindrucksvoll hinter seiner kleinen Lagune, nur ca. 150 m von uns entfernt. Die Witterungsbedingungen machten eine Bannung auf Kamerachip aber leider unmöglich und luden auch keineswegs zum Verweilen ein. Notgedrungen ließen wir die eindrucksvolle Szenerie links liegen und retteten uns in den wind- und regengeschützten Wald in welchem das Camp liegt.

    Die bei 16 $ Campinggebühr erwartete heiße Dusche, bleib allerdings aus, da sich nur eine verrostete Wanne mit Gletscher-Kaltwasserzufuhr offenbarte. Nach Zeltaufstellung blieb also nur ein Abendessen im sehr kleinen und proppenvollen Kochraum, um sich aufzuwärmen. Eine Rentnergruppe (65+) am Nebentisch, die das Torres-Rundumsorglospaket gebucht hatten, welches neben Schlafplatz im fest installierten Kuppelzelt (und daher sehr reduziertem mitgeführten Gepäck) auch jeweils ein Drei-Gänge-Menü am Abend beinhaltet, sorgte nicht umbedingt für Frohsinn. Lauwarmer Couscous mit Maggi-Soße kann gegenüber dampfendem Eintopf und Nutella-Keksnachtisch nunmal nicht mithalten. Zumal die Möchtegernjungtruppe auch noch die Hälfte zurückgehen ließ! Ein etwas frustiger Abschluss eines mörderischen Tages. Aber dafür wartet ja morgen nur die als härteste Teilstrecke beschriebene Passüberquerung...
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