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  • Day 7

    Lorca bis Villamayor de Monjardin 17,62k

    September 6, 2022 in Spain ⋅ 🌙 15 °C

    Die Landschaft hat es wieder rausgerissen

    Die Nacht war gut. Leonie und ich waren alleine in dem eigentlichen 4-Bett-Zimmer. Ich habe durchgeschlafen bis 6 Uhr.
    Ich mache mich fertig und esse dann noch ein Frühstück, was aus einem Schokocroissant und einem Kaffee besteht. Meine Mitpilgerinnen haben Probleme mit der Bezahlung des Frühstücks. Sie dachten, dass es kostenfrei ist. Leonie zahlt 3,50 Euro fürs Frühstück und macht sich auf die Socken. Ich zahle nur 2,70 Euro und folge ihr 10 Minuten später. Es gibt einen wunderschönen Sonnenaufgang. Im ersten Ort, den ich passiere, Villatuerta, treffe ich Leonie. Sie sitzt auf einer Bank und macht Pause. Ich rede kurz mit ihr und gehe dann weiter. Irgendwie ist der Camino heute nicht so gut ausgeschildert. Ich muss immer genau schauen, wo die Hinweisschilder sind. Es gibt eine schöne Kirche, bei der man Rast machen und wenn man noch zusätzliche Energie hat, Fahrradfahren kann. Ich verzichte darauf, denn immerhin habe ich noch einen weiten Weg vor mir. Der Weg führt aus die Stadt raus und ich vermisse die Pilger, die sonst in Vielzahl an mir vorbei ziehen. Kaum einen treffe ich. Meine App, Buen Camino, zeigt an, dass ich den Weg genießen soll. Die Landschaft und die Leute auch. Der Hinweis kam, als ich abseits des Weges eine kleine Kirche erblicke. Nun ja, nach dem Hinweis schaue ich sie mir natürlich an. Vor ihr sind Bänke und Tische, so dass man Rast machen kann. In der Kirche ist es dunkel. Auf dem Altar liegen Bittbriefe, Fotos und Kreuze. Unter dem Altar liegt ein Kondom - ausgepackt. Ich gehe.
    Ich komme heute gut voran und erreiche fast Estella. Auch hier vermisse ich die gute Ausschilderung. Ich treffe einen alten blöden Mann, der richtig unnett war. Mit schlechter Laune ziehe ich durch Estella. Ich mag momentan wohl keine Städte. Ich komme an der großen Kirche vorbei. Die Leute schauen mich an. Dann komme ich an einem Pilgerladen vorbei und kaufe mir dort eine Bauchtasche. Ich kann es nicht mehr ertragen, dass alles um meinen Hals hängt. Vom Handyband habe ich einen Ausschlag bekommen und mein Brustbeutel zeichnet sich immer unter meinem Shirt ab. Es sieht aus, als wenn ich einen künstlichen Darmausgang habe. Ich quäle mich durch die Stadt und suche immer wieder die Pfeile, Muscheln usw. Ich stehe an einer Ampel und ein spanisches Pärchen kreuzt meinen Weg. Er drückt auf einen Knopf, damit ich "grün" bekomme. Da hätte ich ja noch ewig gestanden. Langsam verlasse ich die Stadt und es kommt ein Hinweisschild für eine öffentliche Toilette. Oh ha. Das ist ja mal was. Sie kommt genau zur richtigen Zeit und ist auch eher eine Seltenheit.
    Dann taucht ein großes Schild auf. "Fuente del Vino". Ich weiß, was das ist. Hier kann man sich kostenlos Wein zapfen. Dafür trage ich extra einen Plastikbecher mit mir rum.
    Vorher kommt noch ein kleiner Laden, in dem ein Künstler aus Metall schöne Sachen, wie zb Muschelanhänger usw macht. Und er hat einen Stempel. Na da halte ich doch mal an. Freudig nehme ich den "Sello" entgegen. So langsam füllt sich mein Pass. Ich bin schon fast wieder draußen, da deutet er auf die Stöcke. Oh ja, DIE sollte ich mitnehmen! Ich merke immer richtig, wenn ich zu wenig getrunken habe. Dann wird man vergesslich und hört nicht richtig zu.
    Draußen sehe ich ein Schild, dass es nun nur noch 676 km bis Santiago sind. Dann habe ich schon 100 km geschafft. Stolz will sich nicht einstellen, denn es sind noch so viele und ich bin ein wenig zu langsam. 100 km in der Woche .... 900 km sind es ... das wären 9 Wochen. Die Berechnung habe ich erstellt, während mein Körper zu wenig Wasser hat. Oder stimmt sie? Dann erreiche ich endlich die Stelle an der man Wein und Wasser zapfen kann. Ich fülle zuerst mein Wasser auf und dann krame ich meinen Becher hervor und fülle etwas Wein hinein. Ein Pärchen kommt und ich bitte sie, ein Bild von mir zu machen. Dann trinke ich den Wein. Der erste Schluck schmeckt nicht. Der Wein ist seeehr trocken, aber mit jedem Schluck wird er besser. Dann suche ich mir ein Plätzchen zum Verweilen: Ich muss dringend meine Socken wechseln. Bei einer Kirche ist Schatten und ich mache Rast und ziehe die schwarzen Socken an. Die grauen hänge ich zum Trocknen an den Rucksack.
    Dann ziehe ich weiter. Mir kommen Pilger entgegen. Ich werde unruhig und unsicher - bin ich etwa in die falsche Richtung unterwegs? Immer wenn ich das denke, kommt dann doch noch ein Richtungsweiser. Dann wird der Weg immer schöner. Sattes Grün, die grauen, staubigen Wege und die Berge. Wirklich toll. Ich mache sooo viele Bilder. Keine Pilger weit und breit. Ein bisschen mulmig ist mir schon. Ich rufe: Pilger, wo seid ihr alle?
    Plötzlich kommt mir eine Feau entgegen und hinter mir erkenne ich drei Pilger. Geht doch!
    Es wird heißer und heißer. Die Sonne brennt. Ich sehe den Anstieg nach Azqueta und mache wieder im Schatten Rast. Dann quäle ich mich mit meinem tonnenschweren Rucksack den Berg rauf. Oben angekommen mache ich wieder Halt im Schatten. Ich will weitergehen und höre es rufen. Links sitzen 2 Männer auf einer Bank und rufen "Sello". Ich gehe zu ihnen und bekomme dort auf der Bank einen Stempel in meinem Pilgerpass. Der eine ältere Mann weißt den anderen ein. Dieser zittert und ist unsicher. Nachdem er den toll platziert hat, zeige ich mit dem Daumen nach oben. Ich gehe weiter und obwohl es nicht mehr weit ist, fülle ich mein Wasser auf. Dann verlasse ich den kleinen Ort. Nur noch 1,5 km bis Villamayor de Monjardin. Leider knallt die Sonne unerbittlich und es ist nirgendwo Schatten. Ich kriechen und bleibe alle paar Meter stehen. Es ist so anstrengend. Es geht steil bergauf. Dann kommt mir eine Frau entgegen. Sie fragt mich, ob ich müde bin. Ja, sehr. Sie zeigt auf Azqueta. Da wäre ein schönes Hostel. Okay, aber ich habe schon in Villamayor de Monjardin reserviert. Okay, das ist gut. Ich bin ja eh fast da. Ich quäle mich weiter und dann kommt endlich mein Endziel. Ich schleiche zu meiner Herberge, die leider auch auf einer Anhöhe liegen muss. Da stehen viele Leute und checken ein. Ich muss warten, bekomme aber ein leckeres Wasser mit Zitrone. Danach geht es aufs Zimmer. Es ist sehr eng und ich teile es mir mit 4 weiteren Frauen. Was für ein Chaos hier. Dann wieder die normale Routine: Duschen, Wäsche waschen und eine neue Unterkunft suchen. Dieses Mal aber für den übernächsten Tag. Ich gönne mir wieder ein Einzelzimmer. Ich erkunde den Ort und treffe in einer Bar Bendikt aus Saarlouis wieder. Ich trinke ein Auarius und esse einen Kuchen. Wir quatschen und ich helfe ihm beim Buchen seiner Unterkunft für morgen. Dann gesellt sich noch Thomas aus Berlin dazu. Er hat einen kleinen Sprachfehler und wirkt anfangs etwas dümmlich, aber das täuscht. Danach gehen wir drei gemeinsam zum kleinen Laden in dem Ort. Davor sitzt Leonie mit einem jungen Mann. Sie hat es auch geschafft. Es war sehr anstrengend für sie. Sie hatte aber Bescheid gegeben, dass sie es nicht bis 15 Uhr schafft.
    Bis zum Abendessen vertreiben wir uns noch die Zeit. Wir essen alle zusammen-mit den Hositeleros- draußen. Es ist gemütlich. Nach dem Essen gibt es eine Meditation. Sie dauert 30 Minuten. Da es sonst nichts zu tun gibt, nehme ich teil. Es ist entspannend, aber sehr auf Jesus ausgelegt. Danach gibt es noch einen Tee und ein Schlüssel wird rumgereicht. Wer ihn hat, kann was sagen, was vom Herzen kommt. Auch ich traue mich, was zu sagen. Danach komme ich mit einer Hospitaliero ins Gespräch. Warum gehe ich den Weg? Ich weiß nicht. Wir reden noch ein wenig. Sie ist sehr nett. Ich habe ein bisschen das Gefühl, sie will mir Jesus näher bringen, aber das blocke ich ein wenig ab. Dann mache ich mich bettfein und kletter noch oben ins Etagenbett. Ich bekomme jetzt schon Panik, wenn ich nachts auf Toilette muss und dann runterklettern muss. Schauen wir mal!
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