• Wahiba-Wüste, Oman

    April 26, 2023 in Oman ⋅ 🌧 32 °C

    Irgendwann bei km XY biegen wir von der wunderschön ausgebauten Straße ab

    Viktor will unbedingt mitten durch die Wüste fahren, er lässt sich einfach nicht davon abbringen. Dabei könnte doch alles so einfach und komfortabel sein.
    Wir müssen die Luft aus den Reifen lassen und halten kurz an.
    In Sekundenschnelle krabbeln aus sämtlichen Verschlägen und Hütten massenweise kleine Beduinen Kinder.
    Sie hängen am Spiegel, klettern auf die Seitentrittbleche und hangeln sich sogar über die Motorhaube auf die Windschutzscheibe.
    Winzige, kleine, mittlere und welche im Grundschulalter mit der für diese Jahrgänge typischen Zahnlücke.
    Schließlich steigen sie sogar vom Gepäckträger auf Viktors Fahrrad und lassen die Luft aus seinen Reifen ab. Ein besonderes frecher Bengel klaut sogar die Ventile und macht sich damit aus dem Staub.
    Spätestens jetzt wird es mir zu bunt, und ich drücke die Hupe im Dauertonmodus. Ein älterer Beduinen Junge wird durch das penetrante Geräusch angelockt und vertreibt die wilde Meute.
    So etwas haben wir bisher im Oman noch nicht erlebt.
    Die Leute waren alle eher reserviert und zurückhaltend.

    Mit den weichen Reifen machen wir uns schnell aus dem Staub und brausen durch den roten Sand der Wahiba-Wüste ...... und ich hoffe inständig, dass wir hier auch irgendwann wieder heraus finden.
    Ein wenig fühle ich mich zurück versetzt, gute 40 Jahre, anno 1983, in dem ich mit Mani und Viktor quer durch die Sahara gefahren bin.
    Allerdings hatten wir damals kein GPS, kein Telefon, keinen Kühlschrank, kein Klo ......eigentlich gar nichts.
    So habe ich jetzt doch große Hoffnung, dass dieses kleine - von Viktor inszenierte - Abenteuer einen guten Ausklang findet.

    Hanfkappe auf jeden Fall ist wieder einmal in seinem Element.
    Je verwehter die Route wird desto mehr leuchten seine Augen.
    Wie immer aktiviert er seinen 360 Grad Rundblick, was heißt, ihm entgeht NICHTS, REIN GAR NICHTS von dem, was vor uns, rechts oder links von uns, selbst nicht das, was hinter uns liegt. Ein echtes Phänomen, das mich jedes Mal von Neuem ins Staunen versetzt.

    Verwundert entdecken wir mehr und mehr Grün, besonders in ein paar Senken, die wir durchfahren müssen.
    Es muss hier kürzlich stark geregnet haben.
    Und dann ziehen plötzlich in Windeseile zunächst ein paar kleine, dann immer mehr und größere Wolken am Himmel zusammen. Der Horizont färbt sich erst grau, dann rabenschwarz.
    Keine 10 Minuten später - Gott sei Dank hatten wir gerade einen Schlafplatz für die Nacht gefunden - bricht ein fürchterliches Gewitter über uns herein.
    Viktor freut sich gerade noch königlich darüber, dass wir in unserem Camper sicher und im Trockenen sitzen, da schlägt der Blitz ein - mit einer Gewalt und einem Donner und Doria, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte.
    Ich werfe mich flach auf den Boden und bleibe dort erst einmal liege. Mindestens 5 Minuten brauche ich, um zu realisieren, dass wir noch am leben sind. So einen lauten Schlag habe ich noch nie gehört.
    Während ich mich für den Rest des Abends unter der Bettdecke verstecke - was natürlich gar nichts bringt - kontrolliert Viktor sämtliche elektronischen Geräte, die Solarzelle auf dem Dach, den Kühlschrank, die Pumpen und sämtliches Andere. Gott sei Dank ist alles heil geblieben, und wir sind buchstäblich mit dem bloßen Schrecken davon gekommen. ( Das sollte sich leider zwei Tage später als Irrtum herausstellen 😪)
    Viktors Fazit, ich traue meinen Ohren nicht, lautet: Das war aber mal ein toller Sandsturm.
    Am nächsten Morgen ist die Wüste von einem getüpfelt grünen Teppich überzogen.
    Über Nacht haben die verdorrten Grasbüschel Farbe angenommen, und an ihren Spitzen strecken winzige, neugierige, gelbe Blüten ihre zarten Köpfchen der Sonne entgegen.
    Und trotz der 200 Kilo Sand, die bis in den letzten Winkel des Campers gedrungen sind, freue ich mit den kleinen und großen Wüstenbewohnern über dieses Wunder, das da heute Nacht passiert ist.

    Die Wahiba-Wüste ist mit 15.000 Quadratkilometern nicht einmal die größte des Landes, das ist die Rub al-Khali.
    Von Norden bis Süden erstreckt sie sich über rund 250 Kilometer, von Osten nach Westen sind es 80 Kilometer. Im Westen und Nordosten verhindern die großen Wadis, häufig Wasser führende Täler mit ihrer Oasenvegetation, die weitere Ausdehnung der Wüste. Im Osten reichen die Dünen bis an den Indischen Ozean.

    Gerade weil sie überschaubar ist, wurde die Wahiba-Wüste interessant für Reiseveranstalter - und für Wissenschaftler. Sie erforschten fast 20 verschiedene Dünenformationen,
    200 Säugetiere, Vögel und Reptilien, 180 verschiedene Pflanzenarten und Zigtausende wirbellose Käfer, Schlangen und Skorpionarten. Deshalb wird auch dringend geraten, morgens gründlich in die Schuhe zu schauen, bevor man sie anzieht.😱🕷🦂

    Der feine Sand knirscht unter den Schuhen. Manchmal knackt es auch, wenn man auf Muschelreste tritt, die die Monsunwinde vom nahen Ozean herüberwehen. Im ständigen Wechsel bläst mal ein frischer Wind, mal ein heißer Fön.
    Und dann sehe ich sie, in den flirrenden Schlieren der Wüstenhitze: Eine Fata Morgana, zunächst verschwommen und dann plötzlich ganz klar.
    Je näher wir kommen desto präziser erscheinen die Details. Und dann wird uns klar, dass dies keine bloße Vorstellung unseres Gehirns ist, sondern eine wirklich reale prunkvolle Moschee.
    FÜR WEN????
    Mitten in der Wüste dieser prächtige Bau, und Ödnis aus Sand davor und danach. So, als wäre sie gar nicht real ..... vielleicht also doch eine Fata Morgana?

    Weiter geht es Richtung Horizont, buchstäblich immer der Nase nach.
    Die Sandpiste lässt sich gut befahren, ein wenig fühlt es sich an, als würden wir schwerelos über dieses endlose Meer hinweggleiten.
    Die Ruhe von außen, die im wahrsten Sinn des Wortes nach dem gestrigen Sturm herrscht, überträgt sich auch nach drinnen und auf uns.
    Und ganz allmählich fange ich sogar an, diese abenteuerliche Wüstendurchquerung zu genießen.
    Während der Fahrt spielt unser Spotify Musikkanal Musik der 70er und 80er Jahre, einer Zeit, in der wir schon viele gemeinsame Abenteuer bestritten haben. Jeder hängt seinen Gedanken und Erinnerungen nach, viele davon sind dieselben.
    Und dann spüre ich, wie mir ein paar Tränen die Wangen herunterlaufen.
    Was für ein Geschenk, so unendlich vieles mit dir geteilt zu haben und immer noch teilen zu können,
    DANKE dafür aus vollem Herzen ❤️ ❤️ ❤️ , mein bester Freund und größte Liebe meines Lebens. 💘
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