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  • Day 22

    Helenas Folter-Track

    December 11, 2023 in New Zealand ⋅ ☁️ 19 °C

    Die heutige Etappe ist ziemlich zerstückelt und wir müssen das erste Stück wieder trampen. Nach kurzer Wartezeit hält ein Fahrzeug an. Ein Mann mittleren Alters steigt aus und begrüßt uns freundlich. Er hat eine alte Strickmütze auf und ihm fehlen zwei Schneidezähne. Für den Bruchteil einer Sekunde bin ich mir unsicher, ob wir zu ihm einsteigen sollen. Sofort schäme ich mich für meine Gedanken, weil es nur Äußerlichkeiten sind, von denen ich mich irritieren lasse. Unser Fahrer heißt Andrew und ist auf dem Rückweg von einem Freund. Er setzt uns am Startpunkt der heutigen Etappe ab.

    Es ist der Helena Ridge Track, den wir heute laufen wollen. 9 Kilometer werden in der Trail App mit 4 Stunden angegeben. Das verheißt nichts Gutes. Aber ich bleibe hoffnungsvoll, denn die ersten Meter laufen sich noch sehr entspannt. Mal gehen wir unter einem umgestürzten Baum hindurch, mal steigen wir drüber. Alles noch machbar. Auch der Weg ist gut und deutlich erkennbar. Während ich noch dabei bin, mich zu freuen, beginnt es merklich, unfreundlicher zu werden. Der Weg geht steil nach oben und ich keuche vor Anstrengung. Als ich endlich ankomme, ist Danny - natürlich - schon längst da. Ich bin ein bisschen neidisch auf ihn, weil er durch mein Schneckentempo, in dem ich nach oben krieche, mehr Zeit zum Ausruhen hat. Aber was soll’s, jetzt wird’s einfacher, denn es geht bergab. Aber auch das hat es in sich und ich frage mich oft, was gleich zuerst brechen wird: Mein Bein, die Hüfte oder das Bäumchen, an dem ich mich festhalte. Der schwere Rucksack schubst mich zusätzlich nach vorn. Jedes Mal, wenn ich denke, jetzt ist das schwierigste Stück geschafft, geht es wieder von vorn los. Die vertikalen Auf- und Abstiege wollen einfach nicht enden.

    Nach 4,5 Stunden haben wir es dann geschafft. Die Wege werden wieder breiter, heller, grüner und wo wir auch hinschauen, liegt uns das Paradies zu Füßen. Die Anstrengung hat sich gelohnt, denn wir sehen hier fern von touristischen Orten das „wahre“ Neuseeland mit all seinen unterschiedlichen landschaftlichen Facetten.

    Es ist schon spät am Nachmittag und wir haben noch keinen Schlafplatz für die Nacht. Über Facebook stößt Danny auf einen Trail-Angel, der Te Araroa Wanderer kostenlos auf seinem Grundstück zelten lässt. So kommen wir wieder über eine Schotterstraße zu Jim und Susi, die uns sehr herzlich begrüßen. Wir bekommen eisgekühltes Wasser und ein schönes Fleckchen Wiese, wo ein alter Bauwagen steht. Daneben schlagen wir unser Zelt auf und bereiten unser Abendessen vor. Es gibt Couscous mit Gemüse, den wir in der Abendsonne direkt mit zwei Löffeln aus dem Topf essen. Ein anstrengender und gleichzeitig sehr schöner Tag geht zu Ende.
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