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  • Day 31

    Aufgeben oder nicht?

    December 20, 2023 in New Zealand ⋅ ⛅ 22 °C

    Ich wache ausgeschlafen im Riverside Holiday Park in Mangawhei auf. Jetzt geht’s erstmal ab in die Dusche, wer weiß, wann es die nächste Gelegenheit dazu gibt. Aber im Waschraum geht oder besser gesagt, läuft gar nichts. Keine Klospülung, kein Wasser aus dem Hahn, keine Dusche. Auf Nachfrage heißt es, „die Pumpe ist kaputt“, man will sich jedoch schnell um eine Reparatur bemühen. Ich bin stinkig deswegen, weil ich jetzt (weiter) stinken muss.

    Die heutige Etappe haben wir nicht wirklich geplant. Der Trail geht wieder 14 Kilometer am Strand entlang. Wir überlegen, ob wir uns das ersparen, das Laufen im Sand, die glühende Hitze und wieder eine Flussüberquerung - alles sehr beschwerlich. Dann lieber gleich die übernächste Etappe angehen, da kommen wieder Berge und Wiesen, und die Chance auf Schatten und ein kühles Lüftchen ist größer. Wir wollen schon fast aufbrechen, als Danny sicherheitshalber nochmal schnell googelt, wo der nächste Supermarkt ist. Dann der Schock: 70 Kilometer müssen wir mit unseren „Resten“ auskommen: 2 Packungen Instandnudeln, ein paar Nüsse, etwas Schoki, Cracker, paar Energieriegel. Das ist zum (Über)Leben eindeutig zu wenig. Die Rezeption im Holidaypark hat eine Mini-Auswahl an Fertiggerichten, mit denen wir uns eindecken. So fühlen wir uns gut gerüstet für die Etappen im Wqld. Bis zum Ausgangspunkt müssen wir wieder 2x trampen.

    Peter, ein sehr gesprächiger Geschäftsmann, der sein eigenes Reiseunternehmen hat, bringt uns bis zu einer Kreuzung. Von hier aus brauchen wir eine weitere Mitfahrgelegenheit nach Pakiri Beach. Die Sonne brennt und wir stehen freundlich lächelnd am Straßenrand, heben unsere Arme, setzen sogar die Sonnenbrillen ab, aber alle rauschen vorbei. Nach einer Stunde (!) hält Misha an und fährt uns zuliebe noch ein paar Kilometer extra. Weil er selbst auch Wanderer ist, schenkt er uns noch einen Energieriegel und gefriergetrocknetes Essen. Wir sind überwältigt und sehr dankbar.

    Es ist 12:30 Uhr und wir starten endlich in unsere heutige Etappe. Auf dem Wegweiser steht: 7 Kilometer bis zur Matakana Valley Road, 4-5 Stunden🥵. Es geht sofort steil nach oben und schon nach 5 Minuten kann ich nicht mehr. Ich japse und ringe nach Luft. Es ist sehr heiß. Danny gibt mir seine Wanderstöcke und ich stütze mich mühsam auf ihnen ab und drücke mich nach oben. Es wird nicht besser. Eher schlechter. Wir machen ein Pause im Schatten, trinken Wasser, ich knabbere an einem Riegel. Wir laufen langsam weiter, aber der ganze Körper rebelliert gegen den Anstieg. Alles in mir schreit nach Aufgeben. Ich fühle mich wie eine alte Frau, die selbst mit Gehhilfen nicht vom Fleck kommt. Tränen laufen mir übers Gesicht und es ist das erste Mal seit Beginn dieser Reise, dass ich großes Heimweh verspüre. Ich will jetzt am liebsten Stolle und Lebkuchen in mich reinstopfen, Glühwein trinken und bei meiner Familie sein.

    Ich schleppe mich irgendwie Schritt für Schritt nach oben. Danny versucht, mir gut zuzureden, aber auch das will heute nicht helfen. Ständig müssen wir meinetwegen stehenbleiben, das frustriert mich zusätzlich. Nach dem steilen Hügel geht’s in den Wald. Wieder steile Anstiege, Abstiege, teilweise wieder sehr schlammige Abschnitte. Meine Kräfte verlassen mich und ich teile Danny mit, dass ich den Trail hier abbrechen möchte, denn weder körperlich noch mental habe ich die notwendigen Voraussetzungen. Er bleibt wie immer sehr ruhig und überzeugt mich, wenigstens bis zum Zeltplatz durchzuhalten. Übernachten müssen wir ja heute trotzdem irgendwo.

    Im Schneckentempo geht’s weiter und nach besonders für mich qualvollen 6 Stunden passiert etwas Unglaubliches: Wir stoßen auf eine Kiste. „Trail Magic” - Wander-Zauber steht drauf. Als wir sie öffnen, trauen wir unseren Augen nicht: Sie ist voll mit Cola und Fanta. Jemand hat die Kiste also hierher in den Wald geschleppt und mit Getränken gefüllt für erschöpfte Wanderer. Während Danny schon voller Gier eine Cola schlürft, heule ich vor Rührung wie ein Schlosshund. Alles kommt raus: die ganze Anstrengung, die Zweifel, die Freude über Cola - ich bin so überwältigt und voller Gefühle!

    Es ist schon 19 Uhr und wir müssen noch mindestens 3 Kilometer bis zu unserem Zeltplatz laufen. Wir sind fast da, als ein Ehepaar anhält und uns spontan zwei Erdnussbutter-Riegel aus dem Auto reicht. Das ist ein hochkalorischer Snack und sehr gut als Energieschub für Wanderer. Wieder bin ich den Tränen nah über so viel Hilfe und Wohlwollen.

    Wir kommen sehr spät bei Alan an und es ist schon fast dunkel. Er stellt uns ein Stückchen Wiese zur Verfügung und frisches Wasser. Mehr brauchen wir heute auch nicht. Zum Abendessen kocht Danny die geschenkte Kost von Misha. Wir sind fertig und erschöpft von den Strapazen der Etappe und gerührt von der wieder grenzenlosen Gastfreundschaft der Neuseeländer.
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