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- Dag 89
- fredag 16. februar 2024 09:16
- ☀️ 16 °C
- Høyde: 303 m
New ZealandBrowning Stream41°24’48” S 173°15’25” E
Auf Irrwegen

Wenn man in einer Hut übernachtet, geht es am nächsten Morgen genauso unruhig zu, wie es am Abend aufgehört hat. Man wird von Reißverschluss-Geräuschen geweckt oder dem Rascheln von irgendwelchen Essens-Tüten, die wegen der Mäuse an Leinen aufgehängt sind. Die meisten Wanderer brechen zeitig am Morgen auf, manche sogar noch vor Sonnenaufgang.
Wir schaffen es heute erst 08:15 Uhr, aufzubrechen, sind aber dennoch stolz darüber, denn für uns ist dies sehr zeitig. Wir kommen erstaunlich gut voran, es geht hoch und runter und zwischendurch bleiben wir immer mal wieder stehen und bestaunen die Landschaft. Wie immer, laufe ich Danny, der meist viel schneller ist als ich, hinterher. Plötzlich überkommt mich ein Gedanke, ob wir überhaupt auf dem richtigen Weg sind. Ich könnte auf meinem Handy nachschauen, doch das würde den Abstand zu Danny weiter vergrößern. Da er ohnehin die bessere Orientierung hat, vertraue ich darauf, dass die Richtung stimmt.
Wir laufen, machen Fotos und nach einer Stunde fragt Danny, wie weit es bis zur nächsten Hut ist. Ich ziehe mein Handy aus der Tasche, öffne die App und suche nach dem blauen Punkt. Dann der Schock: Wir sind in die komplett falsche Richtung gelaufen! Wir fluchen beide und schimpfen, Danny ärgert sich über sich selbst und ich über mich, dass ich meinem Instinkt nicht schon eher gefolgt bin, den Weg kurz mit der App zu vergleichen. Wir können uns beide nur schwer beruhigen und laufen laut fluchend zurück Richtung Rocks Hut. Auf dem Weg kommt uns Simon entgegen, der Australier, der mit uns in der Hut übernachtet hat. Auch er ist in die falsche Richtung gelaufen. Ein bisschen beruhigt uns das, dass wir nicht die einzigen Deppen sind, denen so etwas passiert. Zu dritt laufen wir wieder zur Rocks Hut zurück. Als wir dort ankommen, ist es 10:30 Uhr, und wir laufen nun in die richtige Richtung, zur Hacket Hut.
Anfangs versuchen wir noch, durch schnelles Laufen die Zeit irgendwie wieder reinzuholen. Schnell kommen wir aber an unsere Grenzen, denn die Wege sind stark überwurzelt und immer wieder durch umgestürzte Bäume blockiert. Mal müssen wir drüber steigen, mal unten durch kriechen. Der Pfad, dem wir folgen, ist immer schwerer zu erkennen, wir laufen durch Gebüsch und Sträucher und müssen immer wieder mit der App vergleichen, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind.
In einem Moment, wo wir wieder überlegen, ob es jetzt rechts oder links durchs Gebüsch geht, hat Danny ein dringendes menschliches Bedürfnis. Während ich nach dem Weg suche und sich Danny im Dickicht erleichtert, stellen wir anschließend fest, dass der Weg genau dort entlang führt, wohin er sich gerade zurückgezogen hat. Danny muss lauthals lachen und ich denke an Simon und all die anderen Wanderer, die hier noch entlang müssen.
Viel Zeit, mir darüber den Kopf zu zerbrechen, habe ich nicht, denn der Weg ist kein Weg mehr und die Richtung ist nur zu erahnen. Alles ist zugewuchert und überwachsen. Immer tiefer schlagen wir uns mit unseren Wanderstöcken durch den Busch, stolpern über umgestürzte Bäume oder versinken schlagartig in einer kleinen Grube. Irgendwann sagt mir mein Bauchgefühl, DAS kann nicht mehr der Weg sein. Ich bekomme Panik, denn um mich herum ist ein Wust und Chaos aus Bäumen und Büschen. Mit dem Handy in der einen und den Wanderstöcken in der anderen Hand versuchen wir auf die schwarze Linie zu kommen, die uns signalisiert, wir sind wieder auf dem Weg. Ein paar Nervenzusammenbrüche später ist es soweit und wir sind wieder auf der Linie. „Weg“ kann man es trotzdem nicht nennen. Unsere Beine und Knie sind zerkratzt und zerschrammt, aber das ist egal, Hauptsache, ich bleibe nicht für immer im Wald verschwunden.
Völlig verschwitzt und noch etwas aufgewühlt durch unsere Verlauf-Aktion, kommen wir in der Browning Hut an. Sie ist nur unser kleiner Zwischenstopp, und wir gönnen uns hier eine kleine Pause. Danny kocht eine Tomatensuppe aus der Tüte und nach der ganzen Aufregung tut mir das Süppchen voller Zusätze und Geschmacksverstärker doch erstaunlich gut.
Nach 15 Minuten geht’s weiter, nur noch 3 Kilometer bis zur Hacket Hut, unserem heutigen Tagesziel. Der Weg dorthin wird nochmal ein bisschen herausfordernd, es hat einen sogenannten „Washout“ gegeben, der Fluss hat während einer Flut Teile des Ufers weggerissen, so dass hier erhöhte Vorsicht geboten ist. Wir klettern runter und hoch, wieder runter und wieder hoch. Vollkommen erschöpft erreichen wir dann endlich die Hacket Hut.
Eine junge Studentin ist bereits dort und hat den Ofen der Hütte angeheizt. Wir wundern uns darüber, denn es sind über 20 Grad. Dann erklärt sie uns, dass sie ihren Kocher vergessen hat und ihr Essen über dem Ofen warm machen will. Wir beschließen, das Zelt aufzubauen, da sind wir für uns und haben unsere Ruhe. Im nahegelegenen Fluss füllen wir unsere Wasserflaschen auf. Er ist so klar und rein, während wir so verschwitzt und schmutzig sind. Ich überlege nicht lange, ziehe mich nackig aus und tauche ins eiskalte Wasser ein. Danny ist freudig überrascht: Noch nie war ich vor ihm im Wasser, erst recht nicht, wenn es so eiskalt ist. Mein Bedürfnis nach Sauberkeit siegt über meine Kälteempfindlichkeit. Es ist herrlich, nach einem langen und anstrengenden Tag in den Bergen in diesen kühlen Fluss zu steigen. Danny geht auch baden und im Anschluss lassen wir unsere Körper an der Luft trocknen. Das macht uns zur Zielscheibe für unzählige Sandfliegen, die es hier auf der Südinsel zuhauf gibt. Sie laben sich am menschlichen Blut, ihre Stiche jucken fürchterlich. Hier hilft nur die harte Chemie-Keule aus Spray mit Deet. Danny dieselt sich wie verrückt damit ein und verreibt das Zeug mit den Händen. Später sind plötzlich seine Lippen taub. Er muss sich nach dem Einsprühen aus Versehen ins Gesicht gefasst haben.
Als wir schon fast schlafen gehen wollen, kommen noch Bénédicte und Victor aus Frankreich, beide super jung. Er ist Ultra-Marathon-Läufer und sie hat eine leichte Knie-Verletzung, weswegen er ihr Gepäck zusätzlich mit trägt. Sage und schreibe 35 Kilo schleppt er durch die Berge, während seine Freundin einen leeren Rucksack trägt. Aber die beiden sind sympathisch und wir plaudern noch ein wenig, bevor wir endlich ins Zelt in unsere Schlafsäcke kriechen. Im Gegensatz zu der Hütte vom Vorabend schlafe ich heute schnell ein. Flussrauschen statt Schnarch- und Reißverschluss-Alarm, welch ein Glück!Les mer