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  • Day 6

    Pamplona - Puente de Reina (~25km)

    March 20, 2022 in Spain ⋅ ☁️ 12 °C

    Mit nur 2 Personen im Schlafsaal wird die Nacht sehr ruhig, wobei Marc aus Frankreich ein bisschen schnarcht. Insgesamt sind wohl 6 Personen in der Unterkunft, aber sie haben jeweils nur 2 Personen in einen Schlafsaal, damit wir Platz und Ruhe haben, was ich sehr genieße.
    Um halb 7 stehen wir auf, um unsere Sachen vor dem Frühstück zu packen. Beim Frühstück sind wir zu 4 und Marc versucht sich mit mir zu unterhalten. Für einen Franzosen spricht er unerwartet gut Englisch und sogar ein paar Sätze Deutsch. Trotzdem hoffe ich, dass sich bald rumspricht, dass ich morgens nicht sehr gesprächig bin. Das Frühstück ist gut und Christine und Simone bieten jederzeit Nachschlag an. Für dem Service und die Ausstattung könnten sie definitiv mehr verlangen, zum Abschied gibt es sogar noch ein kleines Geschenktütchen mit einem Anhänger und einem Täfelchen Lindt. Ob eine der beiden Gemeinde-oder Pastoralreferentin ist? Sowas kenne ich auf jeden Fall aus deutschen Gemeinden und freue mich sehr.

    Kurz vor 8 mache ich mich auf den Weg aus Pamplona und laufe eine kleine Abkürzung zurück zum Hauptweg, gehe aber kein Risiko ein und biege lieber ein Stück zu früh wieder auf den ausgeschilderten Weg ein. Marc wird mir später erzählen, dass er mir erst gefolgt ist, aber dann dachte, ich sei falsch und er könne noch mehr abkürzen und am Ende wohl einen Umweg von mehreren Kilometern hatte. Alle mit denen ich laufe sind begeistert, wie gut und schnell ich immer Wegweiser und Hinweisschilder entdecke, ich finde sie eigentlich meistens ziemlich eindeutig.

    Noch in Pamplona laufe ich an einer Gruppe Pilger vorbei, die gerade frühstücken und mich fröhlich grüßen, man kennt sich inzwischen zumindest vom Sehen. Ich bin noch nicht ganz aus Pamplona raus, da spricht mich jemand von hinten an "Du bist doch die Deutsche!" Guten Morgen erst mal, aber ja, anscheinend bin ich die. Max kommt auch aus Deutschland und hat seinen Bachelor in Wirtschaftsinformatik abgeschlossen, endlich mal jemand in meinem Alter (bzw. jünger...) Wir hatten uns bereits in Roncesvalles kurz gesehen und als Deutsche identifiziert, gestern war er sich unterwegs aber unsicher, weil ich beim Laufen eine Mütze trage. Gemeinsam laufen wir die erste Stunde und auch wenn sein Tempo ein klein wenig schnell für mich ist, geht es beim Erzählen viel besser voran. Wir treffen uns ansonsten regelmäßig beim Pause machen, wenn ich ihn einhole und seinen Pausenplatz übernehme.

    Der Aufstieg klappt besser als gedacht und ich komme zügig voran, mache aber trotzdem mehr Pausen als die Meisten. Bei einer Pause holen mich die beiden deutschsprachigen Männer ein, die ich die letzten beiden Tage mit Rob gesehen habe. Der eine möchte seinen Lauf nicht unterbrechen, der andere spricht mich an, während ich gerade ein Foto mache um meine Pause zu rechtfertigen. Was für ein tolles Motiv ich da gefunden hätte und was für ein tolles Symbol dieser alte Baum sei. Ok, ich fand ihn einfach nur hübsch anzusehen. Was ich eigentlich in Heidelberg studieren würde, möchte er wissen. Ich spule meine Einleitung zu Computerlinguistik ab, die ich die letzten Tage unzählige Male auf deutsch und englisch vorgetragen habe. Der Mann entgegnet, dass er mich so gar nicht eingeschätzt hätte. Eher was soziales oder sogar Theologie. Etwas verwundert gebe ich zu, dass ich vorher tatsächlich Theologie studiert habe und es stellt sich heraus, dass er auch Theologe ist, aber dann Sozialarbeit dran gehängt hat und jetzt in diesem Bereich arbeitet. Kurz darauf verabschiedet er sich, um seinen Freund wieder einzuholen.
    Ich bleibe irritiert zurück, wir haben gestern vielleicht drei Sätze gewechselt, die sicher nicht mehr Informationen als meinen Namen und den Studienort beinhalteten. Sehe ich mehr wie eine Theologin aus als wie eine Computerlinguistin? Oder hat vielleicht Rob geplaudert, denn ihm und dem koreanischen Jungen habe ich bisher als Einzigen von meinem vorherigen Studium erzählt. Das Rätsel löst sich, als ich die beiden Herren kurz darauf bei der Mittagspause im letzten Ort vor dem Gipfel treffe. Sie stellen sich endlich ordentlich vor, Gottfried und Michael. Sie laufen seit 30 Jahren zusammen auf unterschiedlichen Strecken und anscheinend stand Michael bei der Messe in Roncesvalles beim Pilgersegen neben mir und hat seinem Freund danach berichtet, dass die junge Frau neben ihm das Salve Regina auf Latein komplett mitsingen konnte. Das stimmt zwar nicht, da ich hauptsächlich gesummt habe, aber passt anscheinend nicht zu dem Bild einer Computerlinguistin. Wir unterhalten uns, während wir eine längere Pause machen und starten zusammen auf das nächste Stück den Gipfel hinauf. Zwischendurch laufe ich schneller als sie und komme so kurz vor ihnen oben an.

    Der Ausblick ist gigantisch. Zu sehen, wie weit wir schon gekommen sind, ist beeindruckend und als mich die beiden kurz danach einholen, machen sie netterweise ein Foto von mir. Auch Patrick und Margret kommen kurz danach auf dem Gipfel an, ich hatte mir schon Sorgen gemacht, weil ich sie heute noch nicht überholt habe. Sie sind ziemlich langsam unterwegs, sind aber heute extrem früh gestartet. Sie werden aber nur noch bis zum nächsten Ort laufen, was ich auch überlege, da ich meine Füße an einigen Stellen spüre. Patrick übersetzt mir netterweise noch die spanischen Infoschilder zu den Denkmälern für einige Franco-Opfer und wir können noch ein paar Adler unter uns beobachten, dann mache ich mich mit Gottfried und Michael an den Abstieg.

    Die beiden werde ich heute gar nicht mehr los und sie erzählen mir beide aus ihrem Leben. Der Abstieg führt steil über Geröll und ist sehr anstrengend und unangenehm. Kurz vor dem nächsten Ort, der eine offene Unterkunft hat, holt uns noch Christian ein. Man kennt sich bereits, Gottfried, Christian und Max haben anscheinend gestern bis 1 Uhr gemeinsam in Pamplona getrunken. Wie die alle trotzdem heute so fit sein können?
    Ich mache eine kurze Pause um zu entscheiden, ob ich auch noch die 8 km bis Puente la Reina laufe oder in der nächsten Herberge absteige. Auch wenn ich mehrere Blasen spüre, ist es erst Viertel nach 1 und aufhören hört sich zu früh an. Ich beschließe weiterzugehen, treffe vor der Herberge aber auf eine große Runde mit Max, Gottfried, Michael, Christian und zwei mir noch unbekannten Spaniern. Ein großes Hallo und ich werde zur nächsten Pause überredet. Keiner will hier bleiben, aber ein Bier oder einen Wein zur Mittagspause sei doch nicht verkehrt. Außerdem wollen sie auf Carmen warten, oder zumindest jemand, der sie nach dem Gipfel gesehen hat. Ich kenne Carmen noch nicht, aber anscheinend hatte sie gestern Knieprobleme und sie wollen wissen, ob sie den Abstieg heil schafft. Ich finde es toll, wie hier eine solche Gemeinschaft entsteht und jeder nach dem anderen Ausschau hält. Trotzdem breche ich kurz nach Max und den anderen beiden Deutschen auf, wenn ich noch 7 km vor mir habe, muss ich das bald in Angriff nehmen.

    Schnell hole ich Gottfried und Michael wieder ein und sie erzählen mir viele Dinge. Sie haben für heute allerdings vorhin Betten in einer kleinen Albergue reserviert, da sie gestern in der größten am Ort waren und das wohl sehr laut. Ich peile heute jedoch genau die Größte am Ort an, da sie nah am Ortseingang liegt, sicher noch Betten frei hat und wenn ich mich schon so weit gequält habe, will ich die anderen Pilger heute auch wieder treffen.

    Vor Ort kriege ich ein unteres Bett, anscheinend belegen sie sowieso nur jedes zweite Bett und der Raum beinhaltet 4 Hochbetten, von denen jeweils das untere belegt und jeweils zwei mit einer kleinen Trennwand abgetrennt sind. Das Bett neben mir belegt Max, der gleich fragt, ob ich mich später zum Essen gehen anschließen will. Zuerst will ich jedoch duschen und stelle dabei fest, dass meine Füße schlimmer aussehen als gedacht. Die Blase an der Ferse ist keine Blase, sondern eine offene Stelle, am gleichen Fuß habe ich eine Blase an der Fußsohle und eine kleine vorne am Zeh, vermutlich vom Bergabgehen. Am anderen Fuß hat sich eine Blase zwischen dem großen und dem benachbarten Zeh gebildet, ich habe keine Ahnung, wie das passieren konnte. Ich klebe alles ab und tape die Füße ordentlich ab. Aber ich werde mich heute keinen Schritt mehr bewegen und esse das Brot, was ich gestern ja eh gekauft habe. Für heute reicht es, die Stadt schaue ich mir auch einfach morgen beim Durchlaufen an.
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