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  • Day 12

    Nájera - Santo Domingo d. l. C. (~21km)

    March 26, 2022 in Spain ⋅ ☀️ 13 °C

    Obwohl wir nur zu dritt im riesigen Schlafsaal sind und alles ruhig ist, schlafe ich nicht so gut. Simon scheint es ähnlich zu gehen, denn als ich um sieben aufstehe, ist sein Bett leer und es klang, als wäre er vor Stunden bereits nach draußen verschwunden. Vielleicht wollte er aber auch einfach nur den Sonnenaufgang schauen.

    Davide hat sich beim Frühstück selbst übertroffen, es gibt angeröstetes Baguette, dazu einen selbstgemachten Tomaten-Ölaufstrich, eingelegten Käse (den ich aber leider nicht mehr geschafft habe zu probieren), eine Art arme Ritter und vor allem jede Menge Churros, in viel Fett frittiert und mit ordentlich Zucker, die extrem gut schmecken. Zumindest Simon scheint noch weniger ein Morgenmensch zu sein als ich und beginnt erst nach einer ordentlichen Tasse Kaffee sich am Gespräch zu beteiligen. Wir lassen es uns alle ordentlich schmecken und ich werfe anschließend nochmal extra was in die Spendenkasse, den sowohl Frühstück als auch Abendessen waren rein spendenbasiert, wie die ganze Unterkunft, die nur einen kleinen verpflichtenden Beitrag für die Übernachtung verlangt. So gut wäre es mir in der deutlich teureren privaten Herberge im gleichen Ort sicher nicht ergangen.

    Beim Frühstück entdecke ich an einer Wand ein Plakat mit genau dem irischen Segenswunsch, auf dem das Lied "Möge die Straße" basiert, das ich vor einigen Tagen schon als Ohrwurm hatte. Anscheinend scheint das diesmal das Motto meines Jakobsweges zu sein, das gefällt mir gut. Um zwanzig nach Acht mache ich mich auf den Weg und bin gespannt, ob ich mich so satt überhaupt bewegen kann.

    Anscheinend gibt der viele Zucker und das Fett aber ordentlich Energie und so bin ich auf dem ersten Stück deutlich schneller unterwegs als die letzten Tage. Dazu trägt sicher auch das tolle Wetter bei, das gar nicht dem vorhergesagten Regen entspricht. Es ist das erste Mal, dass die Vorhersage in meiner App nicht stimmt und ich laufe den ganzen Tag bei strahlendem Sonnenschein und es wird sogar so warm, dass ich die Jacke ausziehen kann. Die Ferse fühlt sich ok an und ich komme sehr gut voran. Außerdem treffe ich heute unterwegs wieder viel mehr andere Pilger, wobei die sich untereinander zu kennen scheinen. Ich bin nun wohl in dem Schwung, der einen Tag nach meiner ursprünglichen "Gruppe" gestartet ist. Wirklich motiviert dazu, schon wieder neue Leute kennenzulernen, bin ich heute aber nicht und belasse es so meistens nur bei einem freundlichen "Buen Camino" als Gruß.

    Das Laufen macht dafür aber wieder mehr Spaß, ist aber trotzdem anstrengend, da es über mehrere Hügel geht. Um zwei erreiche ich den Stadtrand von Santo Domingo de la Calzada und überlege tatsächlich kurz, ob ich noch weitergehe. Ich möchte mir aber hier die Kathedrale anschauen und außerdem meinen Füßen definitiv nicht zu viel zumuten und steige um halb 3 deshalb in der Albergue ab.

    Die Unterkunft ist sehr groß und kann im Sommer wohl über 200 Pilgern Platz bieten, hat zur Zeit aber nur zwei Schlafsäle mit je 15 Betten geöffnet. Der Vorteil ist, dass es alles niedrige Betten und keine Stockbetten sind, der Nachteil, dass sie unter dem Dach liegen und man mit müden Beinen eine Menge Stufen bewältigen muss. Dafür gibt es aber endlich mal wieder WLAN, sodass ich den Blog updaten kann. Viele, die so früh den Ort erreichen, gehen wohl weiter und so bin ich unter den Ersten und nutze das gleich aus, da es nur zwei Duschen für Frauen gibt, die im Laufe des Tages sicher nicht schöner werden. Bis abends füllt sich mindestens mein Schlafsaal komplett.

    Ich schaue mir zuerst mal meine Ferse an und bin ernüchtert. Obwohl es heute Morgen so aussah, als ob sich endlich eine Schicht Wundschorf bilden würde, sieht es inzwischen wieder wie ein offenes Loch aus, tut aber zum Glück weiterhin nicht wirklich weh. Dafür ist nun zusätzlich auch noch der Knöchel geschwollen, vermutlich bin ich vor lauter schönem Wetter und guter Laune zu schnell und mit zu wenigen Pausen gelaufen. Ich beschließe, mir erst mal die Kathedrale anzuschauen, bevor ich weitere Pläne mache.

    Der ganze Ort ist sehr touristisch und die Kathedrale samt angeschlossener Ausstellung kostet Eintritt, ist für Pilger aber ermäßigt. Dafür muss ich mich nicht mal mit meinem Credential ausweisen, das Outfit aus Leggins, Fleecepullover und Socken in Sandalen ist wohl aussagekräftig genug. Die Kirche ist beeindruckend und auch die Ausstellung von verschiedenen Figuren ganz interessant, wobei ich für einen Audioguide heute keine Energie mehr habe. Einige Marienfiguren finde ich extrem hässlich, aber vielleicht war das auch das Thema der Ausstellung. Dafür gefällt mir die Krypta mit modernen Mosaiken auf den zweiten Blick unerwartet gut.

    Das Highlight sind aber natürlich die Hühner. Die dazugehörige Legende habe ich bei den Fotos aus dem Reiseführer abfotografiert angehängt. Es heißt, wenn die Hühner krähen oder gackern, wenn man als Pilger in der Kathedrale ist, soll es Glück für den weiteren Weg bringen. Leider sind die Tiere die komplette Zeit, in der ich die Kathedrale besichtige, still und ich überlege, ob ich es als Zeichen für den Abbruch meines Weges sehen soll. Im Hof meiner Unterkunft entdecke ich dann jedoch den Käfig mit den weiteren "Ersatz"-Hühnern, die sich anscheinend in Schichten von je zwei Wochen den Job teilen, und diese gackern extra für mich.

    Trotzdem buche ich später am Abend zur Sicherheit ein Ticket für den Flixbus am Dienstag Abend nach Aachen, mit dem ich am Mittwoch Abend dann ankäme. Am Dienstag bin ich in Burgos und von dort komme ich nicht nur gut heim, sondern könnte auch irgendwann erneut wieder einsteigen, wenn ich diesmal abbrechen muss. Man kann das Flixbus-Ticket bis 15 Minuten vor Abfahrt umbuchen/gegen einen Gutschein tauschen, falls ich mich entschließe, noch weiterzugehen und von woanders heimzufahren. So bin ich aber auf der sichereren Seite, bevor der Bus ausgebucht wäre und ich am Dienstag heim will/muss und kann schauen, wie sich der Fuß die nächsten zwei Tage entwickelt. Es wäre zwar schade, abbrechen zu müssen, aber allein für die zwei Wochen hat es sich auf jeden Fall gelohnt und der Camino läuft mir ja nicht weg, vor allem wenn ich ihn in Zukunft einfach weiter in zwei Wochen Etappen laufen würde. Damit käme ich beim nächsten Mal auf jeden Fall von Burgos bis Leon, wo ich 2018 schon mal gestartet bin. Aber mal sehen, vielleicht wird auch alles besser und ich kann dieses Mal noch weitergehen.
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