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  • Day 46

    Tag 44: Von Boppard nach Rüdesheim

    May 23, 2022 in Germany ⋅ 🌧 23 °C

    Jetzt bin ich in der Weinseligkeit angekommen. Rüdesheim am Rhein, die Stadt im Rheingau, die Stadt des Rieslings. Dank meiner Zimmerwirtin lande ich nicht in der Drosselgasse (Weinlokal an Weinlokal in einer zwei Meter breiten und 144 m langen Kopfsteinpflaststraße mit jährlich angeblich drei Millionen Besuchern) sondern in der Strausswirtschaft der Familie Philipp eine Straße weiter. Sooo schön ist es hier. Ich habe die Wahl zwischen Limburger Käs mit Musik, Spundekäs, Käsescheiterhaufen oder "Grüne Soße" mit Ei und Kartoffeln (für die ich mich entscheide) und lausche den Erzählungen der Wirtin. Mindestens 75 % der Weinanbaufläche des Rheingaus gehören demnach dem Riesling. Die verschiedenen Böden der Weinberge (Kiesel, Quarzit, Mergelböden, Löss, Schiefer und Sandstein) in Kombination mit den warmen Sommern und den milden Wintern lassen einen hervorragenden Wein entstehen... was ich nur bestätigen kann (ich bestelle gleich 24 Flaschen...).
    Kaiser Karl dem Großen muss man wohl danken, dass es die "Straussen" überhaupt gibt. Er soll den Winzern einen Ausschank direkt ab Hof erlaubt haben, ein Geschäft, was die Winzer gerne mitnahmen. War kein Platz da, räumte man Wohnzimmer oder auch Schlafzimmer frei, stellte ein paar Bänke auf, und schon war jedem geholfen. Und "schnöggelig" war man auch nicht. Es gab nur einen Riesling...im Keller in 3-Liter Krüge abgefüllt und reihum ausgeschenkt. Erst in den 60er Jahren sei dann das Essen hinzugekommen.
    Und wie wir Deutschen so sind, kamen auch die Regeln. So darf in Hessen eine "Strausse" nur vier Monate aufmachen (in anderen Bundesländern ähnlich)...man soll ja nicht Konkurrenz zur örtlichen Gastronomie mit Schnitzel und Pommes, Rouladen mit Rotkohl werden...
    Je später der Nachmittag um so mehr Gäste... und so sitze ich schnell nicht mehr alleine. Wieder sind es interessante Frauen, die ich kennenlerne - alles Einheimische. Eine Gymnasiallehrerin für Deutsch und katholische Religion, die begeistert von Waldpädagogik erzählt, eine Witwe, die bereits seit vielen Jahren alleine die Welt bereist (Länder wie Myanmar, Usbekistan, Niger...) oder eine Erzieherin, die nach 30 Jahren Luxemburg wieder in ihre Heimat zurückgekehrt ist...spannend, ihren Erzählungen zu lauschen.
    Schon der heutige Morgen fängt interessant an. Meine jungen Wirte kommen aus Moldavien und haben erst vor einem Jahr das etwas heruntergekommene Hotel in Filsen (bei Boppard) gekauft. Ich bewundere so sehr ihren Idealismus und ihren Glauben daran, dass sie etwas erreichen werden....Und wenn nächstes Jahr ihre Töchter kommen, dann wird alles gut....Was ihnen auf jeden Fall gelingt, ist ein phantastisches Frühstück und ich starte wider Erwarten trocken (eigentlich soll es in Strömen regnen) in Richtung Fähre, die ich gerade noch so erreiche...
    Fortan geht es durch das UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal. Die Strecke zwischen Koblenz und Mainz gilt als das schönste Stück des gesamten Rheins zwischen Alpen und Nordsee. Und es ist wirklich schön hier zu radeln. Straße und Bahn sind nicht mehr zwischen mir und dem Rhein sondern rechts daneben, die Landschaft wirkt rau und wild und die Weinorte sind wunderschön. In Bad Salzig bewundere ich die größte freihängende Kuckucksuhr der Welt (warum hängt die eigentlich nicht im Schwarzwald?), in St. Goar das Loreley-Haus (in ihm soll einst die "Lurlei" ihre Jugendjahre verbracht haben) und in Boppard die wunderschönen alten Fachwerkhäuser. Aber die schönsten Ausblicke sind immer wieder auf den Rhein und die teils enorm hohen Felsen mit gefühlt unendlich vielen Burgen (ca. 30 sollen es sein). Der berühmteste ist wohl der Loreley-Felsen, auf dem sich die schöne Nixe Loreley ihr langes Haar mit einem goldenen Kamm gekämmt und dabei betörend gesungen haben soll. Der Lockruf ihres Liedes soll für alle tödlich geendet haben...
    Und noch jemand soll grausam den Tod gefunden haben..., Hatto, der Erzbischof von Mainz. Dieser soll zur Strafe für seine Grausamkeit von Mäusen im Binger Mäuseturm bei lebendigem Leib verschlungen worden sein...den Turm im Rhein sieht man noch heute...
    Eine weitere grausame Begegnung könnte ich haben, erspare ich mir aber (zumindest in meiner Welt), den Rüdesheimer Kaffee. Eine Mischung aus Kaffee, 4 cl Asbach Uralt, 3 Würfelzucker, Sahne und Schokoladenraspeln, das Ganze flambiert...
    Da bleibe ich doch lieber beim Riesling...
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