• Tag 1

    March 15 in Italy ⋅ ❄️ 1 °C

    Ein neuer Morgen – das Unbekannte in mir

    Der Start von Tag 1 dieser Geschichte beginnt in der Nacht. Ich liege gemütlich und eingekuschelt in meinem Bett, welches erstaunlich gemütlich ist. Unerwartet und plötzlich werde ich geweckt. Nichts ungewöhnliches ist zu sehen oder zu hören. Der Antrieb in mir selbst hat mich geweckt. Die morgendlichen ToDo-Themen, bevor es in den vorab schon geplant anstrengenden Skitag geht, müssen erledigt werden.
    05:40 Uhr vergeht. Um 07:20 Uhr bimmelt der Wecker. Also nochmal umdrehen und den Stern betrachten, welcher sehr nah an mir liegt und nun einen Platz auf dem Kissen neben mir findet. Ruhe – Gelassenheit – Vertrauen. Die Nacht war entspannt und hat mir Kraft gegeben.
    Auf auf! Als der Wecker nun klingelt, geht es los. Geschwind angezogen, die verschiedenen Layer lagen abends schon bereit. Eine dicke Skisunterwäsche, Skihose, wärme speichernde Bottom-Layer, Merino-Pulli, dünner Sport-Hoodie und Skijacke. Geplant sind minus 6-7 Grad auf dem Berg, gepaart von unregelmäßigem Schneefall und Nebel. Zumindest hier auf dem Berg in Canzei. Doch die Lektion lerne ich später.
    Der Plan: Was zum Frühstücken holen, Ski-Pass kaufen und Ski leihen. Zurück zur Unterkunft, frühstücken und dann wieder los. Treffpunkt 09:30 Uhr an der Gondel rauf auf den Berg.
    Verträumt und doch sehr wach laufe ich los. Alles ist in fußläufiger Reichweite. Bei der Bäckerin angekommen – eine Mitte 70-Jährige Dame, die ihr Handwerk mit Leidenschaft auslebt – kurze Ernüchterung. Um 08:10 Uhr ist ihre Theke Quasi leergefegt. Macht ja nichts, denke ich mir. Ein Croissant mit Schoki hat sie noch und die Auslage des Kuchens für den Tag. So wandert noch ein Schoko-Keks mit Macadamia- und Erdnüssen in meine Tasche.
    Apropos Tasche. Ich habe meinen „Koffer“ gefüllt mit meinen Skischuhen dabei. Damit wandere ich nun wieder zurück. Fix den Skipass gekauft und weiter geht es zum Ski-Verleih. Ein aufgeräumter Laden mit moderner Optik plus Mitarbeiter in meinem Alter. Das fließende Englisch wird ausgepackt, ich mache schnell einen Self-Check-In. Wie groß, wie schwer, welches Skill-Level, welche Teile brauche ich. Das geht fix und wir gebrandet auf mich und meine Unterkunft. Danach holt mich ein Mitarbeiter ab. Wir vertiefen uns schnell in ein Fachgespräch über Skifahren. Was möchte ich? Welche Art bevorzuge ich?
    Ein interessantes Gespräch für mich. Noch nie habe ich so offen über Pro und Kons meines Könnens so spezifisch auf eine Freizeitaktivität gesprochen. Der Schuh wird letztlich eingemessen und die Ski eingestellt. All-Mountain, mit guten Dreheigenschaften, etwas länger als ich sonst hatte und zu Hause habe.
    Danach geht es gemütlich nach Hause, die ersten Triumphe des Tages wurden eingefahren. In der Bäckerei hatte ich mir noch ein Elektrolyth-haltiges Getränk mitgenommen. Schaden kann es nicht 😉. Genüsslich und in Ruhe wird es verspeist und dann auf zum Berg.
    Mich erwartet ein leichter Regen im Dorf. Auch da war angesagt. Oben sehe – zumindest so weit ich jetzt sehen kann – Schnee auf den Nadelbäumen. Das zeugt von Powder als Auflage.
    K&C warten draußen, während ich schon drin bin. Ein fröhliches Guten Morgen wird zu einer entspannten Auffahrt. Schnell wird klar – da ist Nebel – und damit verbunden Feuchtigkeit. Oben angekommen geht es einmal rüber zur nächsten Gondel. Wenige Leute sind hier unterwegs. Leichter Schneefall stellt sich ein.
    Vorerst ganz oben angekommen, wabert der Nebel um uns herum. Leicht Kalt, doch nicht frierend legt er sich auf das Blickfeld. Von den imposanten Steingebirgen fehlt jede Spur. Nur ganz leicht und schwer zu erkennen sind da umrisse in der Hell-Grauen Suppe.
    Also Fokus auf die Technik. Ich merke schnell, dass sich hier schwererer, feuchter Neuschnee gut 2-3 cm auf die Raupen-Arbeit der Nacht gelegt hat. Dennoch weiten sich meine Schwünge und ich fühle den Rhythmus der Muskeln. A bisserl sehr warm.
    Clausi fährt mit schnellem Fuß vorne weg; ich in der Mitte, Kati hinten dran. Ob da wohl Angst mitschwingt, mich schnell einsammeln zu müssen? Weit gefehlt, dass kann ich besser. Weiß ich, brauche ich niemandem zu beweisen. Leichte Unsicherheiten machen sich breit, als es zu den ersten „Hügelchen“ im Schnee kommt. Einfach durch und auf Können+Material vertrauen.
    So fahren wir gut 2 Stunden vor uns hin. Hoch-runter-suppig bis mauer Ausblick, von steil bis flach ist alles dabei. Der vorerst Zielpunkt: eine Hütte um 12 inkl. Eines Treffens mit Bekannten. Freue ich mich drauf!
    Dort angekommen erwartet uns ein moderne Hütte mit Flair und moderner Musik aus den Boxen. Coole Sache. In Summe sind wir zu 9. Ein Teil hat ihren letzten Skitag, ein Teil kam gerade erst an. Sehr entspannte Gespräche machen sich breit und ich bestell mir Bier und Thunfisch. Es ist eine luxuriöse Kombi, die mundet und trotzdem nach einer weiteren Schoko-Eskapade schreit. „Verdammt“ denke ich mir kurz und bestelle trotzdem. Sacher-Torte, was sonst.
    Weiter geht es. Wir cruisen entspannt runter, halb wieder hoch, runter und hoch. Die berühmte Runde hier vor Ort ein Teil mitnehmen.
    Doch dann macht uns das Wetter ein Strich durch die Rechnung. Lawinen-Warnstufe 4 gepaart mit Süd-Winden lassen die Runde unterbrechen und wir stehen vor einem Still-Stehenden Lift. Clausi erkennt es schnell, als wir weiter runterfahren – wieder ein Stück hoch und ein fettes Stück den Berg hoch wandern – oder wir fahren die Runde rum.
    Na dann los, die Runde rum. Das werden ordentlich Kilometer für Tag 1. Die Muskeln machen sich langsam bemerkbar und trotzdem ist der Schwung leicht und irgendwie grazil (zumindest denke ich das).
    Wir kommen in einem Dorf an. Hier lassen wir die anderen 6 hinter uns. Schnell hat sich eine eigene Dynamik eingestellt. Herzlich verabschieden wir uns, ohne vorher eine sonderbare Mischung aus Espresso mit Alkohol getrunken zu haben. Furchtbar lecker ist das Zeug und schießt direkt Wärme in den ganzen Körper!
    Rauf und weiter geht es. Das Ziel ist es letztlich, einen der letzten Lifte oberhalb von Canzei zu erwischen, damit wir nicht „stranden“ und Taxi fahren müssen. Es ist nicht hektisch, trödeln können wir trotzdem nicht. Die Abfahrten werden relativ straight und doch mit einem Schmunzeln durchgeführt. Da greife ich das Thema von vorhin auf. Es ist sehr krass, da man hinter einer Ecke easy fahren kann und bei der nächsten merkt, dass hier schwerer Neuschnee liegt. Das erfordert Finesse und Leichtigkeit, die manches mal Tief in die Knie geht. Die Muskeln laufen heiß, denn für mich heißt es Einbremsen. Dennoch passiert nichts und auf den guten Strecken lege ich ordentlich Zunder in den Kessel. Es brennt in mir auf ein gute Art. Die Leichtigkeit gepaart mit großen Schwüngen geben das übliche. Ein leichter Gewichtstipp auf den großen Zeh und der Ski kippt über. Der Rausch der Geschwindigkeit gepaart mit Präzision führt zu einem körperlichen wie seelischen Gleichgewicht. Ganz weit weg oben sehe ich kurz ein bisschen Sonne, während der Rausch zur Vorsicht übergeht. Zack, die nächste Nebelwand. Sichtweite maximal 30 Meter. Also langsam und behutsam vortasten, da die Schneedecke unter mir zu einem optischen Matsch gemixt wird.
    Und dann sind wir da. Am letzten Lift. Weitere Entspannung macht sich breit. Von hier aus geht es nur noch ins Dorf runter. Wir fahren an idyllischen Baumreihen vorbei und ein gefrorener Wasserfall säumt den Weg. So schön das Gebiet doch aufgrund der Steingebirge ist – von denen ich sehr wenig erspähen konnte – so schön in diese Abfahrt.
    Unten angekommen realisiere ich erst, wie viele Kilometer es letztlich waren. Ein Kraftakt geprägt von dem Gefühl abzuheben. Wir laufen die alte Straße wenige hundert Meter runter ins Dorf. Alte, typisch italienische, Häuser prägen den Weg. Wie idyllisch es hier doch ist. Man sieht Renovierungsarbeiten, die davon zeugen, dass man es nicht verkommen lassen möchte.
    Unser nächste Stop um mittlerweile 17:20 Uhr ist die Eisdiele in der Dorfmitte. Hier tummeln sich viele Menschen. Der Apres-Ski (abgesehen von den beiden Dorf-Discos) ist vorbei. Macht ja nix, wir suchen uns drinnen einen schönen Tisch am Ende. Hier ist noch Platz für mehr.
    Der Aperol im Glas schmeckt sanft und gefühlvoll. Als hätte jemand meinen ausgepowerten und glücklichen Köper-Zustand in ein Glas gefüllt. Unsere Sitznachbarn wechseln. Eigentlich war der Plan, die Skisachen nach Hause zu bringen und um 18:30 Uhr eine Pizza zu verspeisen. Doch dann kommen zwei Dänische Pärchen mittleren Alters. Man begrüßt sich und fängt an zu schwärmen. Wie kommen sie hier hin? Was bewegt sie? Die Urlaubsgeschichten werden ausgepackt. Alle kommen aus der Gegend südlich von Kopenhagen. Sie erzählen von Reisen nach Italien, die berühmte Amalfi Küste, die restliche Welt … Einfach viele Orte. Ich höre gebannt zu, wie sie davon berichten. Es lässt mich Tagträumen und mich treiben. Als wäre ich nicht hier und wie schön doch die Welt ist. Die Amalfi Küste landet auf der Agenda für Irgendwann.
    Es ist ein so intensives Gespräch – obwohl ich gar nicht beteiligt bin – das der Laden um uns herum schließt. Wir sind die letzten Gäste um kurz nach 19 Uhr. Das Service-Personal ist dankbar über den Feierabend.
    Also begeben wir uns raus und verabschieden uns abermals herzlich. Welch schönes Gespräch über die Welt, in der positives herrscht. Lustig war der Punkt, als wir gefragt wurden, wo in Deutschland Dänen Urlaub machen sollten – und weshalb Deutsche immer an die Westküste Dänemarks fahren. Das bleibt im Gedächtnis.
    Fix nach Hause (zum Glück nur runter) gestiefelt mit Sack und Pack. Welch Erleichterung, als ich die Skisschuhe zu Hause endlich ausgezogen haben. Da wird schnell die Kleidung gewechselt – schließlich wollen wir noch was Essen gehen. So landen wir im Hotel um die Ecke. Eine gute und einfache Küche erwartet uns, welche den Magen füllt. Die Füße sind geschwollen, sodass das diese so eben in die normalen Schuhe passen. Auch die Hüftmuskeln machen sich deutlich bemerkbar.
    So konträr die Situation auch sein mag – schwerer Beine vs. Leichtfüßigkeit – so macht es mir klar – heut war ein guter Tag und so wird dieser gespeichert. Müdigkeit wechselt mit Vorfreude mehr zu erleben. Die berühmte Architektur der Gebirge bei Sonnenschein! Ach ja, einkaufen und Stadt erkunden war ich nicht… kann ja noch kommen 😉
    Mich begleitet ein wunderbarer Stern, der auch heute noch über mich wacht und in dessen Ebenbild sich mein Licht spiegelt.
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