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  • Day 320

    San Cristóbal: Canyoning & Canyon

    February 10, 2023 in Mexico

    Wir fuhren mit dem Nachtbus von Mérida nach San Cristóbal - endlich endlich endlich mal wieder ein gemütlicher, großer Bus, in dem man die Sitze nach hinten fahren kann und die Füße nach oben. Ich schlief so hervorragend wie man in einem Bus schlafen kann (danke mal wieder an Pia für die Schlafmaske und die Oropax! 😍) und war echt recht fit als wir um 11 Uhr ins Hostel eincheckten.
    Wir machten uns direkt auf den Weg, um die schöne bunte Stadt zu erkunden. Wir kamen an unzähligen süßen Restaurants und kleinen Läden vorbei und machten Halt bei einer argentinischen Bäckerei, wo ich mir ein Schokobrötchen und Dominik sich eine Empanada gönnte. Unser kleiner Spaziergang endete an einer wunderschönen kleinen Kirche und danach verschlug es uns erstmal zurück ins Hostel, wo wir um 14 Uhr das Zimmer beziehen und ein paar Familientelefonate erledigen konnten.
    Danach wollten wir eine Veranstaltung besuchen, bei der jemand aus einer indigenen Community von dem Leben der Indigenen in der Region erzählen sollte. Da das Kulturhaus komischerweise geschlossen hatte, liefen wir etwas planlos rum. Auf dem Weg zum Plaza Principal kamen wir an einem Vintage/Secondhand-Laden vorbei und verfielen kurzerhand einem kleinen Shoppingtrip (Dominik fand Hemd + Pulli und ich einen Tommi Hilfiger Pulli für 5€). Angekommen am Plaza sprach uns ein Tourguide an, ob wir nicht Lust hätten an einer Free Walking Tour mitzumachen. Alle hatten sich schon versammelt und kurz vorgestellt, also gesellten wir uns dazu. Der nette Guide führte uns zuerst zu einem riesigen Markt, auf dem alles erdenklich mögliche verkauft wurde - von Lebensmitteln über Kerzen bis zu Bernstein und Anziehsachen war alles in zehnfacher Ausführung vorhanden. Wir erfuhren, dass San Cristóbal das Epizentrum für Bernsteinhandel ist und die Geschichte des Marktes ziemlich konfliktbehaftet. Als die indigenen Communities ihre Marktstände in der Stadt aufbauten, versuchte die örtliche Verwaltung von dort zu vertreiben. Es entstand ein großer Widerstand bis vor 9 Jahren endlich eine Einigung gefunden wurde. Die Menschen dürfen keine permanenten Läden errichten, weshalb alles auf Holzpaletten steht und mit Plastikplanen abgehängt ist. Im Gegenzug hält sich die öffentliche Hand raus und Polizisten sowie Beamten ist das Betreten des Marktes strengstens untersagt. Wie die Sicherheit gewährleistet wird? Das braucht es an diesem Ort gar nicht, ist sich unser Guide sicher. Taschendiebstähle gäbe es hier nicht. Und wenn jemand verdächtiges gesehen werden würde, hielten die Communities zusammen und würden etwas unternehmen.
    Der Umstand auf dem Markt zeigt die sehr schlechten Beziehungen zwischen den indigenen Menschen und der öffentlichen Institutionen im Land.

    Diesen Eindruck bestärkt uns der Barkeeper im Ginger Pub. Er erklärt, dass es in Mexiko an Zusammengehörigkeitsgefühl mangelt und er kritisierte den Kolonialismus, der für die immer noch sehr präsente Trennung von einheimischen und Menschen, die vom Spaniern abstammen, verantwortlich sei. In der Stadt Puebla, nahe Mexiko City, wohnen wohl viele wohlhabende Weiße. Viele gehen zum Studieren dorthin mit dem Ziel eine spanischabstammende Frau kennenzulernen und im besten Fall zu heiraten. Viele Mexikaner sehen es als hohen Status an, wenn sie mit jemandem, der europäisches Blut hat, verheiratet sind. Sehr traurig immer wieder vor Augen geführt zu bekommen, wie tiefgreifend die Folgen des Kolonialismus nicht nur ökologisch, sondern ganz besonders auch sozial die Regionen immer noch beeinflussen und er gesellschaftliche Strukturen geschaffen hat, in denen sich Menschen minderwertig fühlen und eine Ethnie aufgewertet wird...

    Zurück zur Free Walking Tour, wo dieses Thema ebenfalls sehr präsent war. In San Cristóbal gibt es viel Streetart, die den Widerstand der indigenen Bevölkerung gegen ihre Westernarisierung zeigt.
    Neben diesen schwere, gesellschaftlichen Themen zeigte uns der Guide aber auch schöne Cafés und Restaurants. Meine beiden Highlights waren die Tastings. In Mexiko sind Softdrinks wenig populär. Dafür gibt es an jeder Ecke ein Auga fresco - frisches Wasser. Täglich wechselt das Angebot von Wasser, dass mit pürierten frischen Früchten gemischt. Heute gab es Wassermelonen-Wasser - zum Glück durfte ich Dominiks auch noch haben. :D
    Für das zweite Tasting wurden wir in eine kleine Schnapsbrennerei geführt, um die in dem Bundesstaat Chiapas heimische Spirituose Poxna (ausgesprochen: Posch) zu probieren: Hibiskus und Schoko kommen auf meine Favoritenliste.

    Danach traf ich Dominik wieder, der sich während der Tour abgesetzt hatte, um - wie könnte es anders sein - zum Arzt zu gehen. Seit ein paar Tagen hat er eine komische Stelle am Rücken, die erst aussah wie ein Pickel und dann wuchs und wuchs. Der Arzt meinte, es wäre eine Entzündung und Antibiotikum nehmen würde reichen. Naja, mal sehen...

    Den ersten Abend verbrachten wir mit Kochen im Hostel. Die gut ausgestattete Küche hatte sogar einen Ofen. Da niemand anderes außer uns die Küche nutzte, fuhren wir auf und es gab Rosmarinkartoffeln mit Lauchgemüse und einer Art Kohlrabi (es ist keine, die Frucht ist größer und etwas süßlicher, aber die Konsistenz und Farbe ist identisch mit unserer Kohlrabi, die wir übrigens noch nirgendwo gefunden haben und schon sehr vermissen!) und für Dominik naturgebratenes Hähnchen. 😍

    Am nächsten Morgen ging es schon um 8 Uhr los. Wir hatten eine Canyoning-Tour gebucht, die eine Stunde außerhalb der Stadt in einer riesigen Höhle sein sollte. Zusammen mit zwei Israelis und zwei Guides war unsere kleine Gruppe komplett, was super war: Je kleiner die Gruppe, desto besser beim Canyoning, sonst wartet man ewig.
    Der zwei Kilometer lange Rundweg durch die schwarzen Tiefen waren atemberaubend. Zum einen, weil die Luft tatsächlich immer dünner wurde, zum anderen weil wir noch nir Canyoning in einer Höhle gemacht hatten.
    Der erste Part bestand aus Klettern. Es ging immer weiter bergauf, bis wir irgendwann eine riesige Kammer erreichten. Die Guides meinten, die Wände wären bis zu 100 Meter hoch. Dort machten wir eine Mittagspause und wurde mit Snacks und Getränken versorgt. Wir wurden immer wieder unterbrochen von den Vögeln, die knapp an unseren Köpfen vorbeischossen, wahrscheinlich irritiert vom Licht unserer Kopflampen. "They are lost. Unfortunately, we can't help them.", kommentierte unser Guide, die etwas verwirrt wirkenden Vögel. Er erklärte, sie würden in der Höhle Schutz suchen und dann die Orientierung verlieren, wodurch sie gefangen sind und nicht mehr herausfinden. Sie waren so verwirrt, dass sie unsere Körper manchmal als Ausruhplatz wählten. An den glatten Wänden fanden sie kaum Halt, um sich auszuruhen und flatterten dementsprechend wild hin und her.

    Nach der Mittagspause wurde der zweite Teil der Route mit einem Sprung ins 7 Grad kalte Wasser eingeläutet. Um den Ausgang zu erreichten, folgten wir einfach dem Fluss. Unsere Guides erklärten uns jede Kletterpassage und jeden Sprung ausführlichst - besonders nach Dominiks Geschmack zu ausführlichst.

    Ein besonderes Highlight wartete noch kurz vor Ende auf uns: Vier kleine Baby-Fledermäuse hingen knapp über unseren Köpfen und führten einen verspielten Tanz auf, bevor sie aufgeregt losflatterten.

    Zurück in San Cristóbal aßen wir in einem argentinisch geführten Restaurant. "Die besten Empanadas, die ich je gegessen habe", stellte Dominik nach der Vorspeise fest. Das Geheimnis war wahrscheinlich, dass es keine richtigen Empanadas waren, sondern wie eine Art Pastete gefüllter Blätterteig. Meiner war gefüllt mit Humita - mein Lieblingsstreetfood aus dem argentinischen Norden. 😍 Wir wollten den Abend nach dem Restaurantbesuch noch nicht ausklingen lassen und besuchten noch das Ginger Lab, eine Cocktailbar, die bei der Free Walking Tour empfohlen wurde. Wir waren die einzigen Gäste eine Stunde vor Ladenschluss und hatten einen netten Plausch mit dem Besitzer, der uns gleich noch ein paar Bar-Empfehlungen für Mexiko City mitgab.

    Am nächsten Tag klingelte der Wecker wieder um 7 Uhr, denn wir hatten eine Tagestour zu dem berühmten Sumidero Cañyon gebucht und mussten vorher schon auschecken. Abends sollten wir wieder einen Nachtbus nehmen, diesmal mit dem Ziel Pazifikküste in den kleinen Strandort Zipolite.
    Angekommen am Aussichtspunkt des Canyons waren wir sprachlos. So hohe Steilwände hatten wir noch nie gesehen! Wunderschön!
    Der nette Fahrer Anchel brachte uns zum Bootsanleger, wo eine 2-stündige Tour einmal durch den gesamten Canyon begann. Es war so cool außerhalb des Canyons zu starten und dann langsam die immer steiler werdenden Steine zu sehen, die sich plötzlich zum Eingang in den riesigen Canyon formen. Der Kapitän erklärte, dass in der Regenzeit viele viele Wasserfälle von den Abhängen in den Fluss stürzen. Er zeigte uns eine besonders schöne Stelle, die jetzt, wo kein Wasser fließt, überwuchert ist mit Pflanzen und Blumen jeder Art. Alles war wunderschön, mit einer Ausnahme: Je weiter wir in den Canyon hineinfuhren, desto mehr Plastikmüll sammelte sich an den Ufern. Es führte regelrecht eine Plastikstraße neben dem Boot her ... 😔
    Unser Kapitän kannte sich super aus und erspähte einen Spidermonkey, einen Kaiman und zwei große Krokodile! 🐒🐊🐊
    Die Tour endete in einem süßen Örtchen am Ufer des Flusses, in dem wir noch 1,5 Stunden Zeit hatten bis es wieder zurück nach San Cristóbal ging.
    In Chiapa de Corzo findet man das einzige Backsteinbauwerk im gesamten Bundesstaat (undenkbar für uns Deutsche 😂) - ein Brunnen in Form einer Königskrone. Die Spanier wollten damit ein Zeichen ihrer Dominanz über die Region ausdrücken.

    In San Cristóbal hatten wir nur noch eine gute Stunde Zeit, um etwas zu Essen und dann den Bus um 19:15 Uhr zu erwischen.

    Ich schreibe den Post gerade im Bus zurück von Chiapas nach San Cristóbal - das ist ein Rekord und eine große Ausnahme. Quasi in Echtzeit entsteht dieser Beitrag!! :D

    Unser Fazit zu San Cristóbal: Die Stadt ist sehenswert und auch das Umland wunderschön! Zu Dominiks Unzufriedenheit haben wir und aber nur zwei Tage hier Zeit gegeben. Wir fühlen mittlerweile das Ende in großen Schritten kommen und wollen gerne noch so viel in Mexiko sehen, aber auch noch genug Zeit mit unserem Freund Ricardo in Mexiko City haben. Ein neues Gefühl schleicht sich so langsam wieder ein: die Opportunitätskosten - eine Entscheidung für etwas bedeutet gleichzeit eine Entscheidung gegen etwas anderes. Wir haben nicht mehr unbegrenzt Zeit und das Gefühl, was damit verbunden war über viele Monate, vermisse ich jetzt schon... 😐
    Wir merken, dass wir uns jetzt viel mehr daran erinnern: Wir müssen die Zeit genießen! Alles muss schön und toll sein, wie wir es auch manchen "kurzen" Urlauben vor der Reise kannten. Gleichzeitig versuchen wir das dann wieder abzustellen und kein Gefühl von Druck aufkommen zu lassen. Klappt so mittelmäßig, ist aber wahrscheinlich bei fast allen so, die so eine lange Reise machen. Naja, auf zu Hause freuen wir uns trotzdem! Komische Gefühlslage...
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