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  • Day 6

    From dusk 'til dawn

    August 23, 2023 in France ⋅ ☀️ 33 °C

    Um die Uhrzeit braucht es definitiv einen Wecker. Also habe ich sowohl Joana gefragt, ob sie mich wecken könne, als auch Tim gebeten, auf seinem Telefon einen Alarm einzustellen. Letzteres tritt zuerst ein.
    Es ist noch dunkel. Kaum verwunderlich um halb 6, wenn man bedenkt, dass wir weiter westlich und südlich von Konstanz sind. Marc wartet schon bei den Surfbrettern und bis ich umgezogen bin und wir losziehen, begegnen wir den anderen, welche Lotte am Abend zuvor überzeugt hat, dass es ausreiche, um 6:15 Uhr aufzustehen. Es gehen aber ohnehin nur Marc, Joana und Ich surfen, der Rest geht zum Schimmer*innenabschnitt des Strandes ein paar hundert Meter weiter, wo man nicht durch den Fluss watscheln muss.

    Während wir über den Hügel trotten, fängt der Himmel hinter uns an zu glühen. Mit jeder Minute beim Dehnen wird es heller. Auch als der Atlantik uns um die Knie schwappt, ist die Sonne noch nicht aufgetaucht und der Strand menschenleer. Erst nachdem ich schon ein wenig im Flow bin, werden die Schaumkronen der Wellen plötzlich klar abgezeichnet und die Sandbank füllt sich langsam mit Surfer*innen. Darunter auch Leute vom Wavetours-Team. Von Bernie jedoch sichte ich nichts.
    Die Atmosphäre ist magisch. Das Wasser wirkt irgendwie total beruhigend, auch wenn die Wellen nicht kleiner sind als die Tage zuvor. Wir spüren förmlich die Weite des Ozeans. Ich fühle mich klein im Vergleich zur Erde, aber zugleich klar als Teil der Natur.
    Leute schwärmen oft davon, wie schön sie Sonnenaufgänge finden, und dass eine aufgehende Sonne schöner als eine untergehende ist. Ich hab mich paar schon öfter zum Aufbleiben gezwungen oder bin früh aufgestanden für solch ein Erlebnis, aber war nie wirklich beeindruckt. Dieser Morgen überzeugt mich.

    Heute ist glaub ich der erste Tag, an dem ich tatsächlich müde bin.; erschöpft dennoch lange nicht. Dieses Mal dient mir die Hängematte also tatsächlich als Bett. Da ich mich nicht zum San Sebastian Ausflug angemeldet habe, werde ich ohnehin das Gefühl bekommen, etwas zu verpassen.
    Joana möchte noch einmal skaten, bevor sie und die anderen um zwei abfahren. Als es soweit ist, verabschiede ich mich von den anderen und überlege noch, ob ich nicht doch mitfahren sollte. Alle sehen so schick aus und der Gedanke nicht bei ihnen zu sein schmerzt mich. Dann sind sie weg.

    Marc und Ich besetzen wieder die jetzt freie Holzrampe. Nach einer Weile schlägt er vor, zu der vom Pure Surfcamp, den angrenzenden Veranstalter*innen, zu wechseln. Diese ist neuer, schicker, größer und das Coping steht weiter vor, was mich normalerweise eher stört. Am Vorabend hab ich ein paar der Skater*innen dort beobachtet, dagegen bin ich blutiger Anfänger. Es sind jedoch nur zwei Leute da; besser als ich sind sie allemal.
    Mir gefällt die Schanze tatsächlich auch besser und es gelingen mir ein paar mehr Tricks, da die Sonne mit 40°C allerdings an diesem Tag am heißesten in der ganzen Woche brühtet, belagern wir Pure nicht ewig.

    Da ich nun ausreichend Zeit habe, wasche ich mir die Haare, die sich trotz des ganzen Wassers interessanterweise nicht verknotet haben. Im Gegenteil, meine Locken sind hübscher als sonst, wenn auch nicht ganz so kräftig. Anfang der Woche waren sie sogar weicher. So fassen Leute meine Haare noch lieber an, was mir gefällt.
    Waschen muss ich sie trotzdem, damit mir eine der Teamerinnen French Braids flechten kann.

    Den Rest des Tages verbringen Marc, Sabine, Tim und Ich mit mehr Skaten und Tischtennis spielen. Ich erfahre von ersteren Beiden, dass sie bereits 12 Jahre, also seitdem sie 15 waren, ein Paar sind und dass sie schon in circa zwei Wochen standesamtlich heiraten werden.
    Ich frage mich, wie mein Leben wäre, hätte ich meine Oberstufenbeziehung weitergeführt. Wäre ich jetzt in Moliets? Was für eine Person wäre ich? Ich wäre sicher nie nach Konstanz gezogen. Somit hätte ich auch kaum jemand meiner Freunde. So viele Erinnerungen die nie entstanden wären. So viele Krisen, die ich nie durchlaufen hätte. So viele Krisen, die ich stattdessen durchlaufen hätte. So viele Gefühle, die ich nie kennengelernt hätte.
    Ich bin froh, da zu sein, wo ich bin und die Person zu sein, die ich bin. Sicher wäre es anders nicht schlecht, aber es wäre nicht mein Leben und nicht Ich.
    Das Gefühl, ich könnte etwas verpassen, verfliegt.

    Nach Nudeln mit Pesto ziehen wir wieder los Richtung Strand.
    Diesmal ist Sabine auch dabei, surfen kann sie aufgrund ihrer Knieschmerzen diesen Abend leider nicht. Bevor Marc und Ich in den Ozean latschen, schießt sie noch Bilder von uns.
    Der Wellengang ist ungewohnt. Zu den Kurszeiten von 10:30-16:30 Uhr herrscht meistens Ebbe, morgens und abends eher mittlere Flut bis Flut. Dadurch sind Brecher weniger steil, aber später und größer.
    Da es schon das zweite Mal mit diesen Bedingungen heute ist, nehme ich die Wellen aber viel besser als noch um 6:30 Uhr. Ich denke, das sind die niedrigsten Wellen bisher, also traue ich mich, das Wasser, in dem ich stehen kann, zu verlassen und wie ein Profi ein paar Meter weiter rein zu paddeln.
    Vielleicht nimmt mir die Vorsicht vor den größeren Wellen und dem tieferem Wasser ein wenig die Überheblichkeit, denn mir fällt Bernies Hinweis vom Takeoff-Training wieder ein. Anstatt einfach mit meinem Vorderfuß, in meinem Fall den linken, runterzudrücken, schiebe ich meine Hüfte Richtung Nose. Die Welle nimmt mein Brett und mich von draußen bis ganz an den Strand. Jetzt habe ich einen Grund zur Überheblichkeit.
    Marc gelingt es mit dem Tipp ebenfalls auf den Wellen zu bleiben und wir sind im Wasser, bis die Sonne in die rosa Wolken taucht und auch bis es dunkel ist.

    Beim Sternegucken muss Sabine uns erst einmal von unserem Höhenflug bringen. Zusammen mit Tim, welcher noch etwas später hinzugestoßen ist, lassen wir mein Samsung noch ein paar Langzeitaufnahmen im Mondlicht machen. Dieses habe ich beim Laden sofort in den Flugzeugmodus versetzt. Eigentlich wollte ich es mit voller Batterie haben, um die Weckfunktion wieder zu übernehmen, aber ich vertraue beim Wegnicken auf meine Natur und stecke es in meinen Rucksack.
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