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- Day 11
- Wednesday, June 4, 2025 at 11:03 PM
- 🌙 23 °C
- Altitude: 8 m
TurkeyAyvalık39°10’9” N 26°46’5” E
Der elfte Tag

Von Kuddelsuppe, Marktschlachten und einem Schuster
Punkt 09.00 Uhr – der frühe Vogel fängt den Wurm, sagt man. In unserem Fall: der frühe Vogel fängt die Kuddelsuppe! Also rein ins Dorf, das Herz noch ein wenig müde, aber der Magen hellwach. Wie jeden Mittwoch begann unser Tag mit dem traditionellen Frühstück: der heiligen, heißgeliebten, innigst verehrten Kuddelsuppe. Ich schmatze schon, bevor der Löffel überhaupt den Teller berührt. Auch Frauchen schlürft glücklich – aber Mama? Die schob den Teller mit dem Gesichtsausdruck einer mittelalterlichen Nonne, die zum ersten Mal einen Stripclub betritt, beiseite.
„Lieber verhungern“, murmelte sie
Danach ging’s ins Dorf
Mamas Handtasche war kaputt – der Reißverschluss klemmte. Also ab zum Schuhmacher unseres Vertrauens. Ein echtes Original, dieser Mann: Mit ölverschmierten Fingern, Herz auf der Zunge und einer Nähmaschine, die wahrscheinlich schon Osmanenstiefel genäht hat. Mama war schockverliebt in das uralte Ding – der Schuhmacher schockverliebt in Mama. Win-win, könnte man sagen.
Ich brauchte Einlagen und dafür hatte der gute Mann zwischen zwei Lebensgeschichten auch noch Zeit. Seine Werkstatt war halbes Museum, halber Improvisationstheater-Saal – das bewies auch die nächste Kundin.
Sie wollte an ihrer Handtasche den Gurt verlängert haben. Der Meister nickt, nimmt den schwarzen Gurt… und näht mit weißem Faden.
„Warum denn weiß?!“, empört sich die Dame.
Der Schuster, völlig gelassen, greift zur Schuhcreme: „Ist jetzt schwarz.“
Die Dame sichtlich nicht zufrieden.
Ihr Mann fragt, was es kostet.
Der Meister winkt ab: „Gib, was du willst.“
Der Mann gibt 100 Lira.
Der Schuster gibt 50 zurück: „Zu viel.“
Am Ende lachen alle.
Fazit: Der Reißverschluss läuft wieder, ich laufe auch wieder – und Mama denkt jetzt ernsthaft über eine zweite Karriere als Schuhmachergattin nach.
Nun ging's direkt ins Markttreiben, wo Altinova mittwochs zur bunten Bühne des Lebens wird. Obst türmt sich wie kleine Regenbogenberge, Gemüsestände schreien um die Wette („Domates! Taze domates!“), Käse duftet in allen Schattierungen von mild bis schockierend, und die Fischauslage sieht aus, als sei sie frisch aus einem Meerjungfrauendorf entführt worden.
Wir kauften ein wie die Weltmeister: Käse und Fisch für uns, Fleisch für die Hunde, Oliven, Auberginen, Brot, – und vieles mehr
Zu Hause angekommen – kurz Goldi geschnappt für eine Runde Gassi (sie guckt mittlerweile schon beleidigt, wenn man nicht fragt: “Gassi?“), dann die Einkäufe verräumt, einen schnellen Kaffee inhaliert – und schon ging's weiter: Mama und Sevgi zum Friseur kutschiert.
Mama war skeptisch. Doch als wir sie später wieder abholten, strahlte sie wie ein Teenager nach dem ersten Date. Frisiert, geföhnt und mindestens zehn Jahre jünger.
„Jetzt sagen alle, sie sieht jünger aus als du“, meinte Frauchen trocken. Frechheit.
Ich nutzte die Zwischenzeit, um bei Meister Salih in die Werkstatt zu schauen. Der knarzende Sound aus dem Fahrwerk – nicht das Brüllen eines Drachens, sondern nur ein paar müde Gummis, die seit Wochen um Gnade winseln. Teile sind bestellt, Reparatur nach den Feiertagen. Salih, der Allwissende, tippte sich zum Abschied an die Stirn und sagte:
„Ein Auto ist wie ein Mensch. Wenn’s knarzt, will es Aufmerksamkeit – oder Öl.“
Dann noch schnell Holzkohle besorgt und heimgeflitzt, die Mädels eingesammelt, und dann? Pause. Kurz. Sehr kurz. Denn kaum lagen wir auf dem Sofa, stand ich auch schon wieder draußen am Grill. Der Fisch – frisch vom Markt – zischte auf dem Rost, das Grillgemüse daneben drehte sich wie Models auf dem Laufsteg.
Es war ein Gedicht. Ein Gedicht mit Knoblauch.
Dazu ein Glas Raki, der Blick über den Garten, die Hunde dösend, Mama mit neuer Frisur, Sevgi lachend, Frauchen zufrieden.
Und ich? Ich glaube, ich war einfach… glücklich.Read more