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  • Day 36

    Das Umland von Battambang

    March 23, 2019 in Cambodia ⋅ 🌧 29 °C

    Heute begann für mich ab um neun eine interessante Tour durch das Hinterland von Battambang. Es wurde eine private Tour, weil niemand sonst gerade Lust zu buchen hatte. Tony ist ein Bauer aus dem Umland, der bei den Mönchen in die Schule ging, weil sich seine Familie nicht die Ausbildung hätte leisten können und dann im Selbststudium seit einigen Jahren Englisch lernt. Aktuell, so erzählt er mit, liest er spät am Abend englische Zeitungen.
    In der Regenzeit bestellt er Felder und treibt seine Wasserbüffel über diese. In der Trockenzeit ist er Tuktuk-Fahrer mit Leib und Seele.
    Er nimmt mich mit zum Wat Samrong, dieses wurde zur Zeit der Khmer Rouge als Gefängnis missbraucht und die Mönche alle hingerichtet. Das älteste Gebäude ist ca. 300 Jahre alt.
    Heute leben wieder ca. 30 Mönche dort und es wurde sogar ein neuer Tempel gebaut. Außerdem gibt es direkt nebenan eine kleine Gedenkstätte für die Opfer der Khmer Rouge.
    Tony selbst hat zwei seiner neun Geschwister und seinen Onkel und seine Tante unter den Khmer Rouge verloren. Seine Cousinen wurden vergewaltigt, aber überlebten. Er sagt, sie seien heute mehr wie Schwestern.
    Aber bald sind wir auch bei der heutigen Regierung und er berichtet, er habe das Gefühl blind, taub und stumm gemacht zu werden. Auch heute würden Leute verschwinden, wenn sie sich gegen die Regierung richten würden.
    Er sagt, daß Land leide sehr unter der Korruption und teilweise käme es einer Regierung unter Sadam Hussein gleich.
    Und tatsächlich macht es einen traurig, wenn man sieht, wie das Land zugunsten von einiger weniger und vor allem der Chinesen und Vietnamesen verkauft wird.
    Es macht einen nachdenklich.
    Tony fährt mich weiter in seinem zum Tuktuk umgebauten Daewoo - Pick-up übers Land und wir machen Halt bei Familien die Reisnudeln, Reiswein, Reispapier, sticky rice im Bambusrohr und getrocknete Bananen herstellen. Alle diese Familien haben ihr eigenes Geschäft aufgebaut und ich bin nur kurzfristig ein Zuschauer, der etwas kosten darf und deshalb einen kleinen Obolus hinterlässt. Sie leben nicht von den Touristen, sondern von ihrem Geschäft. Das fühlt sich besser an als die Situation damals in den Dörfern von Pakse in Laos.
    Ich besichtigen auch Ek Phnom einen alten Tempel aus der Angkor-Zeit. Mittlerweile ist er ziemlich verfallen und man muss auf seine Schritte aufpassen. Aber es sind immernoch sehr detailreiche Reliefs erhalten.
    Nebenbei versucht ein kleiner Junge, maximal 10 Jahre alt, mich zu begleiten und dadurch ein paar Dollar zu erbetteln. Ich fühle mich stattdessen nur verfolgt und unsicher. Wie soll ich damit umgehen?
    Ich bitte ihn mich allein zu lassen und nach kurzem Protest verlässt er mich.
    Mittag haben wir in einem Khmer-Restaurant, was mit seinen Plastikstühlen eher einem Schnellrestaurant gleicht. Aber ich esse ein sehr traditionelles Gericht. Bahn chev. Aus Kokosmilch, Ei, Gewürzen und einigem mehr wird eine Teiggrundlage geschaffen, die im Wok gebacken wird. Als Füllung wird Hühnchen mit Sprossen und Erdnüssen und Oyster-Sauce gemixt.
    Gegessen wird es mit heimischen Kräutern und einem Salat- oder Kohlblatt als Basis mit den Händen, gedopt in Erdnuss-Sauce. Lecker.
    Weiter geht es zur Bamboo-Train. Genutzt wird eine alte Bahnstrecken aus Zeiten der französischen Kolonialzeit. Als Gefährt dienen Bambusplattformen auf Bahnrädern betrieben mit einem Motor. Früher war es ein wichtiges Transportmittel, heute ist es eine reine Touristenattraktion. Das merkt man leider auch am Ende der Strecke. Sofort wird man belagert, etwas zu kaufen.
    Die Fahrt selbst ist holprig, laut und relativ rasant. Es pustet mir fast das Basecap vom Kopf. Der Fahrtwind ist leider kaum erfrischend. Es pustet einem permanent ein heißer Föhn um die Augen. Es geht vorbei an trockenen Reisfeldern. Ein Erlebnis war es trotzdem.
    Danach geht es zu, hier befinden sich sowohl die sogenannte Killing cave, die durch die Khmer Rouge zweifelhaften Ruf erlangte, als auch ein Bergtempel, der von vielen Affen bevölkert ist und die berühmten Bat-caves.
    Zur Dämmerung fliegen hier tausende Fledermäuse in einem nicht abreißenden Strom aus den Höhlen zum Beutezug aus. Der Wahnsinn!
    Es sieht aus, als würde sich ein Bienenschwarm aus dem Stock bewegen oder eine Schlange aus der Höhle winden.
    Laut Tony geht das ca. eine Stunde so, ohne dass der Strom der Fledermäuse abreißt.
    Bevor das Spektakel startet, kriege ich erneut Schnecken zum Kosten angeboten. Ich probiere zwei: eine vom Grill, die andere aus dem Kochtopf. Andere Reisende scheinen nicht so mutig. Obwohl sie ihnen unermüdlich angeboten werden, probiert sie kein einziger.
    Nach dem Fledermaus-Spektakel fahren alle Tuktuks zurück nach Battambang. Tony nimmt mich mit zu seiner Familie, um mir seine Wasserbüffel zu zeigen. Nebenbei lerne ich noch Teile seiner Familie kennen. Seine Tante zeigt mir ihre Hühnerküken und erklärt mir, dass sie sie aufziehen, um sie dann zu schlachten und zu verkaufen. Ohne, dass wir auch nur ein Wort des anderen verstehen würden, reichten die Gesten zwischen uns aus, um das wesentliche zu verstehen. Die Menschen können aus verschiedenen Kulturen kommen und kein Wort der Sprache des anderen verstehen und doch wird es, wenn sie sich aufeinander einlassen wollen, funktionieren. Schön.
    Danach geht es im Dunkeln zurück nach Battambang.
    Hier entscheide ich mich, im Hostel zu bleiben. Es gibt Ingwer-Hühnchen zum Abendessen. Außerdem trifft sich die Expat-Szene. Bald wird mir auch klar, warum. Heute gibt es ein Live-konzert mit alten und neuen Coversongs u.a. mit Olly, einem der beiden Hostelbesitzer.
    Es wird ein unvergesslicher Abend. Einer dieser perfekten Momente, die du nicht planen kannst. Wieder einmal: Schön!
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