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  • Day 197

    Tokyo

    December 28, 2023 in Japan ⋅ ☀️ 10 °C

    Sushi in Japan zu essen - das stand von Anfang an ganz oben auf meiner Wunschliste. Tokyo hat mich aber auch sonst schon von der ersten Sekunde an begeistert.
    Schon bei der Zugfahrt vom Flughafen in die Stadt saß mir eine Reihe von Leuten gegenüber, die so japanisch aussahen, als wären sie aus einem Manga-Heft geschlüpft. Zwei ältere Männer deren Gesichter von wahnsinnig tiefen Falten geprägt waren, eine junge Frau mit einem kurzen, schuluniformmäßigen Kleid, und ein junger Mann mit glänzend schwarzer Jacke, der zuerst sein Handy mit Enton-Aufkleber bediente, bevor er seine Nintendo Switch zückte, um die einstündige Fahrt zu überbrücken. Auf den digitalen Werbeflächen über ihren Köpfen liefen Spots über neu erschienene Anime-Filme. Den Weg von meiner Station zum Hostel ließ ich mir von einer Passantin erklären, die ich mangels Internet bat, mir zu helfen. Auch sonst waren bisher fast alle Japaner auffällig höflich, hilfsbereit und respektvoll. Am eindrucksvollsten ist das beim Anstehen vor der U-Bahn zu sehen. Wo in Hamburg gedrängelt wird um reinzukommen, stellt man sich hier in Reihen an den gekennzeichneten Eingängen an. Auf den Treppen kommt man sich auch nicht entgegen, weil jeder auf seiner Seite bleibt - selbst wenn aus der Gegenrichtung gar keiner kommt. Allerdings kann man sich in den großen Bahnhöfen wie Shinjuku oder Shibuya locker mal verirren.

    Jedenfalls habe ich es dann ins Hostel geschafft, wo ich eine Woche lang in einer Art Regal übernachtete. Die Kabinen waren aber recht gemütlich und die Badezimmer wahnsinnig schön. Die Toilettensitze waren, wie auch bei meiner jetzigen Unterkunft im Nikko Nationalpark, beheizt. Jetzt im Winter ist das so angenehm, dass man gerne ein bisschen länger sitzen bleibt.

    In den zwei Tagen nach der Ankunft bin ich laut meinem Telefon insgesamt etwa 36 Kilometer zu Fuß gegangen und bin zwischendurch viel Bahn gefahren. Ich habe mir den Asakusa-Tempel angesehen, bevor ich zu Fuß zum Manga-Viertel Akihabara gedackelt bin - nicht ohne zwischendurch einen Matcha Latte und Käsekuchen zu snacken. Im Café habe ich meine begrenzten Japanisch-Kenntnisse ausprobiert. Alle freuen sich sehr, wenn ich das mache.

    Akihabara ist vollkommen verrückt. Das fängt schon draußen an, wo gigantische Werbetafeln mit Anime-Figuren an den Hochhäusern das Stadtbild prägen. Es gibt zahlreiche Spielhallen, in denen auf mehreren Etagen hunderte Gamer - meist junge Männer, die allein herkommen - dicht an dicht vor Bildschirmen sitzen und Spiele zocken. Von digitalem Gitarrespielen bis zu Kämpfen ist alles dabei. Keiner redet ein Wort und es herrscht gespenstische Stille, von dem Klacken der ganzen Knöpfe abgesehen. Außerdem gibt es große Kaufhäuser, in denen von Pokemon- bis Naruto-Merch alles zu kriegen ist. Spielfiguren, Karten, Kuscheltiere. Selbst in den Erwachsenenabteilungen sind Animé-Mädchen auf den Verpackungen abgebildet und in sogenannten DVD-Läden ist das das größte Genre. Vor den Spielhallen stehen abends Mädchen in knappen Outfits, erneut an Anime-Filme erinnernd, die Gäste in die Spielhallen und sogenannte Maid-Cafés. Da kann man hingehen, wenn man sich nach der Gesellschaft einer jungen Frau in einem Dienstmädchen-Outfit sehnt. Die kann man sich für eine begrenzte Zeit mieten, während man etwas trinkt. Mein Freund Caner und ich haben uns das mal angesehen. Es gab Maid-Cafes im fünften, sechsten und siebten Stock. Die Mädels tun dann ganz begeistert und wollen einen gar nicht mehr ziehen lassen, wenn man versucht zu erklären, dass man gehen wolle, weil man sich nur verirrt habe.

    Mit Caner habe ich mir auch die berühmte Shibuya-Kreuzung sowie andere Sehenswürdigkeiten angeschaut. Mein Highlight war der Fischmarkt Tsukiji. Durch enge Gassen drängeln sich die Besucher und können sich Delikatessen an den Marktbuden bestellen. Wir gönnten uns Fischkuchen und hätten fast Spieße vom Wagyu-Rind bestellt, die uns aber doch zu teuer waren. Schließlich warteten wir vor einem Sushi-Restaurant, um einen Platz an der Theke zu bekommen, wo die Sushi-Meister die Häppchen direkt vor der Nase der Gäste zubereiten. Die Leute, die vor uns warteten, geduldeten sich schon seit einer Stunde, aber zum Glück wurden wir fünf Minuten später reingeholt. Vom ganzen marschieren hungrig setzten wir uns, bestellten die empfohlenen Sushi-Sets des Tages sowie Sake. Eine kleine Suppe gab es aufs Haus. Direkt vor uns war die Kühltheke mit dem Fleisch verschiedener Fische, das makellos aussah. Es gab auch ein Häppchen mit Garnele und eins mit Kaviar. Wir beobachten, wie die vier Männer herumwuselten und einen Teller nach dem anderen zubereiteten. Das Wasabi packten sie zwischen Reis und Fisch. Dann war meine Portion fertig. Ich konnte schon die ersten Happen essen, während der Chef noch an den übrigen bastelte. Was da an Geschmäckern in meinem Mund explodierte kann ich mit Worten nicht beschreiben. Caner musste mich dann aus dem Restaurant ziehen, weil ich mich weigerte zu gehen. Der Abend endete mit Gesprächen, getrocknetem Tintenfisch und Bier auf einer Parkbank, bevor es ins Hostel ging.

    Dann stand auch noch Silvester an. Caner hatte über sein Hostel eine große Gruppe von Internationals organisiert. Mit denen trafen wir uns auch, aber die Gruppe war so groß, dass sie sich in der ersten Bar auftrennte und sich verlief. Caner und ich blieben einfach dort. Erst spielte eine Jazz-Band, dann eine alternative Rockband und abschließend ein Rapper - alles auf Japanisch. An einem Tisch saß ein am ganzen Körper tätowierter stämmiger junger Mann, Statur und Outfit nach zu urteilen ein Sumo-Ringer. Der ließ sich dort in der Bar ein frisches Tattoo auf den Oberschenkel setzen, während sich auf zwei kleinen tonlosen Fernsehern Tom und Jerry gegenseitig die Köpfe einhauten. Wir überzeugten den Barkeeper, unseren Gin Tonic etwas stärker zu machen, weil wir dann auch bis Mitternacht bleiben würden, und lernten ein holländisches Pärchen sowie einen Typen mit Weihnachtsmann-Mütze kennen.

    Caner und ich zogen dann noch weiter in ein anderes Viertel, wo die Party allerdings schon um 2 vorbei war. Also setzten wir uns mit einem Bierchen nach draußen, redeten und beobachteten die Leute auf dem Heimweg. Nach einem Tag Auszeit machten wir uns dann auf, um den großen Mount Fuji zu sehen. Aber das ist ein anderer Text.
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