• Hoher Göll 2522m

    August 19 in Austria ⋅ ☀️ 15 °C

    Das war ein Tag unter dem Motto „I’m crazy and i know it“. Es sollte mal wieder Zeit für eine Tour mit meinem lieben Wander-Senior Hans sein. Als er fragte, was ich denn noch gerne machen wollen würde, zählte ich so ein paar Sachen auf – unter anderem den Hohen Göll in den Berchtesgadener Alpen. Er hat das wohl schönste Gipfelkreuz ever und könnte noch in dem liegen, was ich schaffe – aber nicht allein. Als Hans dann meinte, den würde er auch gerne nochmal machen, war es an mir, zu überlegen, ob oder ob nicht. Ich beschaffte mir Infos und Bilder und kam zu dem Schluss, dass Kraxelei und Drahtseil mir liegen, der Grat breit genug ist. Erstaunlicherweise zögerte ich nicht lange – denn mein Motto war: Ich schaue einfach, was geht; und wenn nicht, hab ich es wenigstens probiert! Außerdem hatte ich ja Hans und seinen Kumpel Hans, den ich ebenfalls kenne, dabei. Und das Beste: Meine Mama kramte heraus, dass wir als Familie im August 1990 zumindest schon am Purtscheller Haus waren – vor ziemlich genau 35 Jahren! Also, der Plan stand: Abfahrt für mich um 3.15 Uhr – ja etwas crazy. Aber belohnt wurde ich mit einem sternenklaren Himmel und feiner Mondsichel sowie einem schönen Sonnenaufgang/Morgenrot auf der A8. Die Gedanken wanderten bei diesem Anblick, der klar macht, dass jeden Tag Neues entsteht und sich neue Chancen, Momente und Erinnerungen bieten, an den einmaligen Sonnenaufgang 2022 am Wilden Kaiser – er war perfekt! Perfekter Mensch, funkelnder Himmel über uns, Nebelmeer unter uns und die aufgehende Sonne am Kitzbüheler Horn. Unvergesslich, nicht nur der Moment, sondern auch der Mensch…
    Unsere Tour zum Hohen Göll startete auf der Rossfeldstraße am Ahornkaser hoch zum Purtschellerhaus. Am Hinweg nahmen wir den direkten Weg – über unzählige leicht rutschige Holzstufen nach oben. Meine beiden älteren Herren, die erst noch meinten, sie würden ja so schnaufen, und ich hatten rasch ein mit uns gestartetes Pärchen überholt. Von wegen Schnaufen – die beiden sind mir am Weg immer mal wieder enteilt – weil ich vorsichtiger war, weil ich aktiv auf mein Herz geachtet habe (das hat aber null gemotzt!) und weil ich natürlich fotografieren musste. Meine Muskeln haben die etwas über 1200hm besser verkraftet als gedacht.
    Rasch waren wir am Purtschellerhaus; von dort ging ein Wiesenpfad hinauf – nach Regen der letzten Tage und Kälte in der Nacht noch rutschig. Na bravo. Ich tröste mich damit, dass das bis zur Rückkehr sicher trocken ist. Dann beginnt der Einstieg in den Salzburger Steig, den ich jetzt mit Helm in Angriff nehme. Der Pfad – eine Mischung aus Gehgelände und kleinen bis größerem Kraxelstellen – auch mal mit Stahlseil – windet sich rechts am Göll-Massiv nach oben. Immer wieder gibt es kleine Kreuze, die an Verunglückte erinnern oder markante Übergänge markieren. Manchen Stellen sind ohne Sonne noch wahnsinnig rutschig. Später kommen dann auch ein paar Schotter-/Geröllstellen hinzu. Immer wieder denke ich mir: Hier komm ich nie wieder runter! Doch erfahrungsgemäß ändert sich beim Hinabgehen die Perspektive und ich hatte zu keiner Zeit Angst, nur Respekt.
    Dann sind wir am Abzweig Kamin – Schusterroute. Wir gehen den Kamin hoch – wieder Name sagt, eine kaminartige Kletterpartie am Stahlseil. Sehr geil! Am Ausstieg angekommen, pfeift der kühle Wind wahnsinnig. Und der Weg am Göllleiten zieht sich…Schrofengelände, wieder etwas Kraxelei – und endlich ist es da, das wunderschöne Gipfelkreuz mit Bergkristall. Und die Wolken hat der Wind weggeblasen. Was für ein Schauspiel, was für eine Aussicht! Wären da nicht zig andere Bergsteiger gewesen, ich hätte gejubelt, dass ich es geschafft habe; zumindest Teil 1. Wie genießen im Wind eine kurze Brotzeit mit Fotoshooting am Kreuz und Gipfelschnaps, bevor es an den Abstieg geht. Die Schusterroute soll einfacher sein. Naja, die Kraxelei am Seil ist deutlich länger, die Tritte schwieriger. Es ist höchste Konzentration gefragt – wie am gesamten Weg ab Purtschellerhaus. Das Gute – Gedankenspiele haben keine Chance. Irgendwie doch schnell sind wir wieder am Abzweig und dafür, dass ich dachte, ich komm nie wieder runter, geht es gut und immer weiter abwärts. Aber auch der Abstieg ist viel Kletterei. Da ist das Lob von meinem Hans besonders schön: Ich hätte gute Griffe am Fels! Dabei hab ich nie wirklich geklettert…. Und dann sind wir wieder am Purtschellerhaus samt kleiner Einkehr und über einen nun angenehmeren Pfad wieder am Auto. Yeah! Das war wohl eine der schwersten Touren meines Lebens – und ich habe sie gut gemeistert! Reine Gehzeit hatten wir rund 5:15 Stunden. Zur Einordnung: Am Purtschellerhaus stand als Zeit zum Göll 4,5 Stunden …
    Die Gedanken kehren erst auf der Heimfahrt im Auto zurück: Einmalige Tage wie dieser geben Kraft fürs Weitermachen. Denn ganz verkehrt bin ich in meinem Beruf noch nicht: Immer wieder bestätigen mich Leser, dass sie meine Artikel gut finden; ich habe Ideen, ein gutes Netzwerk, bediene eine große Bandbreite an Themen und Artikelformen. Dennoch weiß ich, dass mein Verbleib in der HZ nicht mehr von einer riesigen Dauer sein wird; zu viel regt mich auf, zu viel will und kann ich nicht mitgehen und leisten: Kontrolle, Vorgaben, nicht vorhandene Absprachen und ein Journalismus, den ich anders definiere. Gerne würde ich etwas Sinnvolles tun, die Berge ziehen mich an, Hütte, Alp, Alpenverein, Bergwacht … Noch suche ich meinen Weg…
    Apropos Heimfahrt: Auf der Autobahn sind so viele Bleifüße unterwegs, da denk ich mir oft, das ist gefährlicher als am Berg. Da frag ich mich, wer nun wirklich verrückt ist … 😉
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