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- Day 3
- Monday, June 17, 2024 at 4:30 PM
- ☀️ 26 °C
- Altitude: 750 m
AlbaniaPërroi Qafës Gjësë42°27’37” N 19°55’19” E
1. Etappe PoB: von Theth nach Valbona

Guten Morgen Ihr Lieben,
ich habe mit all Euren guten Wünschen prima geschlafen bis ich dieses Mal in aller Frühe von einem Hahn geweckt werde. Seit Mexiko habe ich ein etwas gespaltenes Verhältnis zu Hähnen, ich erinnere mich intensiv an eine Nacht im Hostel in Oaxaca, in dem ich nachts im Bett liegend Mordpläne für einen emsigen Hahn geschmiedet habe, der zeitlich verwirrt war und ab 1:30h morgens alle 30 Sekunden gekräht hat 😅. Dagegen ist der Hahn aus Theth ein wahrer Langschläfer, er steht gegen 5h direkt unter meinem Fenster und weckt mich. Ein bisschen schlafe ich wieder ein und weil ihn auch sonst niemand so wirklich beachtet, springt er während des Frühstücks kurzerhand auf einen Tisch im Garten des Gästehauses und kräht von dort aus weiter. Obwohl die offizielle Frühstückszeit im Gästehaus erst um 8h beginnt, machen die Gastgeber ohne mit der Wimper zu zucken eine Ausnahme als ich frage, ob ich schon um kurz nach sieben frühstücken kann. Während ich noch umständlich frage, ob das wirklich ok wäre, winkt der Inhaber ab: „Don‘t worry, Astrid, we‘ll manage.“ Die Reaktion bestätigt meinen Eindruck, wonach die bisherigen Gastgeber unheimlich zuvorkommend und serviceorientiert sind. Es mag zwar grobe Regeln geben, aber im Zweifel wird spontan alles so passend gemacht, dass es für die Gäste passt. So darf ich auch völlig problemlos ein paar Klamotten und Turnschuhe im Gästehaus lassen, die ich für die Wanderung nicht brauche und die ich in zehn Tagen wieder einpacke, wenn ich zurück bin. Der Gastgeber witzelt fröhlich herum, dass er es gewöhnt sei, ständig auf Wanderer zu warten, die irgendwann wieder auftauchen und ihre Sachen wieder einsammeln. Und so geht es los auf die erste Etappe des Peaks of the Balkans Trail, einem insgesamt 192km langen Rundwanderweg durch das Naturschutzgebiet des Prokletije-Gebirges, der vor einigen Jahren unter anderem betreut von der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), erschaffen wurde. Ursprünglich war die Idee einmal, die einst abgeschotteten Länder dieser Region wieder näher zusammenzubringen, heute ist der Trail ein Anziehungspunkt für Wanderer. Das merke ich auch relativ schnell, nachdem ich die ersten 90 Minuten noch dachte, ich wäre mehr oder weniger alleine unterwegs. Tatsächlich bin ich aber nur sehr pünktlich gestartet und werde spätestens bei meinem ersten Halt nach etwa 2,5 Stunden von Wanderern aus allen möglichen Ländern überholt oder überhole selbst, je nach Pausenzeiten. Ich höre viel Niederländisch, Spanisch, Französisch und Deutsch, aber es scheinen auch viele Amerikaner auf dem Trail unterwegs zu sein. Man kann den Weg an ganz verschiedenen Orten starten und in beide Richtungen laufen oder zwischendurch abkürzen bzw verlängern und noch alle möglichen Gipfel erklimmen. Das werde ich aber bei dieser Wanderung schön unterlassen, es reicht mir auch so, für zehn Tage quasi jeden Tag einen Halbmarathon zu laufen. Auf dem Weg findet man reichlich Anschluss, ich treffe immer wieder eine Fünfergruppe aus Ingolstadt, die mich fragen, ob ich alleine unterwegs sei. Als ich das bejahe und halb scherzhaft sage, dass ich sehr hoffe, nicht umzuknicken, antwortet einer von ihnen: „Ja mei, des passiert scho nich - mir ham a Aug‘ auf Di!“ Da sind sie, die Begegnungen, die ich so mag mit Menschen, die in dem Moment vielleicht gar nicht wissen, dass Ihre Anwesenheit und ihre Worte einen Unterschied machen. So auch die Schweizerin Esther und ihr Mann Karsten aus Hamburg, die in der Nähe von Zürich wohnen und seit dem Renteneintritt die Fernwanderungen für sich entdeckt haben. Wir verstehen uns auf Anhieb und die beiden bestehen darauf, meine Cola zu bezahlen. Sie sind für mehrere Wochen mit ihrem Camper (witzigerweise ein ganz ähnliches Modell wie das meiner Eltern) auf dem Balkan unterwegs und machen heute nur eine Tageswanderung. Esther erzählt mir, dass sie die erste Fernwanderung mit einer Freundin während der Corona-Zeit gemacht hat und anschließend ein paarmal alleine gewandert ist weil ihre Freundin nicht so Feuer gefangen hatte wie sie. Neugierig geworden auf das neue Hobby seiner Frau, ist Karsten auch immer mal wieder mitgekommen und nun wandern sie regelmäßig viele Kilometer gemeinsam. Wir tauschen alle möglichen Erfahrungen aus, so auch Buchtipps wie zum Beispiel „Frei - am Ende der Geschichte“ von Lea Ipy, die ihre Kindheit in Albanien am Ende de kommunistischen Regimes beschreibt. Ich habe von dem Buch in einem Podcast gehört und es gleich auf meine Bücher-Wunschliste geschrieben. Esther hat es gelesen und war begeistert - vielleicht landet es ja auch auf einer Eurer Wunsch-Leselisten😌. Ich freue mich so, ein Stück des Weges mit den beiden gewandert zu sein und merke einmal mehr, dass das Alter keine Rolle spielt, wenn man gemeinsam reist oder wandert, solange man dieselben Werte teilt. Ich bringe die beiden bei ihrem Camper vorbei und muss selbst noch gute sechs Kilometer weiter, da mein Hotel am anderen Ende von Valbona liegt. Während der letzten Kilometer werden meine Beine dann doch ganz schön schwer, ich bin aber froh nicht im Zentrum von Valbona zu bleiben, es sind mir eindeutig zu viele Hotels und aus dem Boden gestampfte Betonbunker. Ich erreiche mein Hotel wohlbehalten und werde gleich von zwei sehr hilfsbereiten Kellnern empfangen, die meine nassen Haare und roten Wangen sehen und mir gleich mein hübsches Zimmer mit vielen Holzbalken zeigen. Nach einer Dusche erwartet mich ein Käsekuchen (das scheint hier so ein Ding zu sein - er steht auf jeder Karte und wurde mir nun schon zum dritten Mal angeboten, sodass ich ihn ausprobiere und nicht enttäuscht werde). Bevor ich mich gleich auf den Weg zum Abendessen mache und anschließend den beeindruckenden, aber auch wirklich nicht gerade an einen Sonntagsspaziergang erinnernden Trail reflektieren werde, freue ich mich, meine Erfahrungen und ein paar Bilder mit Euch zu teilen.
Seid alle ganz lieb gegrüßt von Eurer Astrid 😘 🥾 ☀️Read more