• Tag 54: Gastfreundschaft

    July 26, 2024 in Greece ⋅ ☀️ 30 °C

    Heute gefahren: 117km
    Bisher gefahren gesamt:
    3.108km
    Heute Höhenmeter im Anstieg: 758hm
    Höhenmeter im Anstieg bisher: 26.967hm
    Platte Reifen: 2
    Pausentage gesamt: 13
    Fahrtage gesamt: 41

    Mir fällt es schwer zu beschreiben wo wir heute geschlafen haben.

    Wie sage ich das jetzt richtig? Wir haben im Hof einer [...] geschlafen:
    - Deutsch-Türkisch-Griechische-Familie?
    - Türkisch-Deutsch-Griechische-Familie?
    - Türkische-Familie in einem griechischen Dorf mit einer vorrangig türkischen Gemeinde?
    - Deutsche-Familie in einem griechischen Dorf mit einer vorrangig türkischen Gemeinde?

    Eine andere Beschreibung, unabhängig der echten (und gefühlten sowie gelebten) Nationalität gefällt mir besser: Die Mama von Bingül quatscht uns so gegen 19:30 Uhr an und sagt: "Ihr seid doch Deutsche!" Wir sind nach 117km an diesem Tag am Ende unserer Kräfte und suchen nach einem Schlafplatz. Mal wieder finden wir nix. Hunde, laute Straßen, es ist Freitagabend, die Leute sind draußen, kurzum: keine Ruhe für eine erholsame Nacht. Wir kommen ins Gespräch und werden kurzerhand eingeladen unser Zelt im Hof der Familie aufzubauen. Wir lernen: Die Mama ist in dem griechischen Dorf geboren. In dem griechischen Dorf leben hauptsächlich Türken. Nach Umsiedlungen im Rahmen dee Aufteilung griechischen und türkischen Territorium, sind nicht alle Türken in die Türkei sondern vor allem in dieser Region und den den Dörfern geblieben.
    Ihr Mann, spricht kein griechisch nur türkisch. Beide zusammen wandern in den 70ern nach Deutschland aus. Dort wird ihre Tochter Bingül zur Welt kommen. Bingül lernt ihren Mann in eben jenem griechisch-türkischen Dorf kennen. Sie kommen zusammen und bekommen zwei Töchter. Et voila, da sitzen wir nun zu acht sprechen über  Deutschland, die Frage was Heimat ist und Kristina und ich berichten wie es ist mit dem Fahrrad zu reisen.

    Wir lernen die türkische Gastfreundschaft kennen (Vorschau: die nächsten Tage werden wir diese Gastfreundschaft noch öfter spüren) und erfahren auch etwas über die griechische Gesellschaft. Ein paar Beispiele: Wer in Griechenland krank ist und Blutkonserven benötigt muss diese kaufen (50 Eur/Konserve) bzw. für adäquaten Ersatz sorgen, d.h. die Familie muss auch Blut spenden gehen. Im Weiteren sind Arztbesuche in Griechenland immer mit bunten Umschlägen verbunden. Du willst einen Termin in zwei Wochen? Dann muss ein mit Geld befüllter Umschlag dem Arzt überreicht werden. Ach und wer kein Geld hat, bekommt im Winter Obst von der Regierung geschenkt, was dann verarbeitet wird, um das Jahr davon zu leben. Kurios.
    Das Lohnniveau ist nicht hoch, viele verdienen keine 700 EUR/Monat, auch ein Arzt hat nur knapp über 1000 EUR (ohne Umschläge). Deutsche Unzufriedenheit sollte man bei solchen Gegebenheiten überdenken!

    Wo war ich? Bingül und ihre Familie besuchen die Eltern, die wiederum den Rentner-Sommer im Heimatdorf verbringen. Wir bekommen Abendessen, wir bekommen Frühstück und weil wir vielleicht auch ein bisschen stinken, dürfen wir am Abend noch duschen. Für Radreisende ist das Luxus. Wirklich.

    Also nochmal: Wir haben im Hof einer herzlichen, netten, unheimlich gastfreundlichen, offenen und lieben Familie geschlafen. Danke! Die deutsche Verschlossenheit kann sich davon eine Scheibe abschneiden.

    Ja und sonst so an diesem Tag? Wir sind morgens am Meer aufgewacht. Wir sind den ganzen Tag über auf- und abgefahren und haben unser gekochtes Mittagessen in Kavala gegessen. Nachmittags sind wir kurz ins Meer gehüpft. Das hat uns soweit gestärkt, dass wir dann nochmal Kraft für weitere 50km hatten.
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