• Tag 56: Wind 1 von 4

    July 28, 2024 in Turkey ⋅ ☀️ 34 °C

    Heute gefahren: 95km
    Bisher gefahren gesamt: 3.296km
    Heute Höhenmeter im Anstieg: 956hm
    Höhenmeter im Anstieg bisher: 28.753hm
    Platte Reifen (Kristina): 3
    Pausentage gesamt: 13
    Fahrtage gesamt: 43

    Wir wachen erneut morgens zusammen mit Louis, an einem ansonsten einsamen Strand, auf. Wir kommen los und merken sofort: windig heute! Reichlich auf und ab an der Küste inklusive Gegenwind bringen uns in das lediglich 25km entfernte Alexandroupoulis. Zur Motivation und Stärkung brauchen wir erstmal Kaffee und Börek - auch Abschiedsbörek und -bougatsa für Griechenland. Wir lassen uns den Zettel geben und sehen schwarz auf weiß, dass unser Tisch-Kaffee in der Tasse 24% MwSt hat, der Rest nur 13 - soviel zum To Go Becher-Verbrauch.
    Unterwegs finden wir den ersten Feigenbaum mit reifen Früchten. Wir hauen uns die Taschen voll. Im Laufe des Fahrtages werden die batschsüßen Früchte meine Rettung sein. Der Wind nimmt zu und wir fahren weiter Richtung Grenze zur Türkei. Wir brauchen ewig und kommen nur langsam voran. In Grenznähe sehen wir einen Falschfahrer auf der Autobahn. Noch näher an der Grenze erklärt sich auch warum. Die Schlange an wartenden Fahrzeugen, die sich kein Stück fortbewegen ist ca. 3km lang. Wir schlängeln uns an den Autos auf einer Nebenstraße vorbei und werden an der griechischen, wie türkischen Grenze von den Grenzbeamten vorgelotst. Bei der brüllenden Hitze soll doch bitte niemand zwischen den wartenden Autos mit seinem Radl stehen. 5m nach der Grenze hat Kristina mal wieder einen Platten Reifen. Ausgelöst durch das Scheuern des großen Lochs am Mantel vom Tag zuvor.
    Die türkische Grenze hat abstruse Dimensionen - riesige Gebäude und Betonbogen und alles sehr neu - und natürlich stets überall die türkische Flagge. Es fehlen nur noch Bilder von Erdogan.   
    Die Bundesstraßen in der Türkei haben die Dimensionen von deutschen Autobahnen. Und ab der Grenze führt nur eine diese Monsterstraßen weg. Also fahren wir im Schritttempo (weil kaputter Reifen, weil Gegenwind) zur nächsten Tankstelle. Alright und jetzt?

    18:30 Uhr und es gibt nur diese Monster-Straße und sonst Felder (kein Schatten) und kleine Dörfer. Wir beschließen: wir fahren erstmal auf dem Seitenstreifen weiter und suchen eine Wasserstelle. Der Verkehr nimmt zu, der Wind bläst konstant in unser Gesicht, es geht stetig bergauf und zu aller Freude warten an einem verlassenen Fabrikgelände an der Bundesstraße, noch ein ca. 5 wilde Hunde auf uns. Wir sehen die Hunde aus der Ferne und steigen ab. Bei unklaren Situationen hat es sich bewährt: lieber absteigen, schieben, Hunde nicht beachten (wichtig) und laut unterhalten. Wir würden bei dem Gegenwind und bei der Steigung eh nicht schnell weggekommen. Außerdem wollen wir nicht in den fließenden Verkehr ausweichen. Beim Schieben formieren wir uns - soweit möglich - wie folgt: Hunde, mein Fahrrad, Ich, Fahrrad von Kristina, Kristina. Die Fahrräder schützen uns und mir macht es nix bei den Tieren zu sein. Also: Der Chef der Band, so ein weißer großer Hirtenhund, lässt uns näher kommen. Als wir auf seiner Höhe sind, springt er auf, fletscht die Zähne und bellt aggressiv. Die Haare auf seinem Rücken stellen sich auf. Meine Hundekenntnisse sagen mir: das ist die Vorstufe zur Hölle, mehr Warnsignale sendet ein Hund nicht. Eigentlich sollte man jetzt ganz ruhig bleiben, sich nicht bewegen und langsam den Rückzug antreten. Geht ja nicht, wir müssen ja weiter und einen anderen gibt es nicht. Offenbar sind es die Fahrräder und im speziellen mein Hinterreifen die ihm Angst bereiten. Er springt bellend vor und zurück an mein Hinterrad. Die anderen Hunde kleffen einfach nur. Am Ende passiert nichts. Wir passieren die Einfahrt vom Fabrikgelände. Offenbar ist die Einfahrt der zu schützenden Bereich. Auf den Schreck erstmal eine Feige. Hakuna Matata. Weiter geht's.

    Kurz vor der nächsten größeren Stadt in einem Dorf fragen wir nach einer Wasserquelle. Kurzerhand haben wir Wasser, einen schattigen Zeltplatz auf einem kleinen Fußballplatz mit angrenzendem Spielplatz. Wir sind in der Dorfmitte und bei Einbruch der Dunkelheit kommen alle Frauen (ca.15) aus dem Dorf am Dorfplatz zusammen um zu ratschen. Wir werden sofort herzlich begrüßt und angequatscht. Da ist sie wieder die Gastfreundschaft und Herzlichkeit. Speziell in diesem Dorf, so lernen wir, sind viele Einwanderer aus dem Balkan. Englisch wird nur rudimentär gesprochen - Google translate ermöglicht halbwegs Unterhaltungen.

    Stellt euch die Szene so vor: Kristina sitzt mir beim Abendessen gegenüber und ihr werden nach und nach Handys ins Gesicht gehalten mit Google-Übersetzungen.
    - Seid ihr verheiratet?
    - Habt ihr ein Kind?
    - Wo kommt ihr her? 
    - Was kostet dein Fahrrad?
    - Wie ist das Leben in Deutschland?
    - etc.

    Die nächsten Tage wird uns die Frage nach Heirat und Kind begleiten. Teilweise wird sofort nach der Begrüßung gefragt. Unangenehm. Wir sind nun meist verheiratet, seit 4 Jahren und die Ringe haben wir zu Hause gelassen, damit sie auf der Tour nicht beschädigt werden. Ja, Verleumdung unseres Lebens. Vielleicht glauben wir es bald selbst. Jedenfalls passt es gut in die Geschichte und bei fehlender sprachlicher Basis ist diese Geschichte umstandsloser zu erzählen.

    Zurück zum Dorf: Ein ruhiger Abend nach einem windigen Tag sieht anders aus. Trotzdem nett. Es folgen Einladungen zum Frühstück. Uns wird eine riesige Wassermelone geschenkt. Wir schneiden und teilen sie mit den Frauen. Das kommt gut an. Wir machen Fotos und alles ist herzlich und nett. Irgendwann gegen 23:00 Uhr wird Kristina eine Dusche angeboten. Mir nicht. Mach, keine Frage. Ich mache eine Katzenwäsche wenn die Meute weg ist. Um 23:45 Uhr kommt Kristina geduscht zurück. Erst dann löst sich die Versammlung auf. Ich wasche mich und brauche noch ein wenig bis ich schlafe kann. Die ganzen Eindrücke muss ich erstmal verarbeiten.

    Einschub Kristina: nach der Dusche (die herrlich war!!)  musste ich flankiert von 3 Frauen noch im Garten Platz nehmen und einen Schwarztee mit viel Milch und Zucker trinken. Zuvor durfte ich nicht zum Hauptplatz zurück.
    Read more