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- Day 92
- Monday, September 2, 2024 at 12:26 PM
- ☀️ 31 °C
- Altitude: 877 m
TurkeyKızık38°25’39” N 39°59’42” E
Tag 92: Eine andere Seite der Türkei

Heute gefahren: 66km
Bisher gefahren gesamt: 5.171km
Heute Höhenmeter im Anstieg: 1.565hm
Höhenmeter im Anstieg bisher: 50.394hm
Platte Reifen: 4
Pausentage gesamt: 23
Fahrtage gesamt: 69
Wir haben gut geschlafen, allerdings habe ich immer noch Bauchschmerzen und muss mich während unserer Morgenroutine mehrmals hinlegen und ausruhen.
Also noch eine kleine Ibuprofen und Toilettengang, dann ging es schon besser.
Es geht erstmal gut bergauf, wieder in einer sehr schönen Landschaft und später biegen wir auf eine Route abseits der großen Straßen ein. Das erste Mal, dass wir „weiße“ Straßen fahren - die Route fahren wir auf Empfehlung eines Blogs eines anderen Radreisenden (https://esc-now.de).
Es ist sehr einsam und teilweise sehr steil. Nichts da mit gemäßigten Bergen, sondern immer wieder kleine, sehr steile Rampen. Es gilt: Schwung der Abfahrt mitnehmen. Wir fahren durch sehr kleine, ärmliche Dörfer.
Der Unterschied Stadt-Land in der Türkei ist sehr ausgeprägt. Deutlich konservativer, was sich natürlich durch Arbeitsteilung zeigt, z.B. sind Frauen mit den Kindern unterwegs, Frauen sind am Tun und Machen, Kinder arbeiten regelmäßig in den Minimärkten und in der Landwirtschaft mit (wesentlich ausgeprägter als bei uns mal Bulldog fahren und hoffentlich ist das nur so in den Ferien), Männer sitzen in Männer-Çay-Cafés (viele Ältere/ Rentner aber auch Jüngere). Viele Generation wohnen unter einem Dach, die Familien versorgen sich mit der eigenen Landwirtschaft und alle Naturprodukte werden verwertet. Da ist das Stadtleben weit entfernt.
Und auch Stadtleben ist nicht einfach, sondern für viele prekär: Teurere Mieten, noch engerer Raum, prekäre Job-Bedingungen, teurere Einkaufsmöglichkeiten als auf dem Land.
Manchmal haben wir das Gefühl, dass die Menschen auf dem Land das erste Mal Reisende, Touristen gesehen haben - und auf dem Fahrrad schon gar nicht. In den Gesprächen mit den Einheimischen zeigt sich auch, dass wir teilweise bereits viel mehr von ihrem Land gesehen haben als manche Türken von der Türkei.
Die Landschaft und der Weg sind weiterhin wunderschön, wir passieren kleine Pässe und Schluchten und Gebiete, wo Marmor abgebaut wird (daneben ein italienisches Unternehmen aus Milano, was den Marmor anscheinend vertreibt soviel zu „echtem“, italienischen Marmor).
Auf dem Weg sprießen immer wieder kleine Neubaugebiete mit Einfamilien- oder Mehrfamilienhäuser aus dem Boden. Teilweise unbewohnt, teilweise bewohnt. Weit weg von allem. Uns ist unklar, wer da lebt, leben möchte oder soll…
Wir halten am Abend an einer Moschee zum Wasser auffüllen und treffen auf die Familie (des Imams?), die nebenan wohnt. Er kann rudimentäres Englisch und füllt gerade selbst Wasser auf. Der kleine Sohn ist ganz begeistert von Vincent und dann kommt die ca. 8-jährige Tochter mit Down-Syndrom um die Ecke gewackelt und kommt auf Vincent zu und umarmt ihn mehrmals herzlich. Mir geht das Herz auf, wenn ich noch an die Szene denke.
Und wieder: Die Familie lebt einfach, ärmlich und doch scheinen sie glücklich und zufrieden. Ich vermag mir nicht vorzustellen, wie viel schwieriger es ist in der Türkei mit einem behinderten Kind in der Pampa zu leben. Ich glaube nicht, dass es hier Förderungen etc. gibt.
Danach suchen wir uns noch eine Wiese, um rechtzeitig vor Sonnenuntergang unser Zelt aufzuschlagen. Wir sind auf einem Feld näher einer kleinen Dorfstraße und anscheinend hat jemand die Jandarma verständigt - klar, Pampa und zwei zwielichtige Radfahrer mit Zelt!
Während wir gerade im Dunkeln beim Zwiebeln schnippeln sind, kommt ein Jandarma-Auto mit 3 Polizisten. Wir sind gespannt, was nun kommt. Bisher wurden wir noch keine von einem Zeltplatz vertrieben, es gibt immer ein ernstes Mal =)
Sie lassen kurz ihre Sirene aufheulen am Auto und kommen über das Feld. Einer bewacht das Auto. Wir gehen offenherzig, winkend und freudestrahlend mit unseren Stirnlampen auf sie zu. Natürlich können sie kein Englisch. Bzw.einer sagt er versteht etwas aber kann nicht sprechen. Wir erklären, dass wir nur Touristen sind und eine Nacht hier schlafen wollen. Das interessiert sie gar nicht so sehr. Der eine will erstmal die Marken unserer Fahrräder wissen. Ahhh ja. Als ob er etwas mit einer deutschen Fahrrad-Manufaktur anfangen könnte, Cube vllt schon eher aber natürlich auch nicht.
Sie sagen, wir sollen sie jederzeit anrufen (112), wenn wir „Security Problems“ haben sollten. Wir versichern, dass die Türkei toll ist, wir nur gute Erfahrungen gemacht haben und freuen hier zu sein. Wir meinen zu verstehen, dass sie auch noch „Fort Knox“ Bescheid geben, denn kurz vor der Moschee war auf dem Berg eine riesige Sicherheitsburg mit Aussichtstürmen, Stacheldraht, gepanzerten Fahrzeugen aufgebaut. Eine Militär/Jandarma-Station, die keine Ahnung was bewachen. Wir sind im Nirgendwo. Unklar, was hier passieren soll. Ich vermute wir waren das größte „Sicherheitsvorkommnis“ des Tages.
Aber besser so als unsicher und unfreundlich.Read more