• Kneifelspitze

    July 25 in Germany ⋅ 🌧 17 °C

    Bevor ein ganz besonderer Sportsgeist dieser Familie beleuchtet wird, darf ich zunächst dem Thema Essen ein paar Zeilen einräumen. Erschüttert stelle ich fest, dass ich es in diesem Urlaub noch gar nicht vollbracht habe, meisterlich auf zwei Flammen zubereitete Speisen von allen Seiten abzulichten.

    Tatsächlich lässt sich ein kleiner Paradigmenwechsel seitens dieser für uns doch so wichtigen Tätigkeit der Nahrungsaufnahme und damit einhergehender Zubereitung festellen. Oder bin nur ich es, die den Fokus verlagert hat? Zugegeben, für die Jungs bleibt es verlässlich: Mutti kocht irgendwas, meistens ist auch etwas dabei, das sich reinschaufeln lässt. Da ich seit Beginn 2024 auf das meiste tierische verzichte, ist zu Hause klar vegane Küche zu finden. Im Urlaub muss man es manchmal etwas lockerer sehen, wenn man den Mitreisenden ein Minimum an Milchprodukten bieten und trotzdem nicht Berge von Geschirr produzieren will. Überhaupt ist Kochen im Camper ein bisschen sportlich: Es gibt wie schon angedeutet nur zwei Flammen. Dazu kommt, dass bei diesen beiden Falmmen immer nur ein Kochgerät etwas größer sein darf. Mit einem großen Topf kann man schon nicht mehr die große Pfanne benutzen und schnell wird es eng. Ein ausgeklügeltes Warmehalte-System unter der Bettdecke kann da schon viel helfen, aber gutes Timing braucht es trotzdem. Inzwischen bemerke ich, dass es, wo es noch im letzten Urlaub hieß "Geilen veganen Scheiß kochen" heute eher "Hauptsache, die werden alle satt" heißt. Was soll man tun? David inzwischen auf dem Weg zum Monster-Gewichte-Stemmer, Erik in einer Wachstums-Fressphase. Das verlangt nach Pragmatismus. Immerhin haben wir nach über einer Woche, die wir schon unterwegs sind, noch keine Speisenwiederholung geschafft. Wir mampfen uns durch ziemlich viel Vollkorn-Nudeln, Kartoffeln, Tofu und so viel Gemüse, wie wir in den Kühlschrank gestopft kriegen. Soja-Soße und Erdnusmus helfen bei Saucen, die davon träumen, raffiniert zu sein und eine Packung Pak Choi aus dem Asia Supermarkt von letzter Woche versetzt mich in helle Aufregung, da sie ewig frisch bleibt. Alles mit einem Minimum an Wow, einer soliden Basis an Lecker und voller Punktzahl bei Satt.

    Deshalb gibt es derzeit auch nur ein Food-Foto in meinem Urlaubs-Ordner: Das geröstete Sauerteig-Brot, welches heute morgen ein ganz wunderbares Frühstück ergibt. Bestrichen mit Senf, ich komme doch aus Sachsen.

    Da sich eine Regenpause bis 15:00 Uhr prognostizieren lässt (Spoiler, es fängt schon gegen 13:00 Uhr wieder an zu Pieseln), wagen wir uns auf eine Bergwanderung. Am interessantesten ist dabei der beinah unbeschreibliche Leidensweg, den Erik dabei beschreitet. Bange fragt er die Eckdaten der Tour ab: Wie lange wir unterwegs sind? - Kommt drauf an. Wie viele Kilometer? - Über Zehn. (Theatralischer Zusammenbruch seinerseits) Wie viele Höhenmeter? - Wahrscheinlich über 400. Erik bricht erneut, noch immer in Schlafgewand, denn er ist sehr sehr spät aufgestanden am Frühstückstisch zusammen. Wir bieten ihm an, einfach am Camper zu bleiben. Das will er dann irgendwie auch nicht und bereitet sich gar nicht so schelcht auf die Tour vor. Dass er das Schlafanzugoberteil einfach anbehält bemerken wir erst später. Er packt gewissenhaft ein paar Hotwheelautos, Gummi-Dinos und sein Schnitzmesser ein. Für einige verrückte Szenarien dieser Wanderung könnte all das sicher hilfreich sein und los geht es zum Bus. Schon nach dem ersten Ausstieg zum Umstieg das erste Debakel: Was, wir gehen nicht ins Salzbergwerk? Das war zwar nie besprochen, löst aber trotzdem heftige Enttäuschung aus.

    Der innere Kampf beginnt. Da die Taktung der Busse recht dünn ausfällt, kann Erik sich eine geschlagene halbe Stunde mit der Frage beschäftigen, ob er zurück zum Campingplatz fährt oder die zermaternde Wanderung auf sich nehmen soll. Eindrücklich trägt er seinen inneren Monolog für uns gut miterlebbar vor. (Warum nur haben wir ihm die Theater-AG erlaubt?) Da Entscheidungen zu treffen ebenso schlimm wie Wanderungen sind, steigt er auch in den nächsten Bus und unterbricht gnädig den Monolog. Um ihn beim Ausstieg und Blick auf den 29%-Steigung-Schild wieder aufzunehmen.

    Jammernd quält er sich die ersten Meter hoch, wahlweise auf allen Vieren, dann rückwärts laufend. Die ersten 15 Minuten sind für keinen schön. Außer vielleicht für den Hund. Das Hundi meckert nie. Zum Glück wissen wir inzwischen, dass das mantraartige Meckern von Erik Teil seiner Vorbereitung auf sportliche Höchstleistung ist. Er psalmodiert sich quasi warm. Irgendetwas, und es lässt sich tatsächlich nicht genau sagen, was es sein mag, legt meistens (Oh bitte, lass es auch dieses Mal so sein!) den Schalter von Meckermodus zu Sport-Rage-Modus um.

    Dann legt er los, dann läuft er an und ist nicht mehr zu stoppen. Heute ist es ein prima Wanderstock, den er am Wegesrand findet. Erik überholt und wie ein Ausreiser bei der Tour de France sehen wir ihm erstaunt (und erleichtert) dabei zu, wie er den Abstand auf's Peloton stetig vergrößert. Irgendwann kann man ihn erst wieder auf langen Geraden sehen. Er hält nicht an, selbst an den schönsten Bänken für eine Rast nicht. Kein Chance, ihn einzuholen. Uns wird bald klar: Der stoppt erst am Gipfel. Und wir müssen nachziehen. Ich verfluche die dämliche Idee, genug Getränke für mich und Erik mitzunehmen. Als es dann auch noch anfängt, viel zu früh zu regnen, verfluche ich auch ein ganz kleines bisschen die schwere Kamera, die ich dabei habe und die jetzt zurück in den Rucksack muss. Ich schiele auf die Garmin-Uhr, mein Puls klettert über 180 bpm. Der Anstieg hat es in sich. Wir absolvieren den Aufstieg von ca 450 Höhenmetern in ca 50 Minuten. Strava soll mich später sogar als 10. Schnellste von immerhin 172 Strava-Nutzerinnen, die ein Segment von 319 Höhenmetern bei 16% Steigung absolvierten, ausloben. Ohne Erik hätten wir das nicht geschafft.

    Die Aussicht lässt vielleicht wegen all der Regenwolken etwas zu wünschen übrig, aber die Wanderung macht uns euphorisch. Der Abstieg führt uns durch eine Kuhweide mit ganz friedlichen Grasern, entlang eines Klamms und schließlich erschöpft und glücklich zur rettenden Bushaltestelle. Was ein schöner Tag!
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