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- Dag 16
- lördag 2 augusti 2025
- ☀️ 21 °C
- Höjd över havet: 199 m
ItalienIseo45°39’35” N 10°2’56” E
Bicicletta

Eigentlich bin ich kein richtiger Radfahrer mehr. Vor einiger Zeit habe ich mir zusätzlich zu meinem treuen Trekking-Rad Oberon ein Gravelbike erworben, es Perseus getauft und versucht, ein bisschen im Geiste verrückter Rennrad-Fahrer unterwegs zu sein. Die Wahrheit ist, mit fehlt das Verrückte zum Radeln. Viel zu schissig bin ich, habe Angst vor schnellen Abfahrten, Angst davor, dass irgendein Autofahrer mich abräumt und vor allem Angst, dass ich irgendeine Widrigkeit der Strecke übersehe, die mich stürzen lässt. Und überhaupt, mir tut auf der Rennmaschine spätestens nach 90 Minuten einfach Alles weh. Also bleibt mir nur der Pendelweg zur Arbeit, aber der reicht mir auch. Beim Laufen behalte ich die Kontrolle, Stürze nerven, sind aber verkraftbar. Das Hirn lässt sich ganz wunderbar herunterfahren und ich kann mit leerem Blick in die Landschaft schauen.
Heute aber will ich etwas Besonderes mit meinem treuen Oberon unternehmen: Einmal um den Lago d’Iseo, etwa 60 km, ganz wenig Höhenmeter. Vor aber ordentlich Regenwetter und Gewitter. Immer wieder wurden wir in der Nacht von lauten Donnerschlägen aus dem Schlaf geschreckt. Als würden Riesen auf den Bergen um den See stehen und mit ebenso riesigen Felsbrocken werfen. Einer davon kann unser Gefährt nur knapp verfehlt haben, so laut grollte es. Trotzdem fühle ich mich aufgelegt für eine kleine Herausforderung, nicht wissend, was meine Beine eigentlich gerade können. Schwierig nur die Wettervorhersage, Regen bis 16:00 Uhr? Wir gönnen uns langes Ausschlafen (außer David, der steht einfach immer super früh auf) und dann ein spätes Frühstück, was wir wie ein Mittagessen angehen. Ich weiß es noch nicht, aber diese Pinsa mit Kirschtomaten, Pesto und Mozzarella (in Italien is(s)t man vegetarisch, nicht vegan) wird mich perfekt durch die anstehende Fahrt bringen. Gegen 12:00 Uhr reißt der Himmel plötzlich auf. David brütet über verschiedenen Wetterdiensten, es könnte eine Regenpause von zwei bis drei Stunden geben. Das reicht mir. Ich packe trotzdem Regensachen ein, lasse mir vom Herzblatt seine geplante Strecke um den See schicken und mache mich fast schon übermotiviert auf den Weg. So übermotiviert, dass ich direkt in die falsche Richtung aufbreche. Später finde ich, dass das gar nicht über war, denn so konnte ich immer wieder am See halten, ohne die Straßenseite wechseln zu müssen. Trotzdem will mich meine Garmin beständig zum Umkehren zwingen, das kleine dominante Miststück. Ich ignoriere sie geflissentlich, prüfe nur zwischendurch meine Strecke.
Besonders belebend finde ich die Geschwindigkeit, mit der ich vorankomme. Den Anfang der Tour bildet das 11 Kilometer lange Filetstück der Wanderung, die Erik unter Qualen absolvieren musste. Immer wieder muss ich mich daran erinnern, dass ich jetzt ein Radfahrer bin und nicht auf die säuberlich markierte Fußgängerspur drifte. Wie schrecklich langsam David Wandern vorkommen muss, wenn für ihn das Radeln die Standard-Sportart ist. Dann doch lieber ab und zu vom Geschwindigkeitsrausch des Drahtesels kosten. Der Himmel klart immer weiter auf, trotzdem weht ein erfrischender Wind.
Unbeobachtet tue ich ungefähr alles, wofür mich Streber-Radler David abstrafen würde: Nicht immer Vollgas geben, für Fotos anhalten, zum Trinken anhalten, bergab NICHT in die Pedale treten, andere Fahrradfahrer an mir vorbeiziehen lassen, ohne mich wenigstens kurz in den Windschatten zu hängen, auf dem gemischten Fuß- und Radweg fahren, darüber nachdenken, für ein Eis anzuhalten. Alles das macht mir schrecklich Spaß und die Strecke ist immer gut fahrbar und bietet immer wieder schöne Aussichten.
Toll finde ich ein kurzes Stück mit Zypressen, die Brettwurzeln wie Mangroven-Bäume haben. Nass wird es immer dort, wo die Regenfälle der letzten Nacht und des Vormittags riesige Pfützen auf den Wegen hinterlassen haben. Gruselig wird es in den Tunneln. Der erste überrascht mich maßlos. Der Radweg zur Rechten ist gesperrt und es bleibt mir nichts anderes übrig, als reinzufahren. Dunkel wie ein Maul zur Unterwelt verschluckt er mich und meine Augen brauchen viel zu lang, um sich an die neuen Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Ich schicke noch einen großen Dank an meinen Fahrradschrauber, der Oberon noch in der Woche vor dem Urlaub flott gemacht hat. Mein repariertes Licht erweist mir große Dienste bei der Durchfahrt. Höllisch laut ist es, Autos und Motorräder überholen mich knapp, denn der Tunnel ist eng. Von allen Seiten rauscht Wasser von der Decke, ein Ende des Tunnels lange nicht in Sicht. Nur einer von drei Tunneln, aber ich überstehe alle.
Die Kilometer fliegen nur so dahin und erst ab Kilometer 45 wird mein linkes Bein ein bisschen taub, nicht schlecht. Weil ich schrecklich cool bin, fahre ich ohne Polsterhose und mit Schirmmütze unter dem Helm. Auf den letzten 15 Kilometern passiere ich ein besonders schönes Stück, kurvig, super schöne Sicht auf hervorstehende Felsen, bis zu denen ich zwei Tage zuvor unbedingt laufen wollte. Am Ende noch ein paar recht zögerliche Autofahrer, aber durch die mogle ich mich auch noch durch. Oberon ist ein treuer Gefährte, ich heute Radfahrer mit ganzem Herzen. Drei Stunden brauche ich, Durchschnitt 20 km/h. Unnötig zu sagen, dass David die Strecke in anderer Richtung in unter zwei Stunden schafft.
Den Rest des Tages gönnen wir uns noch eine große Portion Dolce Vita: Eis und Pizza, Duschen und Schlendern, ein schöner Sonnenuntergang. Es ist unser letzter Abend im schönen Italien, das es so gut mit uns meinte.Läs mer