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  • Day 5

    Im Reich der Kelten

    April 3, 2021 in Germany ⋅ ⛅ 4 °C

    Da der Panoramaweg wahrlich nicht mit Bänken oder gar Hütten gesegnet ist, hatte ich mich im Vorfeld dazu entschlossen, den Weg zu verlassen, um einen ganz besonderen Schlafplatz aufzusuchen. Hört sich ganz einfach an, war es aber nicht. Und das kam so.

    Einige hundert Meter vor Tauberzell steige ich vom Panoramaweg hinunter ins Tal, übrigens auf einem richtig schönen Single-Trail, und überquere die Tauber. Dort nehme ich den Sonnenuntergang über dem Taubertal auf und mache mich auf die Suche nach dem Weg. Sollte der zuvor ausgesuchte Weg mich auf einen Berg ohne Namen bringen, zeigt mir die Locus App einen Naturpfad an, der mich 500m vorher auf genau den gleichen Berg bringen würde. Oben sollten sich die Wege annähern, so das ich nur kurz queren müsste.

    Ich biege also früher ab, trete in den stockdunklen Wald ein und keuche den Naturpfad steil nach oben, als vielleicht so hundert Meter oberhalb ein Hirsch röhrt. Man, bin ich zusammen geschreckt! Kurz gesammelt, und schon stolpere ich weiter in den Schlamassel hinein: Der Pfad löst sich vor meinen Augen in Wohlgefallen auf, verschwindet quasi in der Natur, als ob das sein Name meint. Kurz darauf liegen Tannenbäume quer über dem "Weg". Rechts geht es steil nach oben, links fällt ein Graben so zehn, zwölf Meter ab. Ich frage mich, wie ich auf den eigentlichen Weg auf der anderen Seite gelangen kann.

    Jetzt aber erst einmal die vom Wind geworfenen Bäume hinter mir lassen. Langsam suche ich mir einen Weg unter den Tannenwedeln hindurch, schiebe sie zur Seite, stolpere über Dornengebüsch, raffe mich im schmalen Kegel meiner Stirnlampe auf, erkenne das Ende und bin durch. Man bin ich fertig. Der gezerrte Fuß pocht wie wild. Nach einer kurzen Pause suche ich den Weg zum Abgrund.

    Da muss ich rüber kommen. Auf der anderen Seite kann ich den Weg als schmales Band in der Dunkelheit erkennen. Mit letzter Kraft stolpere ich schräg hinunter in den Graben, steige über Gesteinsbrocken und Geröll, das unter Laub verborgen liegt, ramme meine Stöcke in den Waldboden und ziehe mich Schritt um Schritt nach oben. Geschafft! Ich stehe auf dem Weg, erkenne aber, der geht weiterhin steil nach oben, immer höher und höher.

    Stehen bleiben. Durchatmen. Weiter. Zehn Minuten brauche ich für die zweihundert Meter da hoch. Nur noch einen Kilometer und ich habe es geschafft!

    Links neben mir steht der Wald schräg an einem Hang, rechts ein weitläufiges Feld. Schritt um Schritt stapfe ich am Waldrand entlang, als ein Hirsch - oder was auch immer - keine zehn Meter neben mir aus dem Wald heraus röhrt. Was für ein gewaltiger Ruf, der mich bis ins Mark hinein erschüttert. Ich drehe mich herum, leuchte mit der Stirnlampe in den Wald, das Tier hetzt davon, ich bin wieder alleine. Noch fünfhundert Meter.

    Um die Biegung aus dem Wald heraus renne ich fast an eine vier-fünf Meter hohe Palisadenwand! Daran vorbei führt ein schmaler Weg hinauf zu einem Feld, das ich quere. Jetzt kann ich ihn sehen, meinen Lagerplatz für diese Nacht: Dem Nachbau eines Keltenhauses, 500 Jahre vor unserer Zeitrechnung. Die Tür ist offen. Nach einem kleinen Abendessen lege ich mich auf dem Lehmboden in meinen Quilt und schlafe sofort ein. Bis mich die Kälte weckt.
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