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  • Day 42

    Lissabon - Meine Gedanken

    January 19 in Portugal ⋅ 🌧 12 °C

    Lissabon. Eine Stadt, die sich in deinen Schlaf, deine Träume einnistet, die im Aufwachen präsent ist wie eine Mauer, wie eine Frau, die sich umdreht, das Haar im Wind verdreht, wo du nie weißt, ob die Geste ein Abschied ist. Oder eine Annäherung, eine einladende Handbewegung, ihr zu folgen. Vielleicht bist du auch gar nicht gemeint, und es ist lediglich sie und das Meer, dem ihre Blicke folgen, ein Zwiefalter der Phantasie.

    In Nazaré diese Bruchteile von Sekunden, während das Licht des Leuchtturms in der Lücke der Baumkronen meine Augen trifft wie ein Zwinkern, kaum lang genug für einen Augenaufschlag. Später in Azenhas do Mar, draußen vor dem kleinen Restaurant, die Frau mit dem harten slowenischen Akzent im weichen schottigen Mantel, die von der MS spricht wie von einem Schiff, das gerade im Sturm ankert.

    Wir haben uns gefunden, der Espresso ist so stark wie das Leben, ich mag diesen Geschmack. Auf der Zunge, im Herzen, zwischen den Flügeln meiner Seele. In den Augen meiner Hündin, die wie ich von Traurigkeit erfasst wird, das Lachen ihr im Schalk durchs Bernstein glitzert. Wenn sie die Katze auf der Mauer sieht, die ihr allein durch ihre Präsenz in der Farbe der Dachziegel, der gebrannten Steine, auf denen sie wartet, ihre Grenzen aufzeichnet. Die Hilde widerspruchslos akzeptiert, dass ich staunen muss, wie einfach das sein kann.

    Meiner ersten Annäherung an Lissabon 1979 lag die Trauer eines Abschieds in den Armen. Ich sehe noch, wie wir durch die Straßen lachen. Ann, Frank and Peter. Quer durch Spanien getrampt, von Frankreichs baskischen Erinnerungen über rote Felder schwerem Lehms, in grünen Umrandungen unter blauem Himmel, in einem Zug, dessen rhythmisches Rattern die Holzschwellen zählte.

    Wir kommen von Figueira da Foz, aus dem Norden in die Stadt. Es gibt Lücken in meiner Erinnerung, weil der Schmerz so tief in meiner Seele bohrte, dass er die Augen des Nachdenkens geblendet hat. Aber ich weiß noch, wie wir links der Straße bergab in eine Bodega schwenken, der Wirt den Wein direkt aus den Fässern zapft, für ein paar Centavos, vielleicht ein zwei Escudos.

    Andy habe ich zum Flughafen in Frankfurt begleitet, ich weiß noch, wie er sich umdreht und winkt. Lange lasse ich meine Gedanken über die Jahrzehnte gleiten, aber Abschiede lösen sich nicht mehr aus der Erinnerung heraus. Ich sehe mich mit Sara auf der Straße, mitten in Kopenhagen, das italienische Mädchen aus Sizilien, fast verloren im kühlen Norden. Symbolisch für ein Leben, für Abschiede, für den Tod, von dem ich nicht viel weiß, außer das er schwarz ist wie die Nacht, in der es nicht aufhört zu regnen, zu weinen, zu trösten.

    Wir haben uns irgendwo in Lissabon verloren. Me and Bobby McGee. "One day up near Salinas, Lord, I let him slip away...
    Freedom is just another word for nothin' left to lose...But feelin' good was easy, Lord, when he sang the blues...good enough for me and my Bobby McGee."

    https://youtu.be/sfjon-ZTqzU?si=PY7iCA1hc_w2u_Y2

    Frank habe ich nie mehr gesehen, Ann sehr wohl, und der Schmerz des Vergessens sitzt tief in meiner Seele. Heute bin ich wieder in Lissabon, fahre durch die Straßen, warte an Plätzen, schaue Menschen ins Herz, im Vorbeigehen, einen Augenblick lang, der fast so unwirklich ist wie das Licht des Leuchtturms. Sind sie einsamer geworden.

    Die dunklen Menschen heben sich deutlicher von den weißen Mauern ab, obwohl deren Farbe längst abblättert. Die Flasche Wein gegen die Sonne halten, um zu sehen, ob man noch teilen kann. Die Sprache schleppend wie die Bewegungen, seitlich vom Touristenstrom, der nicht hierher gehen mag, zu den Menschen, die durch einen Riß in der Mauer der Brücke kommen und gehen, manchmal nur noch bleiben können für die Nacht, den neuen Tag.

    Es regnet in Portugal, obwohl ich viel Grund habe, glücklich zu sein. Jeder begegnet der Stadt auf seine Art. Sie nimmt dich so sehr in ihre Arme, dass du nie sicher sein kannst, ob sie dich wieder gehen lässt. Egal wie oft du sie besuchst, wie oft du weggehst, wie sehr du sie vermisst. Auch an der Santuârio de Christo Rei regnet es, wir begegnen Bob, ein junger Niederländer auf Reisen durch die Zeit. Er lebt davon, Filme zu machen für Museen. Wir stehen auf der Plattform mit dem Blick über den Tejo, dessen Wasser im Licht der Brücke funkelt. Überragt von der Statue, deren eigentliche Größe von weit unten nicht zu begreifen ist.

    Fast drei Generationen, wenngleich zwischen Nadine und Bob die Zeit knapp wird, dafür zieht sie sich von ihr zu mir in die Länge. Nicht die Lebenszeit, lediglich die Zwischenräume in der Geburt. Für alles andere gibt es keine Maßstäbe, die wir bestimmen können. Nur der Moment des Abschieds macht uns gleich. Traurig. Dankbar.

    Meine Bilder sind anders. Anders als du die Stadt vielleicht gesehen hast. Sehenswürdigkeiten findest im Internet, auf Postkarten, in deiner Erinnerung. Ich kann dich mitnehmen auf meine Straßen durch Lissabon. Eine kleine Auswahl aus der Vielzahl der Aufnahmen, die du auf FindPenguins findest. Ich füge nochmal den Link bei.

    https://findpenguins.com/9msil0k9l9ebe/trip/656…
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