Satellite
Show on map
  • Day 21

    Ein brauchbares Wort

    March 27 in Germany ⋅ ☁️ 11 °C

    Guten Morgen aus Donaueschingen. Räumlich liegen die Höhen des Schwarzen Waldes hinter uns, und dafür die Quelle eines großen europäischen Flusses uns zu Füßen. Es könnte also unser großer Aufbruch nach Osten sein, aber es ist nur ein kurzer Halt auf einer anderen Reise.

    In der Zwischenzeit hast du dich vielleicht schon an meine Reels und kleinen Lebensetappen gewöhnen können, die in Bildern unseren Weg aufzeichnen, die vereinzelten Texte und Geschichten ergänzen.

    Unser Lebensrythmus verändert sich seit längerer Zeit und aus den diffusen Strängen von einzelnen Gedanken, Träumen, Emotionen und Erlebnissen, entwickelt sich ein brauchbares Muster.

    "Also gib mir ein brauchbares Wort,
    Gib mir ein brauchbares Wort,
    Eines das du sagst und auch meinst,
    Gib gib gib mir so ein Wort"

    (Auszug des Textes zu 'Mona Lisa der Lobau' von Wanda)

    Mein Mund, der sich öffnen möchte, um das zu sagen, der ist noch nicht bereit dazu, auch wenn mein Herz ihn drängt, ihm zuflüstert, ihn auffordert. Deine Seele fliegt, schau zu, wie ein Vogel, weit über den blauen Himmel, in den Morgen hinein, den Abend, die Ferne und die Weite, die Einsamkeit und in eine unbekannte Nähe.

    Manchmal denke ich, dass es dieses brauchbare Wort nicht umsonst gibt. In allem Abschied steckt ein neuer Anfang, und ihm wohnt ein Zauber inne, sagen die weisen Männer, die übers Land gegangen sind, um sich wieder zu finden.

    Also gehe und komme ich mir näher, berühre eine Hand, finde einen Arm, lasse meinen schwerfälligen Tritt in einen Gleichklang gleiten. Wie so oft spüren wir in uns hinein, wie so ein neuer Tag aus sich heraus spürt. Manchmal ist die Sonne schon höher am Himmel, während der Horizont noch in Flammen steht. Um dann zu verblassen. Dem Licht in uns der Zukunft öffnen.

    Waage ist der Weg des Schützen, die Suche nach dem Ausgleich zwischen Phantasie und Wirklichkeit, Traum und Zukunft, dem Abend und Morgen jeden Lebens, dem Frühlingserwachen des nahenden Sommers, und dem Winterrauschen der fallenden Herbstblätter.

    Warum ich so früh in den Norden zurückgefahren bin, obwohl die Kälte in die Gelenke zieht, hast du dich oft gefragt, und mich um eine Antwort gebeten. Ich war sprachlos wie Mona Lisa und bin es noch, obwohl sich Worte formen gleich Bildern in einer fernen Nähe.

    Wie so oft am Morgen die Wolken den Aufgang der Sonne verdunkeln, und wenn sich deine Augen gerade an den grauen Tag gewöhnt haben, reißt der Vorhang auf, die Sonne tanzt am blauen Himmel in einen grandiosen Tag.

    Wir sind in den Vogesen geblieben, ich habe meinen Stock und Hilde's Leine neben den Spiegel nahe der Tür gestellt, durch die wir vom Osten in den Westen gefahren sind. Vom Frühling in den Schnee und wieder zurück. Und mir fällt ein, dass es mir wegen dieser kurzen Berührung der Jahreszeiten schon oft schwergefallen ist, über den Winter in den Süden zu fahren.

    Das Meer und die Berge, sie leben in mir. Die Gegensätze und der Ausgleich sind ein Teil meines Weges, dessen Vielfältigkeit um eine Nuance reicher geworden ist. Ich habe weniger zu erzählen, und möchte Dich dennoch weiterhin mitnehmen auf die Spaziergänge mit Hilde.

    Vielleicht ein bisschen öfter mit unseren Augen, woran Du Dich gewöhnen wirst, weil sie der Zugang zu Deinem Herzen, zu Deinen Sinnen sind, die Tür ins Leben, ins Morgen. Wenn ich ein Buch verschenken möchte, höre ich oft, dass die Menschen nicht mehr lesen, aber als Erinnerung an mich jetzt vielleicht doch wieder anfangen. Aber leichter würde es ihnen fallen, wenn sie einfach zuhören könnten.

    Wie Vogelgesang am Morgen den Tag ankündigt, und die Nacht in seinem letzten Klang berührt. Ja, das wäre schön, wenn die Menschen wieder zuhören würden, dem Leben lauschen, ihre Bedürfnisse verstehen lernen, und ihren Wünschen die Tür öffnen.

    Anselm Grün, den ich manchmal, aber meist nur selten frage, hat heute eine Antwort. "Wenn unsere Seele zu schwingen beginnt, dann können wir auch einschwingen in die Seelen der Menschen um uns herum. Dann entsteht eine gemeinsame Schwingung, und wir fühlen uns im Innersten mit den Menschen verbunden."
    Read more